Nachricht | Arbeit / Gewerkschaften - Westeuropa - Gewerkschaftliche Kämpfe Eine Alternative zum Europa der Staaten und des Kapitals

Interview mit Koldo Sáenz, internationaler Koordinator der Plattform der Gewerkschaften staatenloser Nationen

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Koldo Sáenz ist Mitglied der Leitung des baskischen Gewerkschaftsverbandes LAB Langile Abertzaleen Batzordeak, Abertzale Arbeiterkomitees, zuständig für internationale Beziehungen. Abertzal bedeutet baskisch-selbstbestimmt.
Koldo Sáenz ist Mitglied der Leitung des baskischen Gewerkschaftsverbandes LAB (Langile Abertzaleen Batzordeak), Abertzale Arbeiterkomitees, zuständig für internationale Beziehungen. Abertzal bedeutet baskisch-selbstbestimmt. Foto: LAB / Langile Abertzaleen Batzordeak

Koldo Sáenz De Benito hat einen Abschluss in Geschichte an der baskischen staatlichen Universität. Er war verantwortlich für den baskischen Gewerkschaftsverband LAB (Langile Abertzaleen Batzordeak) in der Region Baztan-Bidasoa von 2008 bis 2016. Seit 2016 arbeitet er in der zentralen Abteilung «Internationale Beziehungen» von LAB, seit dem 9. LAB-Kongress 2017 in leitender Verantwortung. Mit ihm sprach Gaston Kirsche über die Plattform der Gewerkschaften staatenloser Nationen
 

Gaston Kirsche: Wie und in welcher Situation ist die Plattform der Gewerkschaften staatenloser Nationen entstanden? 

Koldo Sáenz: Die Plattform der Gewerkschaften von Nationen ohne Staat wurde im Mai 2004 auf einer von der Gewerkschaft LAB in der baskischen Stadt Donostia/San Sebastián organisierten Konferenz ins Leben gerufen. Es war das Ergebnis langer Arbeit, insbesondere mit der Gewerkschaft STC, Sindicatu di i Travagliadori Corsi, Gewerkschaft korsischer Arbeiter*innen, die eine sehr wichtige Verbündete war, als die LAB die Entscheidung traf, sich auch im baskischen Territorium unter Verwaltung des französischen Staates zu organisieren. Im Jahr 2000 wurde LAB so zur einzigen baskischen nationalen Gewerkschaft, also zur einzigen, die über die existierenden Staatsgrenzen hinweg tatsächlich im gesamten Baskenland organisiert. Aufgrund des politischen Konflikts waren dies sehr harte Jahre im Baskenland, und der Zusammenbruch des Lizarra/Garazi-Prozesses (Versuch der Einbeziehung der Zivilgesellschaft in einen Friedensprozess) war immer noch sehr präsent. Was die LAB-Gewerkschaft betrifft, so hatte 2004 der sechste Kongress in Iruña/Pamplona stattgefunden, und die Gewerkschaft befand sich in einem Wachstumsprozess, was die Zahl der Mitglieder und die Vertretung in Betrieben betrifft. Auf internationaler Ebene wurde die LAB-Gewerkschaft im selben Jahr 2004 auf dem Kongress, den der Weltgewerkschaftsbund in Havanna abhielt, offiziell dem WGB angeschlossen, sodass wir sagen können, dass es Jahre des Wachstums und der Expansion der Gewerkschaft waren. Die Gründung der Gewerkschaftsplattform der Staatenlosen Nationen war in diesem Kontext ein weiterer wichtiger Schritt für uns.

Gaston Kirsche ist Autor zahlreicher Artikel über Arbeitskonflikte und soziale Kämpfe in Spanien und Deutschland in Jungle World, nd, express, u. a. und Coautor des Buches der gruppe demontage: «Postfordistische Guerrilla - Vom Mythos nationaler Befreiung».

Wie seid ihr organisiert?

Seit dem Treffen im Dezember 2018 in Val d'Aosta gibt es einen allgemeinen Koordinator – die LAB-Gewerkschaft – sowie Arbeitsgruppen, die nach Staaten organisiert sind: spanischer, französischer und italienischer Staat. Jede Gruppe entwickelt ihre eigene Dynamik innerhalb der gemeinsamen Logik und Strategie.

Welche Gewerkschaften aus welchen Territorien sind an der Plattform der Gewerkschaften staatenloser Nationen beteiligt?

