Nachricht | Geschlechterverhältnisse - Südostasien Ein großer Schritt für die Gleichberechtigung

In Vietnam leitet ein Regierungsdokument einen Zeitenwechsel für die LGBT-Community ein

Information

Autorin

Sen Nguyen,

Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft versammeln sich auf der VietPride 2022 in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam, Oktober 2022. Foto: IMAGO/Chris Trinh

Hoang Quan war überglücklich, als sich das vietnamesische Gesundheitsministerium Anfang August dieses Jahres explizit hinter seine Community stellte. Das Ministerium wurde zur ersten hochrangigen Regierungsbehörde, die die Einstufung von Homosexualität als Krankheit in einem offiziellen Dokument öffentlich verurteilte – eine bedeutende Wegmarke für den Kampf um Gleichberechtigung für LGBT-Menschen im südostasiatischen Land.

Quan, ein 32 Jahre alter Marketingmanager aus Ho-Chi-Minh-Stadt, der mit seiner Familie noch nicht über seine sexuelle Orientierung gesprochen hat, empfindet dies als lange ersehnten Rückenwind.

Sen Nguyen ist eine unabhängige Journalistin, Podcast-Moderatorin und Produzentin mit Sitz in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Sie schreibt Reportagen und Analysen, die Nuancen und Zusammenhänge hinter politischen Maßnahmen und Entwicklungen von öffentlichem Interesse aufzeigen, mit besonderem Augenmerk auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen in Vietnam und Südostasien.

«Es waren immer LGBT-Organisationen, die Aufklärungsinformationen zur Verfügung gestellt haben, aber soweit ich mich erinnern kann, gab es noch nie ein offizielles Regierungsdokument wie dieses», sagt Quan. Er fügt hinzu, dass die Aussage des Ministeriums in krassem Widerspruch zur Meinung seines Vaters über Menschen wie ihn stehe, die dieser vor Jahren zum vietnamesischen Neujahrsfest Tết in der Familienrunde kundgetan habe. «Mein Vater betrachtete es [eine LGBT-Orientierung] als Krankheit. Das machte mich traurig, aber ich konnte natürlich nichts sagen», erinnert er sich.

Eine wichtige neue Handhabe

Die Bedeutung der ministeriellen Verlautbarung für die LGBT-Community ist gemäß Aktivist*innen eher gesellschaftlicher und persönlicher Art als eine wirkliche institutionelle Veränderung. Allerdings könnte sie Gelegenheit bieten, weiteren Anliegen der Community frischen Schwung zu verleihen, insbesondere ihren Bemühungen um die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und die Umsetzung eines Transgender-Gesetzes, das seit sieben Jahren in der Warteschleife hängt.

«Die Feststellung, dass es sich bei LGBT-Orientierungen nicht um eine Krankheit handelt, ist nicht neu. Einige Regierungsbehörden hatten dies bereits festgestellt und es bestätigt eine seit langem akzeptierte internationale Norm», erklärt Vuong Phong, Programmleiter für LGBT-Rechte am Institut für Gesellschafts-, Wirtschafts- und Umweltforschung (iSEE) in Hanoi, das «de facto [als] Ansprechpartner für die Regierung zu LGBT-Themen» gilt. «Zu würdigen ist aber, dass ausdrücklich untersagt wird, LGBT[-Menschen] ›heilen‹ zu wollen. Das ist neu, etwas, was bisher noch keine Regierungsbehörde in Vietnam offiziell deklariert hatte.»

Das Dokument beinhaltet einen aus fünf Teilen bestehenden allgemeinen Leitfaden für Krankenhausleitungen und medizinische Einrichtungen zur Schulung von Mitarbeitenden im Umgang mit LGBT-Menschen. Der Leitfaden verbietet es, Menschen von ihren homosexuellen Orientierungen und trans Identitäten «zu heilen», und verlangt von behandelnden Psychotherapeut*innen Kenntnis über die Bedürfnisse der LGBT-Community.

Einerseits konnte über die vergangenen zwei Jahrzehnte eine größere öffentliche Akzeptanz erreicht werden, andererseits lassen umfassendere Gesetzesänderungen weiter auf sich warten.

