Nachricht | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Ungleichheit / Soziale Kämpfe Finanzstaatssekretärin nahm Stellung zum großen Ganzen und zum kleinen Konkreten der Brandenburgischen Haushaltspolitik

Zweite Veranstaltung in der Reihe „Verwalten, verzweifeln oder gestalten? Sachzwänge und Denkzwänge und die Arbeit am ‚großen Versprechen’ (Max Frisch) im Lausitzbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer der sehr interessanten Veranstaltung sich sicher waren, die Staatssekretärin im Theater NEUE BÜHNE oder beim Radfahren rund um Senftenberg gesehen zu haben, dann lagen sie richtig. Denn Daniela Trochowski (Staatssekretärin im Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg) gehört zu jenen Politikerinnen des Landes, die sich ansehen wollen, wofür das Land Geld ausgibt und was die Leute vor Ort über die rot-rote Politik in Brandenburg sagen.

Am Montag war die Staatssekretärin des Brandenburgischen Finanzministeriums zu Gast in der Reihe „Verwalten, verzweifeln oder gestalten?“ des Lausitzbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung und erläuterte vor interessierten Bürgern, kommunalen Abgeordneten und Vertretern der Verwaltung fachlich souverän und dennoch auch für Laien verständlich die Rahmenbedingungen der gegenwärtigen Haushaltspolitik in Brandenburg und weckte insbesondere in der ausführlichen Diskussion auch mehr Verständnis für Regierungshandeln auf dem besonders komplizierten Feld der Finanzpolitik.

Der Haushaltsentwurf für 2012 umfasst ein Volumen von ca. 10 Mrd. Euro, das aber nur zu etwa 55 Prozent aus eigenen Steuereinnahmen generiert wird. Brandenburg ist also in großem Maße von innerstaatlichen Transfers wie dem Länderfinanzausgleich, zweckgebundenen Bundeszuweisungen oder den in Zukunft sinkenden Sonderzuweisungen aus dem Solidarpakt II abhängig. Hinzu kommen die EU-Zuschüsse, die mit der neuen Förderperiode ab 2014 ebenfalls stark sinken werden. Der Schuldenstand liegt mit ca. 19 Mrd. Euro beim doppelten Haushaltsvolumen. Die finanzielle Lage des Landes Brandenburg und seiner Kommunen ist also nach wie vor dramatisch. Die Staatssekretärin stellte anschaulich dar, wie trotz notwendiger Haushaltskonsolidierung erreicht werden kann, die Etats für Bildung sowie Wissenschaft und Forschung aufzustocken – und dafür zum Beispiel die Investitionsquote von 16.9 Prozent in 2011 auf 14,8 Prozent in 2012 zu senken. Investition in Köpfe, statt in Beton.

Dabei wies die diplomierte Volkswirtin auch darauf hin, dass die Frage, was noch machbar ist, wenn die finanziellen Spielräume immer enger werden, eigentlich falsch gestellt sei. Teil des Problems sei ihrer Ansicht nach, dass Bürger wie Politiker bereits verinnerlicht hätten, dass es immer weniger Geld gäbe. Auch die Forderung nach „weniger Staat“ ginge zumeist am eigentlichen Ziel vorbei. Sie sagte: „Sicher, bürokratische Monster braucht niemand, aber Planfeststellungsverfahren zum Beispiel ermöglichen eben auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Zu klären ist vielmehr, welches Gemeinwesen mit welchen Komponenten insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge oder eben der Bürgerbeteiligung wir haben möchten und was wir tun können, um dies auch zu finanzieren.“ Die Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang das entscheidende Stichwort – und ein gutes Thema für einen weiteren Vortrag mit Daniela Trochowski.

Wenn auch die anwesenden Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen nicht mit der Ansicht eines Vertreters des linken Jugendverbandes solid übereinstimmten, als er sagte, dass es nicht viel bringen würde, wenn sich Linke in der Regierung auf die Logik des kapitalistischen Systems einließen, so war die Diskussion doch durch eine hohe Kultur des Zuhörens und Argumentierens gekennzeichnet. Der Landtagsabgeordnete Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann, der die Veranstaltung moderierte, wies darauf hin, dass es gelte, die Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung tatsächlich zu nutzen, bevor die Systemfrage als aktuelle Aufgabe gestellt werde. „Schließlich ist das Scheitern der versuchten Alternative so lange noch nicht her. Das große Versprechen, wie Max Frisch den Sozialismus nannte, sei ohne Demokratie eben nicht zu verwirklichen“, sagte Hoffmann.

Die Vortragsreihe „Verwalten, verzweifeln oder gestalten? Sachzwänge und Denkzwänge und die Arbeit am ‚großen Versprechen’ (Max Frisch)“  wird im nächsten Jahr fortgesetzt. In der Regel einmal im Monat werden vor allem Fachleute aus der Verwaltung, von Verbänden und Initiativen, aus dem politischen Raum und der Wissenschaft in öffentlichen Veranstaltungen vortragen und sich in anschließenden Gesprächsrunden den Fragen der Teilnehmenden stellen.

 

Cathleen Bürgelt