Interview | Krieg / Frieden - Osteuropa Gigantische Umverteilung

Seit Beginn der 1990er Jahre ist durch Krieg nichts mehr gewonnen worden, sagt Lutz Brangsch

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Eine Frau steht in der Nähe ihres durch Granatenbeschuss beschädigten Hauses im Dorf Novoselivka, Oblast Tschernihiw, Ukraine. CC BY-NC 2.0, Foto: Oleksandr Ratushniak/UNDP Ukraine

Kriegsökonomien enthalten in dieser weltumspannenden Wirtschaftsweise Kapitalismus immer auch ein Prosperitätsversprechen. Der Krieg selbst und die Nachkriegszeiten generieren Nachfrage, ermöglichen geopolitische Neuordnung, bauen Überschusskapazitäten ab. Obwohl die Grauen eines jeden Krieges und das singuläre Elend zweier Weltkriege eine andere Sprache zu sprechen scheinen: Es ist wichtig, über den Zusammenhang von Kriegsökonomie und Wirtschaftswachstum zu reden. Denn wenn es nicht um die vollständige Vernichtung von allen und allem geht, bedeuten Kriege für bestimmte Interessengruppen immer auch Geldwerte und Machtvorteile.

Lutz Brangsch ist Referent für Staat und Demokratie im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 

Der Artikel erschien zuerst in maldekstra #16.

Die Tragik der Gegenwart, die nun schon lange andauert, besteht darin, dass der Eroberungskrieg seitens Russlands und der Unabhängigkeitskrieg seitens der Ukraine zugleich ein globalisierter Krieg sind, aus dem niemand desertieren kann und der zugleich einen anderen, globalen Krieg, den es zu beenden gälte, noch weiter in den Hintergrund rückt: den Krieg, den wir mit unserer Art, zu wirtschaften, die damit einhergehenden stetig wachsenden Ungleichheiten in Kauf nehmend, gegen die Lebensgrundlage aller Menschen führen, indem nach und nach alle planetaren Grenzen überschritten werden.

Wie fügt sich der gegenwärtige Krieg in einen größeren historischen Kontext des globalisierten Neoliberalismus und der wachsenden Ungleichheit ein? Wer profitiert und wer verliert am meisten? Kathrin Gerlof sprach mit Lutz Brangsch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung über diese und weitere Fragen.

Ich bin – in einem System, das abgeschlossene Vergangenheit ist – mit sehr einfachen Wahrheiten groß geworden. Eine lautete: Jedem Krieg liegen ökonomische Interessen zugrunde. Die galten als Ausgangspunkt für das, was der entfesselte Kapitalismus in wiederkehrenden Mustern zur Realisierung seiner Profitraten anrichtet. Dass es so einfach nicht ist, wissen wir längst. Aber interessant ist doch, dass viel über Ursachen und Gründe für diesen neuen Krieg, den Russland im Februar begann, geredet und geschrieben wird, jedoch vergleichsweise wenig darüber, welche ökomischen Interessen und Begehren es gibt.

Es geht um nichts Geringeres als den Charakter der zukünftigen Weltwirtschaftsordnung. Bisher stand vor allem die Auseinandersetzung mit China im Mittelpunkt. Das war aber nur die erste Etappe des Kampfes um Dominanz in der Weltwirtschaft. Der Krieg um die und in der Ukraine hat ihn auf völlig neue und so weitgehend unerwartete Weise eskaliert. Das große Versprechen gegenüber den Nachfolgestaaten der UdSSR, dass die perfekte Neoliberalisierung den Wohlstand bringen wird, erwies sich als uneinlösbar. Die Vorschläge der westlichen Ratgeber, des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation haben dazu geführt, dass die wirtschaftliche und soziale Basis einer nachhaltigen Entwicklung gar nicht gestaltet werden konnte. Die Art der Einordnung dieser Staaten in die internationale Arbeitsteilung hat die politischen und wirtschaftlichen Systeme völlig deformiert. Die Versuche Russlands, durch staatliche Programme Innovationen und volkswirtschaftliche Strukturveränderungen durchzusetzen, scheiterten an dem so gesetzten Rahmen. Freihandel und Freiheit des Kapitalverkehrs erwiesen sich als Grenzen. Hinsichtlich der Neugestaltung der Weltwirtschaftsordnung fallen daher die Interessen Russlands mit denen Chinas und anderer Länder durchaus zusammen. Da liegt der ökonomische Hintergrund dieses Krieges. Viele andere Gründe kommen natürlich dazu.

