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Der Wahlerfolg des kroatischen Bündnisses »Možemo!« zeigt: Die postjugoslawische Linke ist wieder da

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Foto: Nina Đurđević, Možemo - politička platforma

Am späten Abend des 5. Juli war es offiziell: Die aus sechs Parteien bestehende links-grüne Plattform «Možemo!» (Wir können es!) hat bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Kroatien landesweit über sieben Prozent der Stimmen bekommen und zieht demnächst mit sieben Abgeordneten in das kroatische Parlament, den Sabor, ein.

Dies ist mehr als nur ein Achtungserfolg. Im kroatischen Parlament sitzt nun zum ersten Mal seit der Unabhängigkeitserklärung im Juni 1991 ein politischer Akteur links von der Sozialdemokratie. Und noch viel wichtiger: Der Durchbruch kam nicht zufällig. Seit über einem Jahrzehnt sind die meisten der in dieser Plattform vereinten Aktivistinnen und Aktivisten politisch engagiert. Angefangen von den Studentenprotesten 2009 und dem Widerstand gegen die Kommerzialisierung der Hochschulbildung, die in der Hauptstadt Zagreb ihren Ausgang nahmen, über den seit einem Jahrzehnt andauernden Widerstand gegen den korrupten Zagreber Langzeitbürgermeister Milan Bandić bis hin zur Kritik des desaströsen Privatisierungsprozesses in den 1990er Jahren mit seinen für die Mehrheit der Bevölkerung fatalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen.

Krunoslav Stojaković leitet die Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Belgrad (Serbien) und Tuzla (Bosnien Herzegowina).

Die unter dem Dach von «Možemo!» vereinte kroatische Linke hat in den zurückliegenden sozialen und ökologischen Kämpfen bewiesen, dass sie ausdauernd ist. Und sie hat nun gezeigt, dass sie das Potenzial einer ernsthaften politischen Kraft besitzt. Voraussetzung dafür war die Erkenntnis, dass ungeachtet der zweifellos bestehenden Heterogenität in bestimmten politischen Fragen ein Zusammengehen alternativlos für die Linke ist. Während die «Radnička fronta» (Arbeiterfront) explizit antikapitalistisch ist und sich vor allem in sozialen Kämpfen an der Seite von Lohnabhängigen profiliert hat, liegt der Fokus von «Zagreb je naš» (Zagreb gehört uns) auf der Problematisierung der Zagreber Stadtpolitik um den hochumstrittenen Bürgermeister Bandić. Der Antikapitalismus ist dabei kein bestimmendes ideologisches Merkmal, auch nicht der Bezug auf die Arbeiterklasse.

Dass aus diesen Unterschieden aber politische Synergien erzielt werden können, haben schon die Kommunalwahlen 2017 gezeigt, als unter dem gemeinsamen Dach von «Zagreb je naš» der Einzug in das Zagreber Stadtparlament gelang. Die dortige, auch bei einer breiten Öffentlichkeit als erfolgreich wahrgenommene Oppositionsarbeit des linken Blocks ist einer der wesentlichen Gründe für den landesweiten Wahlerfolg bei den jüngsten Parlamentswahlen.

Global denken, regional verbinden, lokal handeln

Auch wenn die Koalition um «Možemo!» den Schritt in die politische Öffentlichkeit vor allem über ihr lokalpolitisches Engagement in Zagreb und ihre dortigen Organisierungserfolge geschafft hat, reichen doch sowohl ihr politischer Horizont als auch die parteipolitischen Verbindungen weit über den lokalen Kontext hinaus. Die Linke in Kroatien, in all ihren Schattierungen, unterhält enge und langanhaltende Kontakte zu ihr nahestehenden Organisationen in nahezu allen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken.

Und auch gemeinsame politische Aktionen sind keine Seltenheit. Während des Wahlkampfes hat die slowenische Linkspartei «Levica» aktiv den Wahlkampf von «Možemo!» und insbesondere die Kandidatin der «Radnička fronta», Katarina Peović, unterstützt. Aktivistinnen und Aktivisten aus der «Recht auf Stadt»-Bewegung in Kroatien unterhalten beispielsweise sehr enge Kontakte zu ihren Schwesterorganisationen in Serbien. Zahlreiche linke Nichtregierungsorganisationen aus Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien kooperieren seit Jahren, tauschen sich politisch aus und unterstützen einander.

Die Linke im ehemaligen Jugoslawien ist dabei, eine neue Dynamik zu entwickeln. Zwar auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen, was den Organisationsgrad und die politische Durchschlagskraft betrifft, doch in der Tendenz scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass nur ein Prozess innerlinker Vereinigung politische Erfolgsaussichten bietet.