An der Plattform beteiligen sich die Confederazione Sindacale Sarda, CSS, Sardinien; Central Unitaria de Traballadoras/es, CUT, Galizien; Intersindical Canaria, Kanarische Inseln; Intersindical Catalana, Katalonien; wir von der Langile Abertzaleen Batzordeak, LAB, Baskenland; Syndicat Autonomous des Travailleurs Valdotains, SAVT, Val d'Aosta; Sindikad Labourerien Breizh, SLB, Bretagne; Sindicatu di i Travagliadori Corsi, STC, Korsika; Union Générale des Travailleurs de Guadeloupe, UGTG, Guadeloupe; Union Generale des Travailleurs de Martinique, UGTM, Martinique; Union Syndicale des Travailleurs Kanaks et des Exploités, USTKE, Neukaledonien; und die Coordinadora Obrera Sindical, COS, der katalanischen Länder um Valencia.

Gibt es eine gemeinsame programmatische Grundlage, die alle teilen? 

Alle Gewerkschaften auf der Plattform sind nationale und souveräne Gewerkschaften in unseren eigenen Ländern. Wir sind Vereinigungen staatenloser Nationen und wir verteidigen das Selbstbestimmungsrecht unserer jeweiligen Völker. Wir verstehen, dass die Prozesse der politischen und gesellschaftlichen Transformation von links erfolgen müssen und die Rechte aller Menschen und aller Völker in den Mittelpunkt stellen müssen.

Und welche Rolle spielt dabei Feminismus für euch?

1996 wurde in der Gewerkschaft LAB der Frauenbereich geschaffen. Auf dem neunten Kongress im Jahr 2017 beschloss LAB, den Sprung von der Frauensekretärin zum feministischen Sekretariat zu wagen, um Schritte in Richtung einer auf feministischen Werten basierenden Gewerkschaft zu unternehmen. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Projekte geschaffen: die Feministische Schule, der Plan für ein besseres Leben, der umfassende Feministische Plan, die feministischen Unterstützerinnen, die feministischen Streikposten ...

LAB engagiert sich für eine feministische Gewerkschaftsbewegung, die das Leben in den Mittelpunkt stellt und gegen die vielfältigen Unterdrückungen kämpft, die Frauen erfahren, sei es durch Geschlecht, Klasse, Herkunft, geschlechtliche Identität, Diversität ... weil wir verstehen, dass sie strukturell sind und dem System innewohnen, gegen das wir kämpfen: kapitalistisch, heteropatriarchal, kolonialistisch, rassistisch und ökozid. Wir setzen auf Leben gegen Kapital. LAB verpflichtet sich, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, das Lohngefälle, Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz, aber auch anderswo, sowie alle Arten von Diskriminierung zu beenden, die Frauen daran hindern, frei zu sein. Auf dem zehnten LAB-Kongress wurde ein Treffen der weiblichen internationalen Delegierten abgehalten, und als Ergebnis dieses Treffens entstand ein Netzwerk von Frauen und feministischen Gewerkschafterinnen mit dem Ziel, internationale feministische Beziehungen aufzubauen. 

Und Antirassismus?

Die Einrichtung des Antirassistischen Gewerkschaftssekretariats von LAB stellt eine der wichtigen Entscheidungen des zehnten Kongresses der Gewerkschaft dar, der im Juni 2022 in Baiona/Miarretze stattfand. Es war das Ergebnis eines längeren internen Prozesses. Dabei beteiligten sich  Wanderarbeitnehmer*innen oder rassifizierte Arbeitnehmer*innen an Workshops und Schulungen mit Gewerkschaftsmitgliedern aus verschiedenen Sektoren, Territorien und Zuständigkeiten. Auch Organisationen von Migrant*innen im Baskenland wurden einbezogen. Mehr als 140 Migrant*innen und rassifizierte Arbeiter*innen nahmen an ihnen teil, dazu 40 von der Gewerkschaft freigestellte Funktionär*innen und etwa 20 antirassistische Gruppen aus dem Baskenland.

Der antirassistische Sekretär, der im Leitungsgremium der Gewerkschaft vertreten ist, unterstützt den Kampf gegen die spezifische Diskriminierung, der Migrant*innen und rassifizierte Beschäftigte im Baskenland ausgesetzt sind. Der Weg hin zu einem Modell des antirassistischen Gewerkschaftswesens stellt für uns eine große kollektive Herausforderung dar. Rassismus ist überall, er durchdringt uns, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Antirassismus ist für uns daher eine Praxis, die es erfordert, uns zu hinterfragen und neu aufzustellen.

In welchem Ausmaß beteiligen sich migrierte Arbeiter*innen an euren Gewerkschaften?

