Die «Initiative Genossenschaft von unten» Berlin hat sich im Jahre 2008 aus dem Zusammenschluss unzufriedener und kritischer Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften gebildet, um sich gegen die undemokratischen Verhältnisse dort zu wehren. Sie ist basisdemokratisch organisiert.
Gegenstand ihrer Tätigkeit ist die Weiterentwicklung von Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz in Genossenschaften, vorrangig in Wohnungsgenossenschaften. Sie wendet sich gegen hohe Mieterhöhungen und Vorstandswillkür und unterstützt ratsuchende Genossenschaftsmitglieder.
Anfang Mai dieses Jahres wandte sich die Initiative Genossenschaft von unten mit nachfolgenden Vorschlägen an die Fraktionen des Bundestages von CDU/CSU, SPD, Die LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, um die Demokratie für die Mitglieder von Genossenschaften, speziell der Wohnungsbaugenossenschaften, zu stärken.
Anlass waren insbesondere Anzeichen der Mietpreistreiberei. Diese werden dadurch begünstigt, dass gemäß § 27 des Genossenschaftsgesetzes Mitglieder in existentiellen Fragen wie Mieten, Modernisierung, Abriss und Neubau von Wohnungen keinerlei Mitbestimmungsrecht haben. Deshalb fordern wir die Änderung des Paragraphen 27, insbesondere die Wiederherstellung des Rechts der Generalversammlung oder der Vertreterversammlung, dem Vorstand geschäftspolitische Weisungen erteilen zu dürfen. Dazu zählen auch Maßnahmen zum Schutz der Mitglieder vor Maßregelung durch die Vorstände. Die Bestimmung im «Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften» vom 17. Juli 2017, wonach in Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung gebunden ist, ist unzureichend. Sie sollte auf alle Genossenschaften ausgedehnt werden. Gerade in großen Genossenschaften mit tausenden Wohnungen und Umsätzen von vielen Millionen Euro haben die Mitglieder keinen Einfluss auf das Handeln der Vorstände. Angesichts neuer Entwicklungen halten wir die Änderung des Genossenschaftsgesetzes für dringender denn je.
Sozialbindung
Am 6. Februar 2019 hat der Bundesgerichtshof durch Urteil festgestellt, dass eine unbefristete Sozialbindung von Wohnungen unwirksam ist (Az V ZR 176/17). Im öffentlich geförderten Wohnungsbau können Wohnungsgenossenschaften nicht dauerhaft zum Angebot von Sozialwohnungen verpflichtet werden, auch wenn ihnen die Kommune günstig Bauland überlassen hat. Damit ist auch eine Mietpreisbindung nicht möglich. Diese Entscheidung eröffnet anderen Wohnungsgenossenschaften sowie privaten Investoren die Möglichkeit, ebenfalls gegen Verträge über die Sozialbindung von Wohnungen und Mieten gerichtlich vorzugehen. Es ist zu befürchten, dass durch einen breiten Ausstieg aus der Sozialbindung die Mieten flächendeckend in die Höhe getrieben werden. Über derartige Schritte haben nach gegenwärtiger Rechtslage die Vorstände der Genossenschaften allein zu entscheiden, auch wenn es für die eigenen Mitglieder nachteilig ist. Die Mitglieder dürfen da nicht mitbestimmen und können unsoziale Maßnahmen nicht verhindern.
Gegen die Disziplinierung der Mitglieder
Wohnungsgenossenschaften tragen zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums bei. Das ist mithin ihr wichtigster Zweck. Manche Vorstände der Wohnungsgenossenschaften jedoch nehmen den allgemeinen Anstieg der Mieten zum Anlass, ohne betriebswirtschaftlich bedingte Notwendigkeit ihre Mieten dem Mietspiegel beziehungsweise dem Marktpreis anzupassen. Dazu erlassen sie Mietkonzeptionen, die von den Mitgliedern nicht beschlossen worden sind und erhöhen die Einstufung der Wohnlagen. Dagegen regt sich in den Genossenschaften Widerstand. Gleichzeitig werden die Kriterien für die Haftung der Vorstände entschärft.
Durch gesetzliche Veränderungen wurde eine Überarbeitung von Mustersatzung, -geschäftsordnung und -wahlordnung für Genossenschaften notwendig. Die Neufassung der Mustersatzung soll u.a. Ausschlussvoraussetzungen und -gründe klarer formulieren. Zu befürchten ist, dass dies schärfere Maßregelungen der Mitglieder ermöglichen und den Ausschluss von Mitgliedern sowie den Entzug von Genossenschaftswohnungen erleichtern kann. Diese Maßnahmen können der Disziplinierung der Mitglieder und der Stärkung der Macht der Vorstände dienen. Sie fördern nicht die genossenschaftliche Demokratie, sondern sie untergraben sie.
Dieser Entwicklung kann durch die Änderung des Genossenschaftsgesetzes entgegengewirkt werden. Unsere Vorschläge enthalten zum Beispiel die Maßgabe, dass selbstverständlich Kritik am Vorstand kein Ausschließungsgrund sein darf. Ferner sollen die Vorstände von den Mitgliedern oder von den Vertretern gewählt und nicht vom Aufsichtsrat eingesetzt werden. Wichtige Entscheidungen wie die Modernisierung oder der Neubau von Wohnungen sollen in die Kompetenz der Generalversammlung übertragen werden.
Wir sind der Auffassung, dass die Weiterentwicklung der Demokratie in Genossenschaften seinen konkreten Niederschlag in der entsprechenden Gesetzgebung und im gelebten genossenschaftlichen Alltag des 21. Jahrhunderts finden muss.