Chancen und Herausforderungen

Über den Erfolg oder Misserfolg solcher Bündnisse entscheidet im hohen Maße die interne politische Kommunikation. Die involvierten linken und grünen Akteure müssen jeweils transparent und offen kommunizieren, wo ihre roten und grünen Haltelinien sind. Denn im gegenteiligen Fall laufen alle Beteiligten Gefahr, ihre eigene politische Perspektive aus den Augen zu verlieren, was unweigerlich zu neuen Abspaltungstendenzen führen würde. Gemeinsam können sie jedoch die Trasse eines sozialistischen und ökologischen Gesellschaftsprojektes zeichnen.

Dass eine linksökologische politische Perspektive nicht nur Sache einer alternativen, urbanen Hauptstadtelite ist, auch davon zeugt das Wahlergebnis von «Možemo!». Während die Mitglieder in der Öffentlichkeit häufig als nur in Zagreb sozialisierte und lediglich auf Zagreb ausgerichtete Langzeitstudenten abgestempelt wurden, hat das Bündnis fast 50 Prozent seiner Stimmen außerhalb der Hauptstadt erringen können.

Und dennoch: Neben der organisationspolitischen Einheit der Linken ist ihr Gang in die semiurbanen, ökonomisch und kulturell abgehängten Landesteile Kroatiens die nächste große Herausforderung. Denn gerade dort leben jene Menschen, die zu den großen Verlierern des Privatisierungsprozesses gehören, denen fast jedwede Lebensgrundlage genommen wurde und die fast alternativlos dem Einfluss der katholischen Kirche ausgesetzt sind. Dort liegt potenziell die soziale Basis vor allem der sozialistischen Linken, und eben dort muss das Projekt eines ökologischen Sozialismus popularisiert werden. Dass dies kein einfaches Unterfangen für einen Akteur wie »Možemo!« werden dürfte, liegt dabei weniger am bisherigen Versagen als an der politischen Hypothek, die durch den Zusammenbruch des Sozialismus in Jugoslawien wie ein Hinkelstein auf den Schultern der postjugoslawischen Linken lastet.

Das schwierige Erbe der postjugoslawischen Linken

In der Niederlagengalerie der internationalen Linken seit dem Ende der 1980er Jahre nimmt das Debakel des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens einen Logenplatz ein. Die Blutspur der 1991 begonnenen Zerstörung des jugoslawischen Gesamtstaats zog sich von Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina bis nach Nord-Mazedonien und Kosovo.

Der Bund der Kommunisten zerfiel vollständig in seine regionalen Einzelteile, seine Nachfolgeorganisationen mutierten entweder zu direkten Kriegsparteien wie im Falle der Sozialistischen Partei Serbiens unter Slobodan Milošević, oder aber sie hielten wie im kroatischen Fall die Füße still, transformierten sich sozialdemokratisch und fanden ihr Arrangement mit dem neuen, nationalen Narrativ. Auf der Strecke blieben dabei all jene ideologischen Prinzipien, die den Bund der Kommunisten nicht nur im Innern lange Zeit zu einem emanzipatorischen Versprechen hatten werden lassen, sondern auch international für Anerkennung und Sympathien sorgten. Antifaschismus, Arbeiterselbstverwaltung und Blockfreiheit waren sozusagen jugoslawische Markenzeichen, mit denen sich sowohl das deutsche IG-Metall-Mitglied als auch marxistische Studentinnen und Studenten identifizieren konnten.

Der antifaschistische Widerstandskampf der jugoslawischen Völker wird seitdem als totalitäres Ammenmärchen verächtlich gemacht. Das ehemalige gesellschaftliche Eigentum der Selbstverwalter wurde im Zuge der vor 30 Jahren begonnenen Privatisierung nahezu vollständig veräußert, und der Nato-Beitritt stellt für die meisten Nachfolgestaaten eine Art Bestätigung demokratischer Reife dar.

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die postjugoslawische Linke einen harten Weg gehen musste und weiterhin gehen muss, um dieses Erbe zu verarbeiten. «Možemo!» hat aber mit seinem Wahlerfolg, noch mehr jedoch mit seiner reifen Organisationspolitik gezeigt, dass es einen Ausweg aus der Einbahnstraße ökonomischer Ausbeutung und ökologischer Zerstörung geben kann.

Auch in Serbien gibt es gegenwärtig ernsthafte Bemühungen, zumindest einen Großteil der bisher zerstrittenen Linken organisatorisch zu vereinen. Der Erfolg dieser Bemühungen hängt davon ab, ob alle involvierten Akteure bereit sind, die politischen Prägungen des jeweils anderen anzuerkennen und als politisch gewinnbringend zu betrachten. Die Beispiele Sloweniens und Kroatiens haben gezeigt, dass dies ein vielversprechender Weg organisatorischer Neuausrichtung sein kann.