Nachricht | Sozialökologischer Umbau - COP26 - Green New Deal - Klimagerechtigkeit «Die enorme Ungleichheit muss zum Thema werden»

Ein Gespräch über die Ergebnisse des Vorbereitungstreffens zur UN-Klimakonferenz COP26 im Juni 2021

Zu den diesjährigen UN-Klimaverhandlungen im Mai/Juni trafen sich die Delegierten rein virtuell. Das war mit zahlreichen Schwierigkeiten und Hindernissen verbunden. Das Bild zeigt die Abschlusseinstellung der digitalen Sitzungen. Foto: UNFCCC

Die große UN-Klimakonferenz findet für gewöhnlich am Jahresende statt. Zusätzlich treffen sich Klimadiplomat*innen üblicherweise im Mai oder Juni, um die sogenannten COPs vorzubereiten. Im vergangenen Jahr fanden beide Veranstaltungen aufgrund der Pandemie nicht im üblichen Format statt. Nun trafen sich die Klimadiplomat*innen im Juni endlich wieder zu einem Arbeitstreffen, allerdings nur virtuell, was etliche Schwierigkeiten mit sich brachte. Was kam bei den Verhandlungen heraus und wie steht es um die Klimaverhandlungen wenige Monate vor der COP26 in Glasgow?

In diesem Jahr sind die Klimadiplomat*innen aus aller Welt rein virtuell zusammenkommen. Wie genau lief das ab, wie müssen wir uns dieses Treffen vorstellen?

Pat: Das Besondere an der diesjährigen Zwischenkonferenz war, dass das UN-Klimasekretariat beschlossen hat, dass die Verhandlungen nur inoffiziellen Charakter haben. Im Vorfeld hat man uns gesagt, dass alles, was wir diskutieren, nicht formell, sondern eben nur informell in die COP-Verhandlungen am Jahresende aufgenommen würde.

Tetet: Zum ersten Mal seit 18 Monaten wurde überhaupt zum Regelwerk des Pariser Abkommens verhandelt. Die Ergebnisse haben keinen rechtlichen Status. Es wurde beschlossen, dass erst bei einem persönlichen Treffen der Klimadiplomat*innen formelle Beschlüsse gefasst werden können …

Vice: … was bedeutet, dass das Treffen zwar offizieller Natur war, die Modalitäten aber informell. Diejenigen, die den Verhandlungsvorsitz inne hatten, konnten lediglich mögliche Kompromisse zwischen den Parteien ausloten, die dann in «informellen Noten» vermerkt wurden. Der Grund dafür, dass es wenigstens diese virtuellen Gespräche gab, liegt wohl darin, dass die britische COP26-Präsidentschaft, der UN-Generalsekretär und einige Länder überzeugt waren, dass es wichtig sei zu zeigen, dass sich in den Klimaverhandlungen trotz Pandemie etwas bewegt.

Was wurde während der UN-Klimakonferenz diskutiert und was bedeutet das für die internationalen Klimaverhandlungen wenige Monate vor der Klimakonferenz in Glasgow? 

Wir diskutierten mit 

Patricia Bohland ...arbeitet für den Verein LIFE - Bildung, Umwelt, Chancengleich, Gleichstellung mit Sitz in Berlin. Während der UN-Klimakonferenzen ist sie Teil der Women and Gender Constituency, einer von neun Beobachter*innengruppen in den Verhandlungen. Pat unterstützt hier bei Koordinierungs- und Logistikfragen sowie beim Capacity Building und verfolgt die Diskussionen. Bei den Verhandlungen liegt ihr Hauptaugenmerk auf den Marktmechanismen (diskutiert unter Artikel 6 des Pariser Abkommens). 

Tetet Lauron … lebt auf den Philippinen und arbeitet als Beraterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie verfolgt die UN-Klimakonferenzen seit 2009, versucht zu verstehen, worum es bei den Verhandlungen genau geht, erklärt deren Ergebnisse und politischen Implikationen denen, die keinen Zugang zu diesen Räumen haben. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, stärkere soziale Bewegungen aufzubauen, die Verantwortlichkeit und Klimagerechtigkeit fordern. 