Ist es der Versuch, das zu verschleiern, oder mangelnde Erkenntnisfähigkeit, die man auch bei Linken verorten könnte?

Wir sind Teil des Problems. Auch in radikalster Opposition und erst recht als sozialdemokratische Linke leben wir global gesehen gut mit der Situation, wie sie ist. So ist eine Identifikation mit dem politischen System entstanden, die die Schattenseiten der westeuropäisch-atlantischen «Wertegemeinschaft» zum Teil wegdrückt. Nun zeigt sich, dass wir in unserer Kapitalismuskritik offensichtlich zu flach und selektiv geblieben sind. Die Erosion des jetzt oft beschworenen Wertehaushalts, wie sie etwa in dem jährlich erscheinenden Grundrechte-Report nachzuvollziehen ist, und die Kritik der Weltwirtschaftsordnung werden meist getrennt betrachtet. Die Konsequenzen der «Vielfalt der Kapitalismen» sind nicht erfasst. Wir sind solidarisch mit Argentinien, wenn dort die Staatsschuldenkrise eskaliert und die Angriffe der Neoliberalen kommen. Gegenüber Russland, genauer den Linken in Russland, ist solch eine Sicht kaum entwickelt. Russland und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion waren für die Linken in den letzten Jahren nicht sonderlich von Interesse. Die Solidarität mit den Gewerkschaften hält sich in Grenzen, bei aller Anerkennung der Bemühungen einzelner Organisationen. Dass sich bei den Dimensionen, die Russland in jeder Hinsicht darstellt, Probleme viel schärfer artikulieren und zuspitzen müssen, wird auch jetzt noch verdrängt. Dazu kommen sicher aus historischen Gründen noch latent vorhandene antisowjetische Einstellungen, die auf Russland übertragen werden – unberechtigt, denn Russland war nicht die Sowjetunion.

Wir sind in einer Haftungsgemeinschaft?

Aus der man nicht rauskommt. Die Vorstellung, dass «unser» System auf Russland, die Ukraine oder Kasachstan ohne Weiteres übertragen werden könnte, ist angesichts der völlig anderen politischen Konstellationen immer illusorisch gewesen, erst recht heute. Das dort entstandene Bürgertum hat einen völlig anderen Charakter, ist zum Beispiel viel skupelloser als das in Westeuropa oder den USA. Die Linken sind noch schwächer als hier, die Gewerkschaftsbewegung ist nicht stark genug, um die Neoliberalisierung zu bändigen. Diese Seite des westlichen Wirtschaftssystems stand ja auch nie auf der Tagesordnung der Reformberaterinnen und -berater, die in den nachsowjetischen Staaten aktiv waren. Diese Konstellation macht die Fixierung auf eine militärische Lösung des Konflikts auch so fragwürdig. Selbst eine Niederlage Russlands, wie immer man sich das auch vorstellt, würde nicht plötzlich die Probleme lösen und eine sozialstaatlich und demokratisch geläuterte Oberschicht hervorzaubern. Auch die Putsch-Option, die von der liberalen Opposition in Russland verfolgt wird, könnte das nicht. Beides würde vielleicht zu einer zeitweise tragenden Lösung führen, was die Ukraine betrifft, aber völlig neue und noch schärfere Widersprüche hervorbringen, die eine damit gewonnene Atempause zunichtemachen und in neue Kriege münden würden.

Was ist denn in der Gegenwart ökonomisch mit und durch diesen Krieg zu gewinnen? Wir haben eine lange Phase hinter uns, in der der Neoliberalismus alle möglichen Formen gefunden hat, seine Interessen in die ganze Welt zu tragen. Auch der russische Neoliberalismus.

