Katharina Jacob wurde 1907 im Kölner Arbeiter:innenmilieu geboren, war im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv, überlebte das Frauen-KZ Ravensbrück und starb 1989 in Hamburg. Nun liegt ein Buch vor, das sie in den Jahren vor ihrem Tod selbst verfasste. Der Erinnerungsbericht über ihr Leben bis zur Befreiung während des Todesmarsches Ende April 1945 wurde von ihrer Tochter Ilse Jacob herausgegeben und kommentiert. Damit ist eine historisch wertvolle und politisch inspirierende Veröffentlichung entstanden, die viel mehr erzählt als ‚nur‘ die Geschichte einer Frau im antifaschistischen Widerstand.
Henning Fischer ist Historiker und promovierte zur Lagergemeinschaft Ravensbrück (Publikation). Die von ihm erstellte Ausstellung Frauen im Widerstand. Deutsche politische Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück: Geschichte und Nachgeschichte ist noch bis 30.9. 2020 zu sehen.
In klaren Worten und mit sehr genauem Blick erinnert sich Katharina Jacob zunächst daran, wie sie in proletarischen Vierteln von Köln aufwuchs, sich politisierte und schließlich mit der kommunistischen Bewegung in Kontakt kam. Dieser Teil des Buchs begeistert nicht nur, weil Jacob mit vielen Details die sozialen Bedingungen, die Kultur und die Politik einer Arbeiter:innenjugend in den 1910er und 1920er Jahren im Rheinland plastisch beschreibt. Er fesselt auch, weil Jacob immer wieder sehr persönlich von ihrer schrittweisen Befreiung aus der systematischen Abwertung und Benachteiligung als Frau berichtet. Dazu gehörte auch, die angelernte weibliche Selbstabwertung und Schamgefühle als Proletarierin abzustreifen. Wie zum Beweis ihres Erfolgs in dieser Sache finden sich im Buch verteilt immer wieder zum Nachdenken anregende Einschübe, etwa zur Aneignung bürgerlicher Kultur oder zum Eigensinn proletarischer Lebensweisen.
Jacob, die 1926 dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) und kurz darauf der KPD beitrat und 1927 nach Hamburg zog, beschreibt auch die Jahre bis 1933 mit nüchternen Schilderungen, in denen stets Witz, Güte, Mut und Überzeugung lauern und die mit ausdrucksstarken Fotografien bebildert sind. Sie zeichnet mit großer Genauigkeit nach, wie sie, nachdem 1931 ihre erste Tochter zur Welt gekommen war, im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv war, Flugblätter erstellte und mit großem Risiko persönlich verteilte, Geld und Unterschlupf organisierte. Ab dem Juli 1933 mehrfach verhaftet, schildert sie die Gefahren der Denunziation in ‚Freiheit‘ ebenso wie die Solidarität in Haft. Ab 1941 war sie aktives Mitglied der Jacob-Bästlein-Abshagen-Widerstandsgruppe in Hamburg – ab dem November 1942 dann auch als Mutter der zweiten Tochter Ilse.
Der letzte Abschnitt des Buchs stellt ebenso intensiv und detailreich die Erlebnisse Jacobs im Frauen-KZ Ravensbrück dar, in das sie nach ihrer Verhaftung im Juli 1944 im November des Jahres überführt wurde. Dort wurde sie von kommunistischen Häftlingen wie Erika Buchmann, der späteren Chronistin des Lagers, unterstützt. Sie überlebte schließlich den Todesmarsch, den sie Ende April 1945 in Ravensbrück antreten musste.
Das Buch endet, und das ist wichtig, mit einem Nachwort, in dem Ilse Jacob auch von der ‚zweiten Hälfte‘ des politischen Lebens ihrer Mutter ab 1945 berichtet: ihr Wirken als Lehrerin, ihre Aktivitäten in KPD und DKP und als antifaschistische Zeitzeugin. «Es gibt», beschied Katharina Jacob 1989 einem Buchprojekt, das ihren Lebensbericht neben den von Wehrmachtssoldaten stellen wollte, «unversöhnliche Erinnerungen». Höchst erfreulich, dass diese nun als eigenständiges Buch vorliegen.
Kinder des Widerstands (Hrsg.): Katharina Jacob: «Widerstand war mir nicht in die Wiege gelegt», Verlag Galerie der abseitigen Künste, Hamburg 2020, 248 Seiten, 21,90 EUR