Zudem fordert das Ministerium häufigere Inspektionen von Krankenhäusern, Einrichtungen und Praxen, um sicherzustellen, dass das Gesetz eingehalten wird. Der Leitfaden, dem laut Ministerium strikt Folge zu leisten ist, reagiert auf «erzwungene medizinische Untersuchungen und Behandlungen von homosexuellen, bisexuellen und transgender Menschen» in Vietnam. Um welche medizinischen Eingriffe es sich dabei handelt, wo oder seit wann diese Untersuchungen und Behandlungen stattfinden, bleibt unklar.

Aus administrativer Sicht handelt es sich bei dem Dokument weder um einen Beschluss noch um ein Gesetz, sondern um eine übliche Direktive von Regierungs- zu Unterbehörden, erläutert Anwältin und Aktivistin Dinh Hong Hanh, Vorstandsmitglied der Gruppe für LGBT-Rechte ICS Center in Ho-Chi-Minh-Stadt. Damit hat es keine bindende Kraft für Akteur*innen im Gesundheitssektor; auch besteht kein gesetzlicher Mechanismus zur Strafverfolgung im Falle der Diskriminierung von LGBT-Personen oder bei Versuchen, ihre Orientierung zu «heilen».

«Während [die Verlautbarung] möglicherweise keinen starken Effekt auf den [Gesundheits-]Sektor haben wird, steht sie dennoch für einen kommunikativen Wandel, insbesondere auch für Lobbyist*innen», erläutert Hanh. Sie fügt hinzu, dass die Möglichkeit für Aktive wie sie, ein von der Regierung stammendes Dokument in Informationspakete zu Gleichstellungs- und LGBT-Themen für Schulen und Unternehmen aufzunehmen, die Glaubwürdigkeit stärken kann.

Ähnliches gilt für die von Hanh und Mitstreiter*innen durchgeführten Trainings für Regierungsbeamte, bei denen der Bezug auf ein offizielles Dokument aus dem Gesundheitsministerium Vertrauen und Glaubwürdigkeit signalisieren kann. Bis dato waren es zumeist zivilgesellschaftliche Organisationen wie ICS oder iSEE, nicht staatliche Behörden, die Community-Wissen zusammengestellt und weitergegeben haben.

Hanh erklärt weiter, dass sich Bürger*innen von nun an auf das Dokument berufen können, wenn Krankenhäuser oder andere Einrichtungen die «Behandlung» von LGBT-Orientierungen anbieten. Die Verlautbarung könne ein «Werkzeug» für viele Mitglieder der LGBT-Community darstellen, insbesondere für diejenigen, die sich sogenannten Behandlungen unterziehen müssen.

Phong (iSEE) unterstreicht darüber hinaus, dass die Verlautbarung zwar einerseits durch das Fehlen rechtlicher Durchsetzungsmechanismen eingeschränkt ist, dafür aber den bürokratischen Fährnissen einer Gesetzesverabschiedung ausweichen kann. Außerdem wird die Verlautbarung eine breite Öffentlichkeit erreichen, darunter auch ältere Generationen, die in Bezug auf Gleichstellungs- und LGBT-Themen möglicherweise Regierungsquellen mehr Vertrauen entgegenbringen als lokalen zivilgesellschaftlichen Gruppen oder internationalen Organisationen.

Die bedeutsame Erklärung wurde zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem das Ministerium selbst mit internen Problemen kämpft – einem Exodus von Mitarbeiter*innen im Gesundheitsbereich einerseits und Korruptionsvorwürfen andererseits. Den Aktivist*innen, mit denen ich sprechen konnte, waren die Details der zeitlichen Planung nicht bewusst. In Bezug auf den richtigen Zeitpunkt für den Gang an die Öffentlichkeit und die Zusammenarbeit mit Regierungsvertreter*innen können LGBT-Organiser*innen also noch dazulernen, insbesondere wenn es sich um wichtige, offizielle Verlautbarungen handelt.