Real ist durch Kriege seit Beginn der 1990er Jahre nichts mehr gewonnen worden. Es konnte (fast) nirgendwo Stabilität gesichert werden, man denke nur an den Nahen Osten oder Afghanistan. Die in den vergangenen Jahrzehnten angeführten ökonomischen Ziele, wie die Sicherung von Lieferketten und Handelsrouten oder der Zugang zu Rohstoffen, sind kaum erreicht worden. Die meisten Staaten, die von Kriegen betroffen waren, sind extrem instabil oder autoritär regiert. Sie sind oft auf internationale Hilfen angewiesen, kosten also weiter Geld. Die Einzigen, die dabei ökonomisch gewonnen haben, sind die Waffenproduzenten und die mit der Kriegführung verbundenen Unternehmen. Allerdings sollte man auch die indirekten Effekte, wie sie sich auf den Finanzmärkten unter Kriegsbedingungen realisieren lassen, nicht vergessen. All das ist eine gigantische Umverteilung, die die Welt nicht sicherer gemacht hat.

Das klingt, als wäre das ökonomische Kalkül, wären die wirtschaftlichen Begehren des sogenannten globalen Nordens nicht aufgegangen.

Soweit man die Stabilität der Weltwirtschaftsordnung betrachtet, ist das Kalkül nicht aufgegangen. Der Krieg in der Ukraine ist Teil des Versuchs Russlands, eine «andere», eine zweite Weltwirtschaft zu etablieren, die die eigenen Interessen in Rechnung stellt. Die Regulierungsfähigkeit der Weltwirtschaftsordnung, die auf den Prämissen beruhte, die der neoliberale Umsturz in den 1970er und 1980er Jahren setzte, hat sich als außerstande erwiesen, die Probleme zu lösen, die sie, wie im Fall Russlands, hervorbringt. Mehr noch – sie könnte diese Probleme nicht lösen, ohne das eigene Fundament, verkürzt gesagt die strikte Marktorientierung, in Frage zu stellen. Mit dem Aufstieg Chinas, Indiens, aber auch der Türkei oder des Iran, also völlig neuer Formen des Kapitalismus, ist die Integrationsfähigkeit des alten Modells erschöpft.

Die Wirtschaftsmacht, die am Ende durch diesen Krieg, mit diesem Krieg wiedererstarken wird, sind die USA. Eine These – der Beweis ist noch nicht erbracht. Als Weltmacht, Leitland. Hat so ein Krieg am Ende dann doch die Auswirkung, dass sich ökonomische Machtverteilung noch einmal viel klarer sortieren wird? Machtzentren gestärkt werden?

Das ist völlig offen. Dieser Krieg ist Teil einer umfassenderen Krise des Weltwirtschaftssystems. Wenn sich China zum Beispiel im Spiegel der Sanktionen gegen Russland der Schwächen seiner eigenen Struktur bewusst wird und mit dem Potenzial, das es aufgebaut hat, diese Schwächen auch angeht, dann kann das natürlich bei den Ressourcen, die das Land hat, dazu führen, dass die Vorteile, die die USA jetzt noch auf technologischem Gebiet haben, sehr schnell verloren gehen. Für Russland geht es um Modernisierung durch Importsubstitution, gerade und auch bei innovativen Produkten, und um neue Absatzmärkte. Dabei ist die Welt im Verhältnis zu diesem Krieg nach wie vor gespalten. Viele Länder des globalen Südens, die als Rohstofflieferanten oder Lieferanten intelligenter Arbeitskraft für den «Westen» interessant sind, sehen eine Chance, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien und eine gewisse Eigenständigkeit im Rahmen einer anderen Weltordnung zu erlangen. Das ist auch das Kalkül eines Teils der russländischen Eliten. Sie setzen auf Multipolarität – China, die BRICS-Staaten generell, die Türkei und der Iran als anerkannte Regionalmächte, Russland als zwar China nicht ebenbürtiger, aber eigenständiger Spieler. Das ist nicht unrealistisch, wenn man in Rechnung stellt, dass die Unterstützung des Rests der Welt für den westlichen Kurs nicht so nachdrücklich ist, wie suggeriert wird. Dafür sind die Wunden viel zu tief. Es ist im Augenblick nicht ausgemacht, wie die Sache endet. Dazu sind auch die USA zu stark von außenwirtschaftlichen Beziehungen abhängig. Sie können sich auf ihren Binnenmarkt zurückziehen, aber diese Stärke hat China genauso. Das Argument, China bleibe davon abhängig, dass es seine Waren exportieren kann, heißt ja nicht, dass das so bleiben muss und dass die USA der entscheidende Markt sein müssen. Die hier vorherrschende Sicht, dass China Peripherie sei, ist nicht mehr zeitgemäß. Aus Sicht Chinas ist die EU die Peripherie. Aber all das ist völlig offen, denn es hängt viel davon ab, wie sich bei allen Akteuren die innenpolitischen Konstellationen entwickeln.