Wir sind nicht alle gleich und wollen es auch nicht sein. Als Gewerkschaft müssen wir in der Lage sein, diese Besonderheiten zu sehen: Wenn wir sie im Betrieb nicht berücksichtigen, können sie zu Asymmetrien und Gewalt führen. Migrierte und rassifizierte Arbeitnehmer*innen sind betroffen von unterschiedlichen Situationen und Strukturen von Unterdrückung wie Rasse, soziale Klasse, Verwaltungshandeln, einem fehlenden sozialen Netzwerk, Angst und Fehlinformationen in Bezug auf Rechte. Das Kapital und die Bosse tragen Rassismus in ihrer DNA und nutzen ihn aus, indem sie sie besonders ausbeuten und sie als Schuldige aller Übel ins Visier nehmen.

Von LAB aus sehen wir, wie migrierte und rassifizierte Arbeitnehmer*innen unsere Organisation mit vielen neuen Mitgliedern und Formen der kollektiven Organisation versorgen. Dies sind oft Menschen mit Kampfgeschichten, Wissen und Talenten, die nicht immer geschätzt werden. Sie bringen uns viel über Kämpfen und Organisieren bei. Das ist zum Beispiel der Fall bei Außendienstmitarbeiter*innen in Nafarroa, Arbeiter*innen bei Lieferdiensten wie Amazon oder Hausangestellten in Bizkaia. Sie haben uns dazu gebracht, ihre enormen persönlichen Kompetenzen zu sehen, die unsere Gewerkschaft stärken und sie mit ihrer Diversität bereichern.

Angesichts von aufsteigendem Faschismus, zunehmender Ausbeutung und der Verbreitung von Rassismus und Hassrede treiben wir von LAB als Klassengewerkschaft, souveränistisch, feministisch und internationalistisch den Aufbau einer Gegenerzählung und Gegenmacht voran, die auf Solidarität zwischen den Arbeitern basiert. Es ist wichtig, sich der Macht und kollektiven Intelligenz bewusst zu werden, die wir als Arbeiterklasse zeigen können, ein wichtiges Thema im Baskenland.

Treffen der Plattform der Gewerkschaften staatenloser Nationen Foto: LAB / Langile Abertzaleen Batzordeak

Dann ist die Mobilisierung des Wissens von unten auch sonst wichtig für euch?

Ja, LAB ist eine gesellschaftspolitische Gewerkschaft, eine Gewerkschaft der Gegenmacht, mit über 46.000 Mitgliedern und mehr als 4.000 Gewerkschaftsvertreter*innen (ähnlich deutschen Betriebsräten), in allen Wirtschaftsbereichen des Baskenlandes hat. In einer Zeit, in der das Kapital stark organisiert ist und zusammenhält, braucht die Arbeiterklasse eine gute Organisation, die die sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfe in unserem Land dynamisiert. Wir können sagen, dass es im Baskenland drei sehr unterschiedliche Gewerkschaftsmodelle gibt: Zuerst die spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO, die sich dem sozialen Dialog verschrieben haben und den Kampf aufgegeben haben; als Zweites auf der baskischen Seite die ebenfalls sozialpartnerschaftliche ELA-Gewerkschaft; und drittens das Gewerkschaftsmodell von LAB, das den Anspruch erhebt und sich dafür einsetzt, ein Werkzeug für die Arbeiterklasse zu sein, um die Kämpfe voranzubringen und die politischen und sozialen Veränderungen zu vertiefen, die wir brauchen.

Die Arbeiterklasse?

Das Klassensubjekt, wie es historisch bekannt ist, entwickelt sich sprunghaft weiter, und die Arbeiterklasse wird zunehmend atomisiert. Aus diesem Grund haben wir von LAB ein flexibles Organisationsmodell entwickelt, das auf die unterschiedlichen Realitäten in der Arbeitswelt reagiert und dazu dient, die Arbeitnehmer*innen innerhalb der Gewerkschaft aus ihrer eigenen Arbeitsrealität heraus zu organisieren. Der Kampf ist Teil der Identität des baskischen Gewerkschaftswesens, und die Mitglieder von LAB sind in all diesen Kämpfen präsent.

Das Baskenland ist der Ort in Europa, an dem die meisten Streiks stattfinden, und das liegt daran, dass es eine gewerkschaftliche Realität gibt, die sich von den übrigen Gebieten unterscheidet. Die gewerkschaftliche Gegenmacht ist real, ein konfrontatives Gewerkschaftswesen hat Tradition. Unter anderem dank der Mobilisierung und dieser gewerkschaftlichen Realität sind die Arbeitsbedingungen im Baskenland besser als in jedem anderen Gebiet des spanischen Staates.

Wie organisiert ihr Solidaritätsarbeit?