Die politische Entwicklung

Das Dokument des Gesundheitsministeriums unterstreicht erneut das ambivalente und komplexe Gesamtbild der Fortschritte der LGBT-Community in Vietnam. Einerseits konnte über die vergangenen zwei Jahrzehnte eine größere öffentliche Akzeptanz erreicht werden, andererseits lassen umfassendere Gesetzesänderungen weiter auf sich warten. Immerhin lässt sich ein Wandel des offiziellen Diskurses feststellen, der in der Vergangenheit homosexuelle und trans Menschen oft als krank bezeichnete.

Ein Beispiel für eine solche Einstellung erschien im vergangenen April in Form eines Artikels in Sức khỏe Đời sống – dem Sprachrohr des Gesundheitsministeriums – mit dem Titel «Auf der Suche nach den Ursachen der Homosexualität». Im Abschnitt «Handelt es sich bei der Homosexualität um eine Krankheit?», wird argumentiert, dass es zwei Zeitspannen gebe, in denen sich Menschen «die Krankheit einfangen» könnten: nach der Entbindung und im Kleinkindalter. Immerhin schließt der Artikel mit dem Zugeständnis, dass Homosexualität in vielen Ländern nicht mehr als Krankheit gesehen wird und dass es sich bei Homosexualität um eine sexuelle Orientierung handelt, die «nicht als Perversion oder moralische Dekadenz betrachtet werden sollte.»

Eine abschätzige Rhetorik gegenüber der LGBT-Community reicht mindestens mehrere Jahrzehnte zurück. Die Wissenschaftler*innen Paul Horton und Helle Rydstrom führen ein weiteres Beispiel an, nämlich einen 1987 unter dem Titel «Pädo-Liebe» (Tình Pêđê) veröffentlichten Bericht der Polizeibehörde von Ho-Chi-Minh-Stadt, der davor warnte, dass sich die Krankheit gleichgeschlechtlicher Liebe im Land ausbreite.

Als sich die Menschen in Kuba in einem historischen Referendum für die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe entschieden, stellte dies für sozialistische Länder ein Novum dar und weckte auch in der vietnamesischen LGBT-Community Hoffnungen auf Gleichberechtigung und wirklichen Wandel.

Informativ ist auch die von der Wissenschaftlerin Pham Quynh Phuong zusammengestellte Chronik offizieller Positionen zu LGBT-Themen. Während der HIV/Aids-Epidemie der 1990er wurden homosexuelle Menschen zusammen mit Sexarbeiter*innen und Drogenabhängigen als «soziale Übel» (tệ nạn xã hội) eingeordnet; sie wurden mit der Krankheit assoziiert und galten als nicht vereinbar mit der traditionellen vietnamesischen Kultur.

Wie Phuong festhält, handelte es sich beim reformierten Ehe- und Familiengesetz von 2000, das die gleichgeschlechtliche Ehe untersagte, um «die erste kodifizierte Diskriminierung Homosexueller durch den Parteienstaat». Die Umsetzung des Gesetzes sei auf Basis des Dekrets Nr. 87 vom 21. November 2001 vollzogen worden, das Bußgelder von bis zu 500.000 vietnamesischen Đồng für Menschen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingingen, verhängte.

Der Jahrtausendwechsel läutete auch für den Kampf um LGBT-Rechte in Vietnam eine neue Epoche ein. Mit der Ausbreitung des Internets in den späten 1990er Jahren entstanden eine Vielzahl von Online-Foren zum Austausch mit Gleichgesinnten. Auch die Gründung des iSEE im Jahr 2007, das eine ganze Reihe an Projekten initiieren sollte (wie den von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Bericht von 2012 zum Status von transgender Personen), war ein wichtiger Katalysator für die politische Mobilisierung der Community.

2012 fand erstmals die VietPride statt; seitdem gehören in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt und weiteren Städten Regenbogenflaggen, friedliche Märsche und feiernde LGBT-Menschen und Verbündete zu jährlichen Fixpunkten im Kalender.