Vincente Paolo Yu … ist Visiting Fellow des United Nations Research Institute for Social Development (UNRISD) und leitender Rechtsberater des Third World Network, einer internationalen NGO mit Sitz in Malaysia. Vine verfolgt die Klimaverhandlungen seit 2007, meist als Verhandlungsführer für sein Land, die Philippinen, aber auch für andere Entwicklungsländer, die Unterstützung benötigen.

Übersetzung von André Hansen für Gegensatz Translation Collective.

Und das war alles andere als einfach. Welche Probleme brachte das virtuelle Format mit sich?

Tetet: Schon im Vorfeld äußerten viele Entwicklungsländer und NGOs ernsthafte Vorbehalte gegenüber  Onlinesitzungen. Sie verwiesen auf das Problem wackliger Internetverbindungen, die Kluft zwischen Globalem Norden und Süden bei der Qualität der digitalen Infrastruktur und auf die unterschiedlichen Zeitzonen. Ihr schwerwiegendster Einwand bezog sich aber auf die Wichtigkeit dieser Verhandlungen selbst: Man könne sie nicht einfach auf das gerade so technisch Machbare beschränken. Der Hintergrund ist: Normalerweise gibt es bei Verhandlungen viele informelle und lockere Gespräche, beim Kaffee, auf den Gängen oder anderswo. Das sind enorm wichtige Austauschräume, in denen die Länder ihre Ansichten und Vorbehalte zu den debattierten Punkten auch wirklich besprechen können.

Pat: Ich stimme Tetet zu, dass das virtuelle Format auch für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft eine große Herausforderung war. Normalerweise gehen wir zu einer Sitzung und wissen, wie es läuft, d.h. wir wissen, wo wir unsere morgendlichen Treffen haben, wo wir selbst Redebeiträge, die sogenannten «Interventions» einbringen können. Es war nicht klar, wie all das im virtuellen Raum aussehen sollte. Das machte es für uns Beobachter*innen viel schwieriger, den Verhandlungen zu folgen, und wir konnten uns auch untereinander als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft viel schwerer verständigen und abstimmen. Alles brauchte viel mehr Planung, wobei diese Planung aber wesentlich komplizierter war aufgrund der verschiedenen Zeitzonen, schwierigen Internetverbindungen und so weiter.

Vice: Für uns Delegierte war diese Zwischensitzung ganz anders als sonst. Viele Gründe dafür haben Tetet und Pat schon genannt. Vor allem Entwicklungsländer hatten große Schwierigkeiten, überhaupt zu verhandeln. Wegen der Zeitzonen mussten einige um 2 Uhr morgens aufstehen oder bis 3 Uhr nachts wachbleiben und dabei dennoch versuchen, aufmerksam und wach den sehr spezialisierten und technischen Diskussionen zu folgen und ihre Positionen zu vertreten.

Tetet: Für uns als Zivilgesellschaft war der virtuelle Modus auch in anderer Hinsicht eine Herausforderung. Man musste sich vorher registrieren, aber auch wenn man registriert war, konnte man nicht an allen Diskussionen teilnehmen. Für manche Räume hatten wir nur «Watch»-Buttons, das heißt, wir konnten nur zuhören. Für andere Räume hatten wir «Join»-Buttons, und dort konnten wir tatsächlich teilnehmen und uns auch einbringen.

Vice: Man kann es so auf den Punkt bringen: Zahlenmäßig waren viel mehr Teilnehmer*innen vertreten als bei den regulären Sitzungen im Mai oder Juni in Bonn, laut UN-Klimasekretariat fast 60 Prozent mehr als sonst. Aber die Qualität der Beteiligung hat sehr gelitten.

Gab es denn trotz all dieser Schwierigkeiten irgendwelche Fortschritte in den Verhandlungen? Hat es geholfen, dass sich die Welt ein paar Monate vor der COP26  – wenigstens virtuell – getroffen hat?

Tetet: Es ging sehr langsam voran. Das liegt aber nicht hauptsächlich am virtuellen Format. Es ging langsam voran, weil die grundlegenden Probleme und Differenzen natürlich nach wie vor bestehen. Nehmen wir nur einmal das Beispiel Klimafinanzierung. Die Entwicklungsländer haben wie auch in den vergangenen Jahren immer wieder betont, wie unheimlich wichtig das Thema Klimafinanzierung ist, um den Globalen Süden für Klimaschutzmaßnahmen, Klimaanpassung und für die massiven klimabedingten Schäden und Verluste bezahlen zu können. Leider stand die Klimafinanzierung bei diesen Verhandlungen überall irgendwie, aber nirgends ganz explizit auf der Agenda. Das ist fatal. Denn das Versprechen, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländer ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zahlen, ein Ziel, das erstmals 2009 in Kopenhagen vorgebracht und später im Pariser Abkommen bekräftigt wurde, wurde noch immer nicht erfüllt!

