Im Rahmen des Seminars “Zehn Jahre danach – Herausforderungen und Alternativen für eine andere Welt“ wird über die Entwicklung des Forums-Prozesses diskutiert.
Dabei stehen sowohl die Ursachenanalyse der Krise des kapitalistischen Systems als auch die drängendsten Menschheitsfragen auf der Tagesordnung. Die veränderte Lage in der Welt, die neuen Herausforderungen und das Auftreten neuer Akteure auf der politischen Szene erfordern neue Antworten und neue Konzepte. Wenn es zur Zeit des Entstehens des Weltsozialforums 2001 um den Kampf gegen den Neoliberalismus und die Mobilisierung gegen Krieg und Militarismus ging, so hat die Forumsbewegung gegenwärtig noch andere Herausforderungen zu bestehen. Der gescheiterte Klimagipfel in Kopenhagen hat demonstriert, welche Probleme vor den Bewegungen stehen: die Unfähigkeit der Regierenden, Lösungen für die drängenden Klimaprobleme zu vereinbaren. Eine breite Koalition sozialer Bewegungen und die „Bolivarische Allianz der Völker Lateinamerikas“ (ALBA) dagegen benannten sowohl Ursachen wie Auswege. Deutlich benannt wurde der Kapitalismus als Grund für Umweltzerstörung und Klimaerwärmung. Seit Kopenhagen wird daher die Forderung nach Klimagerechtigkeit ausdrücklich erhoben.
Das Seminar von Porto Alegre soll mit weiteren Veranstaltungen im Großraum der Stadt ein entscheidendes Jahr in der Mobilisierung der Forumsbewegung einleiten, die sich in besonderer Weise mit Fragen der Klimagerechtigkeit auseinandersetzen will. Verzichtet wird 2010 auf die Durchführung eines Massentreffens mit mehr als 100.000 Teilnehmern. Stattfinden werden aber ein Jugendcamp, ein Forum der solidarischen Wirtschaft und eine Reihe Veranstaltungen, die im Sinne der Selbstorganisation zu den verschiedensten Themen vorbereitet werden.
Im Verlaufe des Jahres 2010 werden mehr als 25 Veranstaltungen regionalen, nationalen und kontinentalen Charakters stattfinden, unter anderen auch das Europäische Sozialforum in Istanbul (1. bis 4. Juli 2910), die das kommende Weltsozialforum 2011 in Dakar (Senegal) vorbereiten.
Ungeachtet der Konsolidierung und bedeutender Erfolge, die die Bewegung in den vergangenen zehn Jahren errungen hat, steht die Frage, wie noch mehr Akteure und Bewegungen in gemeinsame weltweite Aktionen einbezogen und grundsätzliche Veränderungen in der Welt herbeigeführt werden können. In der Forumsbewegung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bisher isoliert realisierte Aktivitäten auf regionaler und lokaler Basis einbezogen, bekannt gemacht und verknüpft werden müssen mit weltweit durchgeführten Aktionen. Das Forum soll mehr noch als bisher zu ihrer Verallgemeinerung und Popularisierung beitragen.
Das Treffen in Porto Alegre wird ergänzt und komplettiert durch Veranstaltungen in Salvador de Bahia (Brasilien).
Das brasilianische Vorbereitungskomitee legte vor allem Wert auf die Teilnahme bisheriger und vor allem auch neuer Akteure. So werden an den Treffen vor allem Jugendliche erscheinen, die sich selbst organisieren und bisher wenig Verbindung zu poltischen Themen hatten (v.a. Jugendliche aus Favelas und Armutsgebieten). Wer und was kann mit diesem einzigartigen Raum der Sozialforen erreicht werden, dessen Bedeutung für soziale Bewegungen weltweit nach anfänglicher Euphorie viel zu schnell wieder kleingeredet wird.
Wichtig sind bei diesem Seminar deshalb die Bilanzierung bisheriger Foren und die Suche nach Wegen, sich auf neue Herausforderungen einzustellen. War die Forumsbewegung in gewisser Weise ein Bruch mit den Volksbewegungen des XX. Jahrhunderts, so steht die Aufgabe, die neu in Erscheinung getretenen Akteure Bauern, Arbeitslose, indigene Völker, ethnische Gruppen, Frauen, in Armut lebender Schichten, Aktivisten der Menschenrechtsbewegung, Umweltorganisationen u. a. in die kommenden Auseinandersetzungen stärker einzubeziehen und gemeinsame Aktivitäten weltweit anzustreben.
Porto Alegre war das Symbol einer Welt in Veränderung. In Lateinamerika trugen die sozialen Bewegungen wesentlich zum Wahlsieg progressiver Präsidenten bei. Die Bewegung gegen die ALCA wurde eine Erfolgsgeschichte, denn die USA wurden gezwungen, auf dieses neoliberale Modell zu verzichten. Erweitert wurden die Möglichkeiten der Teilnahme breiterer Bevölkerungsschichten im Sinne demokratischer Partizipation. Das Weltsozialforum trug wesentlich zur Aufdeckung der Hintergründe und Folgen neoliberaler Politik bei und war für einen Moment eine globale Universität linker Diskurse und Erfahrungen.
Anknüpfend an diese Entwicklung muss es darum gehen, zu einer umfassenden Verbreitung der Forumsbewegung beizutragen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Entwicklung des Kapitalismus, seiner Krisenhaftigkeit und zerstörerischen Kraft kann es jetzt nur darum gehen, die imperiale Vorherrschaft durch weltweite Aktionen in Frage zu stellen. Möglichkeiten hierzu sind in Ansätzen vorhanden: Weltweit agierende Netzwerke und Zusammenschlüsse wie der Widerstand gegen die Privatisierung des Wassers, der Vorschlag des Präsidenten Evo Morales zu einer alternativen, internationalen Klimakonferenz einzuladen. Neue Ideen der Zusammenarbeit zwischen Akteuren unterschiedlichsten Charakters sind gefragt, Protest und ziviler Widerstand. Hierfür muss es verschiedene Räume und Prozesse geben. Einer, der die Fähigkeit hat, vieles zusammenzubringen, war und ist das Sozialforum. Wie es diesem Anspruch auch langfristig gerecht wird, muss diskutiert werden.
Das Treffen in Porto Alegre kann dazu neue Anstöße geben und Wege zu neuen Allianzen der unterschiedlichsten politischen Kräfte und Akteure anbahnen. Die Linke in Deutschland ist aufgerufen, den Anschluss an diese Entwicklung nicht zu verlieren.