Hoffnungsstimmende Zeichen aus Havanna

Die politische Lobbyarbeit ist zu einem der Schwerpunkte der LGBT-Community in Vietnam geworden. Aktuell konzentrieren sich Aktivist*innen insbesondere auf die Transgender-Gesetzgebung und die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Wie die Forscherin Pham Quynh Phuong feststellt, wurde 2014 das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe fallen gelassen, nicht zuletzt dank des Einsatzes von LGBT-Organiser*innen, die das vietnamesische Justizministerium zur Beratung herangezogen hatte. Allerdings gilt auch: Die explizite gesetzliche Anerkennung steht weiter aus.

Als sich die Menschen in Kuba in einem historischen Referendum für die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe entschieden, stellte dies für sozialistische Länder ein Novum dar und weckte auch in der vietnamesischen LGBT-Community Hoffnungen auf Gleichberechtigung und wirklichen Wandel. Enthusiastisch feierte beispielsweise ein Post vom 29. September auf der Facebook-Seite der LGBT-Community der Provinz Vĩnh Long die Entscheidung; sie sei «fantastisch für die kubanische LGBTI+-Community und ein Hoffnungsschimmer für die vietnamesische LGBTI+-Community». Das reformierte kubanische Familienrecht wird auch die Leihmutterschaft und die Adoption durch homosexuelle Paare erlauben. Für gleichgeschlechtliche Paare in Vietnam besteht zu diesen Möglichkeiten bisher kein legaler Zugang.

Die Nachricht traf inmitten der wiederaufgenommenen Kampagne «Ich will» (Tôi Đồng Ý) ein, die sich für die gesellschaftliche und gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehe einsetzt und von den Organisationen ICS und iSEE angeführt wird. Die Organisator*innen betrachten die Abschaffung des Verbots der gleichgeschlechtlichen Ehe als Ergebnis der ersten «Ich will»-Kampagne von 2013 und hoffen, dass die neue Kampagne den Bemühungen um die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe Rückenwind verleiht, wenn das reformierte Gesetz zu Ehe und Familie im Jahr 2024 seiner zehnjährigen Überprüfung unterzogen wird.

«Jedes Bild mit einem ›Ich will‹-Logo, jeder Videoclip, der erklärt, ›Ich will, weil …‹, jedes Teilen solcher Posts ist ein Votum für die Ehegerechtigkeit», erklärt die Facebookseite der Kampagne. Die Seite teilt unzählige Bilder von gewöhnlichen Leuten, Prominenten, Journalist*innen und Aktivist*innen aus ganz Vietnam, die fröhlich einen herzförmigen Regenbogen mit dem Slogan «Ich will» hochhalten.

Wie geht es weiter?

Die letzten Monate waren für die vietnamesische LGBT-Community von Höhen und Tiefen geprägt. Die gefeierte Verlautbarung des Gesundheitsministeriums und der Neubeginn der «Ich will»-Kampagne im August fielen mit der Nachricht zusammen, dass die Umsetzung der Transgendergesetzgebung erneut aufgeschoben wurde – bereits das siebte Jahr in Folge.

Die vietnamesische Regierung hatte erstmals 2015 die Rechte von transgender Bürger*innen anerkannt, was von LGBT- und Menschenrechtsaktivist*innen im ganzen Land enthusiastisch begrüßt wurde. Nach dem Gesetz von 2015 haben Personen, die eine Geschlechtsangleichung vollzogen haben, ein Recht auf Änderung des Personenstands zur Wahrung ihrer «personenbezogenen Rechte in Einklang mit dem angenommenen Geschlecht». Allerdings wurde die Gesetzesvorlage zur Umsetzung der Neuregelung immer noch nicht von der Nationalversammlung (Legislative) verabschiedet.

Nach Informationen des Gesundheitsministeriums leben in Vietnam circa 500.000 trans Menschen. Bis die Gesetzesinitiative von 2015 umgesetzt wird, besteht für sie kein Schutz vor Diskriminierung und Vorurteilen in einem Land, in dem tradierte Geschlechterstereotypen bis heute eine wichtige Rolle spielen. Trans Menschen haben weiterhin große Probleme, Personenstand, Geschlecht, Bankdaten und Reisedokumente in Einklang zu bringen, und es bestehen Schwierigkeiten im Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Die unterschiedlichen Bewertungen der Frage, ob Operationen verpflichtend sein sollten, deutet einmal mehr auf Spannungen zwischen der fortschrittlichen Vision und der konservativen Tradition bezüglich der Sicht auf Geschlechtergerechtigkeit in Vietnam.

