Nachricht | Geschlechterverhältnisse - Commons / Soziale Infrastruktur Neue Webseite: Sorgende Städte

Wie sieht eine Stadt aus, in der die Bedürfnisse aller Bewohner*innen im Zentrum steht?

In einer Sorgenden Stadt stehen die Bedürfnisse aller ihrer Bewohner*innen im Zentrum.

Es gibt Gesundheitszentren, in denen alle gut versorgt werden und wo auch die psychische Situation, Arbeits- und Wohnbedingungen Berücksichtigung finden. In jedem Wohnviertel gibt es ein Nachbarschaftszentrum, in dem ohne bürokratische Hindernisläufe professionelle Hilfe bei Kinderbetreuung, Assistenz oder ambulante Pflege vermittelt wird. Dort gibt es aber auch Raum für geteilte Sorgearbeit in Eltern- und Unterstützungsgruppen oder Gemeinschaftsküchen. Es gibt einen kostenfreien Nahverkehr, der klimagerecht ist und auch in Randbezirken regelmäßig fährt. Die Straßen und Parks sind so gestaltet, dass Frauen und Queers im Dunkeln weniger Angst vor Gewalt haben müssen. In einer sorgenden Stadt finden alle bezahlbare Wohnungen. Auch Menschen mit Fluchtgeschichte und besonders vulnerable Gruppen haben unkomplizierten Zugang zu den sozialen Angeboten der Stadt. Und das wichtigste: Wir entscheiden über alle diese Fragen in demokratischen Gremien und Rätestrukturen.

Leider sieht die Realität heute noch ganz anders aus: Städtische und öffentliche Einrichtungen werden immer weiter abgebaut, der freie Markt ersetzt sie nur begrenzt und zu viel zu hohen Preisen. Immer mehr Aufgaben – insbesondere bei der Kinderbetreuung, Bildung, Pflege, Gesundheitsversorgung und Assistenz – müssen privat und in den eigenen vier Wänden übernommen werden, nach wie vor vorwiegend von Frauen. Und dieser Raum wird angesichts steigender Mieten außerdem immer unsicherer und enger. Damit können wir uns nicht abfinden.

Eine echte Lösung kann es nur geben, wenn Sorgearbeit vergesellschaftet und demokratisch organisiert wird. Erste Schritte in diese Richtung lassen sich am besten lokal erstreiten, dort wo Menschen sorgen und Sorge empfangen. Kein Wunder, dass es vielerorts bereits Suchbewegungen nach einer lokalen, bedürfnisorientierten und demokratischen Organisation von Sorgearbeit gibt.

Eine Sorgende Stadt ist noch eine Utopie. Aber sie kann in kleinen Schritten Wirklichkeit werden, indem wir Forderungen und Kämpfe um soziale Reproduktion bündeln. Sie kann als Kompass dienen für konkret machbare politische Veränderungen auf dem Weg in eine sozialistisch-feministische Zukunft.

Die gute Nachricht ist: Das Konzept ist keine neue Erfindung. Es gibt bereits Ansätze, von denen sich vieles lernen lässt und deren Erfahrungen für hiesige Projekte fruchtbar gemacht werden können.

Von Barbara Fried und Alex Wischnewski (Textauszug von der Webseite)

Auf der neuen Webseite https://sorgende-staedte.org gibt es diese Ansätze und Erfahrungen gebündelt zu entdecken – in englischer, spanischer und deutscher Sprache!


Barbara Fried ist leitende Redakteurin der Zeitschrift «Luxemburg» und stellvertretende Direktorin des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Alex Wischnewski ist Leiterin des Dialogprogramms Globaler Feminismus der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Buenos Aires.