… deshalb ist die Finanzierung jetzt zu einer zentralen Frage des Vertrauens geworden …

Tetet: Ja, genau! Wenn man so lange etwas verspricht und es dann aber nicht erfüllt, entsteht ein riesiger Vertrauensverlust. Deshalb haben die Entwicklungsländer bei diesen Verhandlungen wieder und wieder die mangelnde Klimafinanzierung und die kreative Buchführung der Industriestaaten in diesem Bereich angeprangert, die ja so tun, als hätten sie ihr Versprechen nahezu oder sogar vollständig eingelöst.

Parallel zu den UN-Zwischenverhandlungen fand der G7-Gipfel statt. Von den reichen Staaten wurde erwartet, dass diese von dort ein starkes Signal setzen würden zur Erreichung des 100-Milliarden-Dollar-Ziels …

Tetet: Ja, und wieder ist nichts passiert! Deutschland, Japan und Kanada haben zwar zusammen etwa drei Milliarden Dollar für den Topf Klimafinanzierung versprochen, aber auch dann fehlen noch etwa 17 Milliarden bis zu den 100 Milliarden Dollar. Man fragt sich also: Wem macht ihr was vor? Und wir müssen uns vor Augen halten, dass es sich um jährliche Zahlungen handelt! Die 100 Milliarden für 2020 sind erst der Anfang.

Vice: Ich denke, Tetet spricht etwas sehr Wichtiges an. Entscheidend ist das Narrativ, das hier konstruiert  wird. Das geht ungefähr folgendermaßen, erstens: Die Klimakrise ist jetzt auch in der Pandemie so wichtig wie zuvor. Zweitens: Wir alle müssen so viel tun, wie wir können. Drittens: Hierbei stehen die Industrieländer an der Spitze, weil Biden da ist, weil die EU ihren Green Deal hat und der Westen eine Führungsrolle einnimmt. Schaut man sich aber genauer an, was hinter diesen Verlautbarungen steht, zeigt sich, wie viel Beschönigung im Spiel ist, wie sich ja ganz deutlich an der 100 Milliarden Dollar-Frage zeigt.

Tetet: Und die Frage der Klimafinanzierung wird ja perspektivisch noch viel größer! Bereits jetzt wurde bei den Zwischenverhandlungen über ein neues gemeinsames Finanzierungsziel für 2025 diskutiert, weil wir schon wissen, dass 100 Milliarden Dollar nicht ausreichen werden, um die Kosten für Klimaschutz, Anpassung und klimabedingte Schäden und Verluste zu decken. Das Ziel für 2025 wurde zwar nur informell diskutiert, soll aber auf der COP26 formell besprochen und bis 2024 beschlossen werden. Klimafinanzierung bleibt ein heikles Thema!

Pat: Ich stimme zu, sehe aber zumindest etwas Fortschritt beim virtuellen Treffen. Wenigstens sind die Vertragsparteien und Beobachter*innen wieder offiziell ins Gespräch gekommen. Ich sehe auch Fortschritte im Vergleich zur letzten UN-Klimakonferenz in Madrid: Die Menschenrechte, die ja Teil der Präambel des Pariser Abkommens sind, wurden diesmal in den Gesprächen deutlich stärker betont. In Madrid waren die Gespräche noch durchweg sehr technisch und es gab nur wenige Bezüge zu Menschenrechten, Rechten von indigenen Bevölkerungsgruppen und Geschlechtergerechtigkeit. Das war dieses Mal anders, vielleicht aber auch wegen der sehr informellen Natur der Gespräche…

Vice: Aus meiner Sicht wurden die Gespräche, die wir seit den UN-Klimakonferenzen in Madrid, Katowice, Bonn und Paris geführt haben, fortgesetzt. Die zentralen Fragen bestehen weiterhin und müssen entschieden werden, etwa zu Artikel 6 zu den Marktmechnismen, zur Transparenz, zur Klimafinanzierung oder zu den klimabedingten Schäden und Verlusten. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die Industriestaaten wirklich Verständnis dafür aufbringen wollten, was die Entwicklungsländer vorgetragen haben. Und das führt uns wieder zu dem Vertrauensdefizit, über das wir vorhin gesprochen haben. Ja, die Zwischensitzung im Juni war insofern sinnvoll, als dass die Gespräche voranschreiten konnten. Aber ob wir wirklich zu einer Annäherung kommen, wird sich erst in Glasgow zeigen.

