Die Frauen in der Tschechoslowakei hatten ihr Wahlrecht vor 100 Jahren erkämpft, so dass Čaputovás Wahlsieg auch daran ein wenig erinnerte. Sie selbst betonte allerdings, dass die Tatsache, eine Frau zu sein, im Wahlkampf keine große Rolle gespielt habe. Die Wähler und Wählerinnen hätten auf konkrete Äußerungen und Ideen gewartet. Sie sei gewählt worden, weil sie für Veränderungen eingetreten sei.
Auf die künftige Präsidentin entfielen 58,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, während der in der Stichwahl unterlegene Maroš Šefčovič auf 41,6 kam. Der Erfolg von Čaputová wirft jedoch eine ganze Reihe von Fragen auf, die sich bei den Wahlen gezeigt haben.
Zunächst fällt die enttäuschende Wahlbeteiligung von deutlich unter 50 Prozent auf, die niedrigste in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen der Slowakei. Bereits am Wahlabend versuchten verschiedene Kreise deshalb auch, das nun gewonnene Mandat als ein «schwaches» zu erklären. Für die 43-jährige Čaputová stimmten etwa eine Million Wählende, etwa 300.000 weniger als bei den vorletzten Wahlen für Andrej Kiška, der diesmal nicht wieder antrat.
Bemerkenswert ist auch, dass sich die Wählerinnen und Wähler, die nicht einverstanden sind mit der liberalen oder sozialdemokratischen Ausrichtung der Entwicklung, sich größtenteils bei dieser Stichwahl zurückgehalten haben und nicht wählen gingen. Unter Ihnen spielen neben konservativen Wertevorstellungen auch immer mehr Positionen eine Rolle, die von EU-skeptischen und sogar rechtsextremen Gruppierungen vertreten werden. Als Personen seien hier stellvertretend Štefan Harabin oder Marian Kotleba, die nicht an der Stichwahl teilgenommen haben, genannt.
Gerade diese Wählergruppen hat die proeuropäische und liberale bis linksliberale Einstellung von Zuzana Čaputová abgeschreckt. Die Bemühungen von Šefčovič, solche rechtspopulistischen Stimmungen durch einen betont konservativ angelegten Wahlkampf für sich einzufangen, waren nicht glaubhaft. Für die rechtsgerichtete Wählergruppe waren beide Kandidaten viel zu sehr im politischen Zentrum verankert. Auch die ungarische Minderheit zeichnete sich in der Mehrheit durch Wahlabstinenz aus, empfahl doch sogar deren moderater Vertreter Béla Bulgár, der in der ersten Runde unterlag, in keinem Fall Čaputová zu wählen. Aber auch Šefčovič konnte bei den ungarischen Wählern nicht punkten, denn zu sehr erinnerte man sich an die bösen Worte des ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico, der von einer «illoyalen Minderheit» gesprochen hatte.
Zuzana Čaputová versteht sich als Vertreterin aller Bürgerinnen und Bürger. Sie strebt einen breiteren Konsens an und will von den stark auf Personen bezogenen Auseinandersetzungen in der Politik hin zu sachlichen Debatten kommen. Die kommenden Wochen und Monate werden sehr schnell zeigen, von wem sie dabei unterstützt bzw. bekämpft werden wird. Einen parlamentarischen Rückhalt hat sie im Augenblick nicht, den muss sie sich entweder mühsamer erarbeiten oder sogar erkämpfen.
Zurecht wird sie als eine Staatspräsidentin auch für die jüngere Generation angesehen. Unmittelbar nach ihrer Wahl hat sie Blumen am Denkmal für den ermordeten jungen Journalisten Ján Kuciak niedergelegt. Und die vollen Rechte für die LGBT-Minderheiten waren ein wichtiger Bestandteil ihres Wahlprogramms. In der Altersgruppe zwischen 18 bis 30 Jahren bekam Zuzana Čaputová fast 75 Prozent Unterstützung.
Dieser Zuschnitt wird auch die im Parlament vertretenen wichtigen Parteien aufschrecken, vor allem aber die von Robert Fico angeführte Regierungspartei SMER. Seine Partei wird nun nach Reserven ausschauen, um bei den turnusmäßig für 2020 angesetzten Parlamentswahlen erneut die Nase vorne haben zu können. Insofern überraschte es nicht, dass sich die sozialdemokratisch verstehende SMER im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl klar gegen eine Erweiterung der Rechte von LGBTIQ-Minderheiten aussprach und den bisherigen Kurs gegen Immigration betonte. Viele Kommentare werfen nun aber ein, dass ein solcher auf konservative Wählerschichten abzielender Kurs zu einer Gefahr für die SMER-Richtung werden könnte.
Deutliche Akzente setzte Zuzana Čaputová bezüglich der EU-Mitgliedschaft der Slowakei. Die noch immer vorhandene Unterteilung in «alte» und «neue» EU-Mitgliedstaaten sollte endlich aufgehoben werden, da sich die Slowakei als ein Land verstehe, das in der westlichen Tradition stehe. An der Zusammenarbeit der vier Visegrád-Länder (Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien) wolle sie festhalten, wobei sie versprach, dort den proeuropäischen Charakter zu stärken und gegen autokratische Tendenzen auftreten zu wollen.