Solidarität ist eines der Markenzeichen unserer Gewerkschaft. Durch die Militanz und das Engagement für unsere Ideale unterscheidet sich die LAB-Mitgliedschaft von anderen Gewerkschaftsmodellen. Das Wachstum der Gewerkschaft, insbesondere in den letzten Jahren, hat uns geholfen, um uns zu verbessern. Hervorzuheben ist der LAB Fight Fond, der sich ausschließlich aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert und der im Gegensatz zu den Fonds anderer Gewerkschaften nicht nur der finanziellen Unterstützung von Streikenden dient. Der Fond unterstützt auch diejenigen Mitglieder, die von Polizeirepression und Gesetzen wie dem Knebelgesetz, das sozialen Protest kriminalisiert, betroffen sind.

Gibt es gemeinsame Kampagnen gegen das Europa des Kapitals?

Leider nein, obwohl es die aktuelle internationale Situation erfordern würde. Immerhin gibt es im Baskenland die Plattform Euskal Herria Kapitalari planto! (Baskenland gegen das Kapital).

Ausgehend von der souveränistischen Gewerkschaftsbewegung können wir jedoch eine Alternative zum Europa der Staaten und des Kapitals artikulieren. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, die wir aus der Invasion der Ukraine durch Russland ziehen, ist die Notwendigkeit internationaler Beziehungen, die sich der Logik der herrschenden Blöcke entziehen und die auf den Rechten aller Völker und aller Personen beruhen und das Leben Aller ins Zentrum stellen. Die Völker können eine alternative Weltordnung fördern, auf der Basis von Solidarität und Brüderlichkeit unter den Völkern.

Gibt es bei euch Ansätze einer transnationalen Gewerkschaftsarbeit entlang der globalen Wertschöpfungsketten?

Dazu wurde bisher nichts auf der Plattform entwickelt, aber auf dem zweiten Treffen der souveränen Gewerkschaften im November 2022 in Valencia war es eine Aufgabe, die wir uns stellten, um daran zukünftig zu arbeiten.

Dann ist die Plattform für euch als Gewerkschaft im Baskenland wichtig?

Für LAB als die Unabhängigkeitsgewerkschaft, die sie ist, ist die Plattform der staatenlosen Gewerkschaften oder der Raum der souveränen Gewerkschaften von entscheidender Bedeutung. Die Unabhängigkeit des Baskenlandes ist kein nationalistischer Wunsch, da diejenigen, die das Selbstbestimmungsrecht des baskischen Volkes leugnen, es verkaufen wollen. Unabhängigkeit und ein Bruch mit dem vom Frankismus geerbten Regime sind eine absolute Notwendigkeit, um dem baskischen Volk ein würdiges Leben zu garantieren. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Klassenherrschaft im spanischen Staat auf der territorialen Einheit des spanischen Staates basiert und dass der einzige Weg, radikale politische und soziale Veränderungen zu vertiefen, darin besteht, die territoriale Einheit des spanischen Staates zu brechen.

Gleichzeitig können die Allianzen, die wir innerhalb der Plattform mit der STC von Korsika, der SLB von Bretagne, der USTKE von Kanakia, der UGTG von Guadeloupe und der UGTM von Martinique aufgebaut haben, wichtig sein, wenn es darum geht, einen alternativen Pol zu konfigurieren zu den Gewerkschaften auf Landesebene des französischen Staates.

Was den spanischen Staat betrifft, so sind die einzigen Gebiete, in denen wirkliche Voraussetzungen für einen Wandel bestehen, staatenlose Nationen wie das Baskenland und Katalonien, und, wie sich kürzlich bei dem Versuch einer Reform des Verfassungsgerichts gezeigt hat: die Staatsgewalt wird gegen jeden noch so kleinen Versuch vorgehen, die Demokratisierung voranzutreiben. Was den französischen Staat betrifft, so ist die korsische STC die Mehrheitsgewerkschaft auf der Insel, und die Bretagne ist eine bevölkerungsreiche Region. Wenn die souveräne Gewerkschaftsbewegung im nördlichen Baskenland und in der Bretagne gestärkt würde, wäre es möglich, zusammen mit der Stärke der Gewerkschaften von Martinique, Guadeloupe und Kanakia und Korsika auch im französischen Staat eine Alternative von den Völkern aus aufzubauen.

Beteiligen sich also ausschließlich Gewerkschaften, die für die Unabhängigkeit einer Nation eintreten, oder sind auch Gewerkschaften anderer benachteiligter Minderheiten beteiligt, beispielweise von Marokkaner*innen im spanischen Staat?

An der Plattform und den souveränistischen Treffen nehmen nur souveräne Gewerkschaften oder Gewerkschafter*innen teil, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigen.