Fakten zu den UN-Zwischenverhandlungen

Offizieller Titel: UN Climate Change Conference – Session of the subsidiary bodies

Zeitraum: 31. Mai bis 17. Juni 2021

Zeitzonen: Die Sitzungen wurden so organisiert, dass jede Zeitzone für eine Woche akzeptable Verhandlungszeiten hatte – was z.B. für Verhandlungsführer*inne und Beobachter*innen in der mitteleuropäischen Zeitzone (MEZ) bedeutete:

  • 1. Woche Verhandlungen ab 15:00 Uhr MEZ
  • 2. Woche Verhandlungen ab 23:00 Uhr MEZ
  • 3. Woche Verhandlungen ab 05:00 Uhr MEZ

5191 registrierte Teilnehmer
177 Länder

Mehr Informationen zur UN-Zwischenkonferenz insgesamt hier.
Die Aufzeichnungen zu den einzelnen Sitzungen findet man hier.

Was waren aus eurer Sicht die kritischsten Fragen, die diskutiert wurden?

Vice: Die entscheidendsten Themen waren Artikel 6 und Fragen zur Transparenz, und natürlich, wie Tetet bereits sagte, die Klimafinanzierung. Aber es gab viele andere Themen, zum Beispiel die Überprüfung des Anpassungsfonds. Die Kernfrage war hier: Können wir die finanzielle Ausstattung des Anpassungsfonds ändern? Darüber hinaus haben wir diskutiert, welchen gemeinsamen Zeitrahmen die nationalen Klimaziele, die NDCs, haben sollten. Und wieder: keine Einigung in dieser Frage.

Pat: Ich sehe es auch so, dass die Diskussionen zu Artikel 6 zu den wichtigsten Themen gehören. Zur Erklärung: Das Pariser Abkommen setzt selbst Ziele und einen Rahmen für deren Umsetzung, ist aber bei den genauen Bedingungen und Modalitäten oft nicht sehr konkret. Deshalb diskutieren die Staaten das Pariser Regelwerk jetzt schon seit so vielen Jahren.

Artikel 6 betrifft die marktbasierten und nicht marktbasierten Klimaschutzmechanismen. Bis heute wurde in diesem Punkt aus verschiedenen Gründen noch keine Entscheidung getroffen …

Pat: Ja, darüber wird weiter verhandelt, weil zentrale Fragen noch nicht geklärt sind: Was soll mit den alten Emissionshandelszertifikaten aus dem Kyoto-Protokoll geschehen? Können sie auf die Klimaziele eines Landes angerechnet werden oder nicht? Wie genau werden sie gegebenenfalls angerechnet? Hintergrund ist, dass uns der marktbasierte Ansatz nur dann weiterhilft, wenn er insgesamt die Emissionen in die Atmosphäre reduziert. Wir sehen aber, dass einige Länder schon bilateral Marktmechanismen einführen, weil die UNFCCC noch keinen Beschluss getroffen hat. Die Schweiz geht zum Beispiel voran und schließt bilaterale Verträge mit anderen Ländern. Aus Sicht der Zivilgesellschaft muss ein Emissionshandel insgesamt zu einem geringeren Ausstoß führen! Doch was bilateral zwischen Ländern vereinbart wird, könnte sogar noch schlechter sein als ein internationales Rahmenabkommen, das zumindest kontrollieren würde, was draußen auf dem Markt geschieht. Deshalb sagen wir immer, dass für jede Entscheidung Menschenrechte und Schutzmechanismen ausschlaggebend sein müssen. Es ist bislang nicht absehbar, welche Entscheidungen hierzu in Glasgow getroffen werden.