Die neue Qualität der gegenwärtigen Situation besteht also vielleicht doch darin, dass am Ende eine andere Weltordnung, Weltwirtschaftsordnung stehen kann. Diese Deutungsmacht hatten die Kriege der jüngeren Vergangenheit seit Beginn der 1990er Jahre nicht.

Das stimmt. Es geht nicht um den Wechsel einer Führungsmacht, es geht um eine grundsätzlich andere Machtkonstellation. Das ist der erste Krieg des 21. Jahrhunderts, und der kann nicht mit den Kriegen davor verglichen werden. In Syrien oder im Irak haben die USA in den Angriff viel mehr investiert als Russland bislang im Fall der Ukraine. Wenn Putin sagt, Russland habe noch gar nicht richtig mit einem Krieg begonnen, dann ist das, so pervers es ist, wohl richtig. Hier ist ein völlig neues und anderes Eskalationspotenzial auf allen Gebieten möglich.

Als «Rausch des Gleichschritts mit dem Zeitgeist» wurde die Gegenwart mal in den «Blättern» beschrieben. Der Tabubruch dieses Krieges ist gut dafür geeignet, ihm alle multiplen Krisen in die Schuhe zu schieben.

Es ist eine Frage des Selbstbildes des «Westens», um mal die hässliche Verallgemeinerung zu nehmen. Alles, was nicht funktioniert, erscheint als überwindbare Episode, generell funktioniert das System. Fundamentale Widersprüche werden als situationsbedingte Schwierigkeiten dargestellt. Und das ist genau der Hintergrund dafür, dass der Rest der Welt ausgeplündert werden kann – in dem Glauben, dass alle damit verbundenen Probleme zu managen seien.

Jetzt wird eine Form der Suffizienz erzwungen, könnte man sagen – das macht sich am Gas fest –, die «by disaster» laufen wird, obwohl man die Chance hätte, es trotz des Krieges «by design» zu gestalten. Diese aufgezwungene Ressourcennot böte ja tatsächlich die Möglichkeit, umzusteuern. Dafür allerdings gibt es keine Basis.

Die EU und die USA wollen das Problem lösen, ohne an die Wurzeln zu gehen. Auch die Unternehmen suggerieren, dass mit Subventionierungen und der Lockerung von Gesetzen alles möglich ist. Genau so geht man auch in Russland an die Sache heran. Beide Seiten versuchen die Quadratur des Kreises. Sie wissen, sie sind in einer Krise des Reproduktionsprozesses ihres Wirtschaftssystems. Beide versuchen, ausschließlich im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems zu bleiben. Bis heute ist das Finanzsystem Russlands überhaupt nicht auf die neuen Bedingungen eingestellt. Die Zentralbank folgt einer ganz konservativen Geld- und Finanzpolitik, die einen Teil der Blockade der entwicklungsfähigen innovativen Bereiche der Wirtschaft ausmacht. Der Zeitfaktor ist in beiden Systemen, die sich jetzt gegenüberstehen, der entscheidende Punkt. Natürlich wird jede Krisensituation dazu führen, dass man Kreativität bei der Entwicklung neuer Formen an den Tag legt. Die Frage ist, ob man dabei bereit ist, auf einen Militär-keynesianischen Kurs einzuschwenken, oder ob man die Dinge laufen lässt und gegen die Wand fährt.