Luong The Huy, seit 2011 Leiter des iSEE und Lobbyist für LGBT-Rechte, erläuterte kürzlich in einem in der meistgelesenen Zeitung Vietnams (VnExpress) veröffentlichten Artikel, warum das Gesetz nicht verabschiedet wurde: «Die beiden größten Hürden, die das Gesetz blockieren, sind [die Kriterien], ›wer transgender ist‹, und [Zweifel], ob [Gesetzgeber*innen] Gesetze für eine sehr kleine Gruppe priorisieren sollten.»

Während der Gesetzesentwurf des Gesundheitsministeriums festhält, dass geschlechtsangleichende Operationen optional sein sollten, sind laut Huy nicht alle Regierungsmitglieder damit einverstanden: «Manche Menschen glauben, dass es notwendig ist, hohe Hürden [für die Geschlechtsangleichung] zu errichten». Sie führten dabei entweder den Schutz derjenigen an, die in ihrer Geschlechtsidentität unsicher seien, oder die Gefahr eines Missbrauchs des Gesetzes durch Menschen, die Pflichten umgehen oder Vorteile erlangen wollten.

Huy argumentiert, dass eine geschlechtsangleichende Operation nicht das Erbgut oder die Geschlechtschromosomen einer Person verändern könne und das Erfordernis einer operativen Veränderung körperlicher Merkmale diskriminierend sei: «Genauso wenig, wie wir uns im Alltag über unsere DNA oder Chromosomen austauschen, müssen wir über die Genitalien einer Person Bescheid wissen, um jemanden in Übereinstimmung mit dem Geschlecht zu behandeln, dem er oder sie sich zuordnet.»

Nicht alle trans Menschen wollen sich einer Operation unterziehen, die physisch, psychisch und finanziell enorm belastend ist, aber das bedeute nicht, dass die gesetzliche Anerkennung ihres selbstgewählten Geschlechts hinfällig sei, fügt Huy hinzu.

Die unterschiedlichen Bewertungen der Frage, ob Operationen verpflichtend sein sollten, deutet einmal mehr auf Spannungen zwischen der fortschrittlichen Vision und der konservativen Tradition bezüglich der Sicht auf Geschlechtergerechtigkeit in Vietnam. Dennoch liefern die Schwierigkeiten in der Umsetzung des Gesetzes wichtige Lehren für die weitere Arbeit von LGBT-Lobbyist*innen.

Phong (iSEE) hält eine Neuformulierung der Gesetzesvorlage nicht unbedingt für erforderlich, da sie über die Jahre mehrfach gründlich überarbeitet worden sei. «Als nächsten, wichtigen Schritt müssen Einflussgruppen herausfinden, wo unser Einsatz am relevantesten ist, wen wir überzeugen müssen, wer auf Entscheidungstäger*innen im Justiz- und Gesundheitsministerium Druck oder Einfluss ausüben kann, damit das Gesetz verabschiedet wird.»

Neben Aktivist*innen und Organiser*innen versuchen auch einzelne Bürger*innen aus der LGBT-Community, Transformation zu erwirken. Hoang Quan, der Marketingmanager aus Ho-Chi-Minh-Stadt, will bald mit seinen Eltern über seine sexuelle Orientierung sprechen – bestärkt insbesondere durch das historische Dokument des Gesundheitsministeriums. «Meine Eltern lieben mich, aber ich glaube, dass ich bei ihnen nicht richtig ich selbst sein konnte. Natürlich werde ich ihnen nicht das ausgedruckte Dokument auf den Tisch knallen, aber die staatliche Aufklärungsinformation gibt mir das Gefühl, entspannter an das Gespräch herangehen zu können.»