Vice: Eine andere Frage, der wir als Entwicklungsländer etwas Aufmerksamkeit verleihen konnten und die selbst die Vorsitzenden der jüngsten Verhandlungen erst nicht zulassen wollten, war das Thema der klimabedingten Schäden und Verluste. Es stand nur auf der Agenda, weil die Ländergruppe der Entwicklungsländer G77 darum gebeten hatte. Die britische COP-Präsidentschaft denkt wohl, das Thema Schäden und Verluste sei ein leicht zu lösendes Problem.

Tetet: In Madrid wurde ein Netzwerk gegründet, um sich mit Verlusten und Schäden zu befassen, das sogenannte Santiago-Netzwerk. Was ist dran an den Gerüchten, dass die Industriestaaten das Santiago-Netzwerk auf eine bloße Website beschränken wollen?

Vice: Ich denke, das stimmt. Das habe ich so gehört. Es sieht so aus, als glaubten einige Industrieländer, es reiche für die Frage von klimabedingten Schäden und Verlusten aus, eine Website zu pflegen, auf der Entwicklungsländer ein Formular ausfüllen und erklären, dass sie diese oder jene Fachleute brauchen. Dann würde die Website Suchresultate ausspucken und das jeweiligen Entwicklungsland müsste nur noch diese Fachleute kontaktieren, um Hilfe zu erhalten.

Aber um solche Ideen geht es Entwicklungsländern eigentlich nicht …

Vice: Nein, dieses rein technische Zuordnen reicht den Entwicklungsländern nicht. Sie erwarten vom Santiago-Netzwerk etwas anderes. Klimabedingte Verluste und Schäden sind ein äußerst sensibles Thema für Entwicklungsländer! Die meisten verlangen ein stärkeres Engagement der Industriestaaten.

Mit welchen Erwartungen blickt ihr nach den Verhandlungen der letzten drei Wochen auf die COP26?

Vice: Zum Zeitpunkt der COP26 wird es noch Reisebeschränkungen geben, was für viele meiner Kolleg*innen aus Entwicklungsländern ein ernsthaftes Problem darstellt. Es ist unklar, ob die Reise- und Abrechnungsregularien der einzelnen Entwicklungsländer die Freigabe von öffentlichen Mitteln für eine möglicherweise erforderliche zehntägige Quarantäne zulassen. Dadurch wird die Teilnahme derjenigen erschwert, die unbedingt vertreten sein sollten. Das könnte die Legitimität und Glaubwürdigkeit der COP26 beeinträchtigen.

Tetet: Viele Entwicklungsländer sprechen immer wieder das Thema Impfung an und sie fordern Unterstützung, um ihre COP26-Delegierten im Vorfeld zu impfen. Wie in der Klimakrise auch müssen hier zwingend die grundlegenden Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern thematisiert werden.

Vice: Ich bin skeptisch, ob die COP26 die Ergebnisse liefern wird, die wir brauchen, vor allem weil der Prozess so gestaltet ist, dass Entwicklungsländer zur Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen gedrängt werden. Aber wenn wir letztlich keine Mittel haben, um diese Maßnahmen umzusetzen, dann ist das alles Zeitverschwendung. Nehmen wir etwa die nationalen Klimaziele, die NDCs, die definitiv angehoben werden müssen. Wenn die Staaten 2024 ihre verschärften NDCs einreichen müssen, werden wir dasselbe Narrativ sehen: Die Industriestaaten werden sagen: «Dringend, dringend, dringend, aber es gibt hierfür kein Geld von uns.» Und die Entwicklungsländer werden sagen: «Dringend, dringend, dringend, unterstützt uns, damit wir etwas tun können.» Wenn die grundlegende Ungleichheit zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern nicht angegangen wird, werden die Ergebnisse der COP immer schlecht ausfallen.

Pat: Das war ein gutes Schlusswort, Vice. Deshalb kann ich nur kurz ergänzen: Auch meine Haltung zur COP26 ist sehr skeptisch. Ich verstehe zwar, dass es im Hinblick auf die Pandemie eine schwierige Dynamik gibt, aber wir können nur schwer nachvollziehen, warum die COP-Präsidentschaft zwar unbedingt eine Präsenzveranstaltung möchte und dann aber keine Informationen liefern kann, die eigentlich schon längst auf dem Tisch liegen müssten. Es mangelt wirklich sehr an Transparenz. Vertragsparteien und Beobachter*innen machen sich da ganz ähnliche Sorgen mit Blick auf die COP26.