Wir hatten diese Ausgabe ursprünglich mit dem Arbeitstitel «Wachstumsmaschine Krieg» überschrieben. Dann dachten wir, das ist vielleicht zu platt und zu kurz gesprungen, weil die Dinge nicht mehr so einfach sind. Trotzdem stimmt: Es wird bereits am Wiederaufbauplan für die Ukraine gestrickt, es werden Gelder aufgerufen, versprochen. In diesem Sinne ist der Arbeitstitel doch irgendwie gerechtfertigt.

Krieg ist für einige immer noch eine Wachstumsmaschine. Aber wichtiger ist die Frage der Stabilität der Verhältnisse als Garant zukünftigen Wachstums – wie immer man es definiert. Es geht um unterschiedliche Zukunftsbilder. Dafür sind alle Seiten bereit, viel zu riskieren. Im Fall Russlands ist der Angelpunkt das Jahr 2024, in dem die Neuwahl des Präsidenten ansteht. Der Versuch der Neubestimmung von Russlands Platz in der Weltwirtschaft soll das entstandene Akkumulationsregime durch Modernisierung stabilisieren, der Krieg die Modernisierung erzwingen.
Die russländischen Wachstumsprognosen scheinen mir recht hoch gegriffen. Aber selbst die bedeuten Stagnation in den sozialen Verhältnissen. Und mit mehr rechnet auch niemand. Alles auf einem gewissen Niveau halten und darauf achten, dass man nicht zu tief rutscht. Das wird hier über kurz oder lang auch eintreten. Bei der ohnehin gegebenen Einkommens- und Vermögensungleichheit wird der Krieg also bestenfalls für die Oberschicht profitabel sein. Und das wird beim Wiederaufbau der Ukraine, egal in welchem Gebiet und unter wessen Hoheit, genauso sein. Aber auch der muss ja im Voraus finanziert werden, bevor Mittel zurückfließen. Wenn es nicht gelingt, eine Demilitarisierung der Region zu erreichen, wird hier ein beständiger Punkt der Instabilität liegen. Möglicherweise besteht das Geschäft dann darin, dass beide Seiten die immer wieder neu gebaute Infrastruktur zerschießen. Das wird irgendwann nicht mehr wachstumstreibend sein. Mit allen Folgen, über die im Augenblick kaum gesprochen wird. Zum Beispiel die ökologischen Folgen. Wenn da Tausende Tonnen von Metallen, Elektronikschrott und anderen Materialien in einem relativ kleinen Gebiet rumliegen, wo ja in der Vergangenheit schon andere Schlachten stattgefunden haben, ist die Dekontaminierung nur noch Verbrauch von Ressourcen, um die Bewohnbarkeit der Region einigermaßen zu sichern.

Wir denken viel darüber nach, wie die Gegenwart ist und welche katastrophalen Szenarien eintreten könnten. Hast du eine zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffene optimistischere Variante, wie es auch weitergehen könnte?

Die optimistischste Variante scheint das Einfrieren des Konflikts zu sein. Alles andere ist gegenwärtig illusorisch. Wenn die Verluste auf beiden Seiten zu groß werden, könnte eine militärische Lösung wegen der Unzufriedenheit im Innern und der damit verbundenen sozialen Risiken unmöglich werden. Auch Nationalismus und Patriotismus haben ihre Grenzen. Die Interessen in der EU als indirekter Kriegspartei sind keinesfalls einheitlich. Polen, die baltischen Staaten, Frankreich, Deutschland, Rumänien, Ungarn, Griechenland usw. haben ganz eigene Interessen mit Blick auf den Ukrainekrieg und seine Begleitumstände. Auch für die USA wird ein anhaltender Krieg eine Belastung. Wenn klar wird, dass sie nicht mehr in der Lage sind, den Konflikt zu managen, heißt das gegenüber anderen, dass man die USA in derartigen Fällen nicht mehr in Rechnung zu stellen braucht. Alle müssen gesichtswahrend aus der Sache herauskommen. Und das wird auf Kosten der Masse der Ukrainer*innen und der Russ*innen ausgetragen. Vertagen also, eine Fast-Friedenslösung mit Kriegsoption.