Dann sind die teilnehmenden Gewerkschaften mit nationalen Unabhängigkeitsbewegungen verbunden?

Die souveränistischen oder unabhängigen Bündnisse unterscheiden sich je nach Gebiet. Beispielsweise wurde LAB im Baskenland innerhalb dessen geboren, was historisch als nationale baskische Befreiungsbewegung bekannt war. In Katalonien gibt es die Esquerra Independentista, aber sie ist weniger stark und die Mehrheit der Pro-Unabhängigkeitsparteien sind Mitte-Links und Mitte-Rechts. Aber die Unabhängigkeitsbewegung Kataloniens ist an der Basis sehr plural und breit, ein progressives Bewusstsein ist sehr verbreitet.

Wie ist eure Beziehung zu den Gewerkschaften und Arbeiter*innen der Staatsnation?

Es hängt davon ab, von welchen Gewerkschaften wir sprechen. In der Vergangenheit hatte LAB wunderbare freundschaftliche Beziehungen zu Gewerkschaften aus staatenlosen Nationen wie Katalonien, Galizien, den Kanarischen Inseln, Asturien, Andalusien, Aragonien oder dem Land Valencia, um nur einige Gewerkschaften zu nennen, aber wir haben auch gute Beziehungen zu Gewerkschaften auf Landesebene die den Kampf gegen das Regime von 1978 (Festschreibung post-frankistischer Strukturen beim Übergang zur Demokratie im spanischen Staat) und das Recht auf Selbstbestimmung der Völker teilen. Ganz anders sind die Beziehungen zu Gewerkschaften wie UGT und CCOO, die für die Stärkung des Regimes von entscheidender Bedeutung waren und die versucht haben, uns aus vielen Räumen auszuschließen, wie beispielsweise in Navarra, wo die gewerkschaftliche Apartheid mehr als offensichtlich war. Trotzdem gibt es in vielen Verhandlungen und sogar einigen Kämpfen Einigkeit mit UGT und CCOO. Es ist wichtig festzuhalten, dass Gewerkschaften auf staatlicher Ebene wie die anarchosyndikalistischen CGT und CNT an den Mobilisierungen der baskischen Gewerkschaftsmehrheit teilnehmen. Wichtig, um gemeinsam kämpfen zu können, ist nicht, ob man für die Unabhängigkeit oder für die Souveränität ist oder nicht, sondern der gegenseitige Respekt und der Wille, gegen das System zu kämpfen.

Spielt die Nationalität bei Streiks eine Rolle?

Überhaupt nicht. Die baskische Gesellschaft und LAB-Mitgliedschaft ist sehr vielfältig und dies spiegelt sich auch in unserer Gewerkschaftsarbeit wider. Was die baskische Gewerkschaftsbewegung trennt, ist nicht die nationale Identität, also: baskisch oder spanisch, sondern das Gewerkschaftsmodell und die mangelnde Bereitschaft der Gewerkschaften auf staatlicher Ebene, das demokratische Recht auf Selbstbestimmung des baskischen Volkes anzuerkennen. 

Wie siehst du die Zukunft der Plattform – werdet ihr mehr Gewerkschaften aus anderen Gebieten integrieren? 

Uns ist bewusst, dass es souveräne Gewerkschaften gibt, die aus unterschiedlichen Gründen nicht Teil der Plattform sind, und in anderen Ländern wie Schottland oder Nordirland gibt es keine souveränen Gewerkschaften, denn die Gewerkschaften sind Ableger der englischen Gewerkschaften.

Bis heute waren die wichtigsten Schritte die Eingliederung des Netzwerkes Trade Unionists for a New and United of Ireland, TUNUI und unabhängiger Gewerkschafter aus Schottland. Nach dem ersten Treffen in Bilbao fand das zweite Treffen in Valencia statt, und 2023 wird die souveräne Gewerkschaftsbewegung im Rahmen des 25. Jahrestages des Karfreitags-Friedensabkommens in Belfast stattfinden.

Derzeit ist der Raum souveräner Gewerkschaften ein Lebensraum, in dem wir mit großer Lust arbeiten. Es gibt Bedingungen dafür, dass sich dieser Raum nicht nur stabilisiert, sondern auch die Zahl der Organisationen und die gewerkschaftliche und politische Dynamik stärker wird. Heute sind in Europa die wachsenden Linken, die eine Alternative sein können, die souveränistischen Linken des Baskenlandes, Kataloniens, Schottlands, Irlands oder Korsikas, und die Gewerkschaften müssen Teil dieser Transformationsprozesse sein, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der Volksklassen zu verbessern.