Bericht | Deutsche / Europäische Geschichte - Arbeit / Gewerkschaften - Kunst / Performance - Osteuropa - Südosteuropa Ein Zeugnis der Vergangenheit

Jeden Morgen traten 10.000 Arbeiter_innen durch das Tor der Fabrik Rudi Čajavec!

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Slobodan Rašićs Ausstellung «70 Jahre Rudi Čajavec» wurde am 14. Dezember im Haus der Jugend in Banja Luka, Bosnien und Herzegowina eröffnet. Die Ausstellung der Organisation Radnička solidarnost erinnert an die Gründung und Entwicklung eines der größten Industriekomplexe der Region um Banja Luka.

In der Fabrik, die nach dem berühmten Partisanenflieger und Nationalhelden Rudolf Rudi Čajavec benannt ist, wurden zu jugoslawischen Zeiten Maschinen und Bauteile der Elektroindustrie, u.a. Fernseher, Transistoren und Autoteile produziert.

«Die Ausstellung ist allen Arbeiter_innen gewidmet, die ihr Wissen und ihre Energie in den Aufbau und die Entwicklung der Fabrik gesteckt haben. Sie ist ein Zeugnis davon, dass die Welt nicht nur nach demokratischen Umbrüchen gestaltet wurde, und dass es in einer kleinen Stadt wie Banja Luka Wissen und Kompetenzen gab, die mit anderen Großkonzernen der Welt mithalten konnte», so die Journalistin und Organisatorin der Ausstellung, Gordana Katana der Organisation Radnička solidarnost.

Sie fügt hinzu, dass die Tatsache, dass jeden Morgen 10.000 Arbeiter das Tor der Fabrik betraten, der beste Beweis für seine Bedeutung ist.

«Čajavec bot nicht nur Einkommenssicherheit für die Arbeiter_innen, sondern trug auch aktiv zur wirtschaftlichen und urbanen Entwicklung Banja Lukas bei und trug maßgeblich zur Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitskräfte bei.» Katana ergänzt, dass die Erinnerung an ein fortschrittliches Banja Luka in diesen Zeiten von großer Bedeutung ist.

„Wir sind es jenen schuldig, die ihren Fleiß und ihre Anstrengungen in die Fabrik gesteckt haben, an sie zu erinnern.  Der Ausverkauf der Firma „Rudi Čajavec“ dient als wichtige und stetige Warnung, dass der Raubtierkapitalismus während der Transition die Fabrik kaputtgemacht und deren Arbeiter_innen in die Arbeitslosigkeit und damit an den Rand der Gesellschaft getrieben hat“, erklärte sie.

Die Rolle der Gewerkschaften, so Katana, sei in der Republik Jugoslawien nicht mit heute zu vergleichen, da die Eigentumsverhältnisse sich geändert haben:

„Arbeit war das titelgebende soziale Eigentum, und die Gewerkschaften kümmerten sich in erster Linie um ihren sogenannten sozialen Standard, da es starke gesetzliche Mechanismen gab, die die Achtung der Arbeitsrechte garantierten. Heute, 25 Jahre nach dem Ende des Krieges, sind [Gewerkschaften] keine richtigen sozialen Partner. Sie sind gespalten und können im Spannungsfeld zwischen Arbeitgebern und Regierung nicht ausreichend für die Arbeiter_innen kämpfen. Dachgewerkschaften kümmern sich fast ausschließlich um die Positionen der Beschäftigten des öffentlichen Sektors und agieren häufig als erweiterter Regierungsarm und nicht als Beschützer der Arbeiter_innen. Unabhängige Gewerkschaften werden sowohl von Arbeitgebern als auch von den Behörden ignoriert, und die bevorstehenden Kämpfe werden langwierig und schmerzhaft sein", erklärt die Journalistin.

Die Organisation Radnička solidarnost plane ein weiteres Projekt über die Privatisierung der ebenfalls in Banja Luka ansässigen Firma INCEL und deren Konsequenzen. Zudem werde die Arbeit am Projekt „Arbeit und Pandemie“ fortgesetzt. Dort werde die Lage der Arbeiter_innen insbesondere im Privatsektor auch in der Post-Pandemie-Zeit weiter nachverfolgt. 

„Wir planen ebenfalls ein Multimedia-Archiv von gescheiterten Industriezonen in Banja Luka und möchten weiterhin aktiv mit Gewerkschaften zusammenarbeiten.“ so Katana.

Die Ausstellung wurde durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert und war im Haus der Jugend bis zum 28. Dezember zu sehen.

Sobald es die epidemiologische Lage wieder zulässt, wir die Ausstellung erweitert um 50 Fotos und zahlreiche Artefakte im Saal des Banski Dvor gezeigt.