Es muss darum gehen, sich in den Geschichten und Kämpfen der Anderen zu verorten, und die eigene Geschichte für die Geschichten anderer zu öffnen» (Hannah Peaceman, 2021)
Nach einer längeren Pause kehrt die erst 2017 gegründete JALTAwieder zurück, und erscheint nun - unregelmässig - als Buchreihe. Der erste Band ist unter dem Titel Nachhalle soeben veröffentlicht worden (Inhaltsverzeichnis und Vorwort siehe PDF unten).
Seit Jahrzehnten zeigt sich in Deutschland die kollektive Unfähigkeit, die Kontinuität und Gegenwärtigkeit rechter und nazistischer Ideologien und Gewalt wahrzunehmen und dagegen zu handeln. Eine psychologisierende Medienberichterstattung, die Verharmlosung von Antisemitismus, Rassismus und Misogynie sowie das Beharren auf der These des (immer männlichen) «Einzeltäters» prägen den gesellschaftliche, medialen und juristischen Umgang damit.
Die rassistischen und antisemitischen Mode von Halle 2019 und Hanau 2020 hatten weitreichende Folgen: In erster Linie für die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer, in zweiter Linie für die jüdischen und migrantischen Communities. Vor diesem Hintergrund hat diese Ausgabe zwei Schwerpunkte: Zum einem die Kontinuität rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt seit den 1980er Jahren aufzuzeigen, hierzu ist der Aufsatz von Heike Kleffnerbesonders beeindruckend (S. 14-47). Zweitens, ausgehend von dem Anschlag von Halle, nach Gegenstrategien zu fragen und nach den dafür notwendigen politischen Bündnissen. In den Texten, die diesen Kapiteln zugeordnet sind, werden zum Beispiel die Mühen der konkreten Prozessbegleitung beschrieben, oder die Folgen des Anschlags auf den Alltag von jüdischen Familien.
Alle 14 Texte sind lesenswert, gerade die zu den Problemen von Solidarität und den Unterschieden von Bündnissen und Allianzen. Sie zeigen, dass diese nicht ohne Konflikte, Zweifel und Widersprüchlichkeit zu haben und zu leben sind. Bedingung dafür sind Empathie und die Bereitschaft zuzuhören, und der Wille und die Fähigkeit (sich) zu organisieren, ohne zu homogenisieren. Alles kollektive und vor allem individuelle Kompetenzen, die nach Jahrzehnten von Konkurrenz und Vereinzelung im Neoliberalismus immer wieder neu begründet und angeeignet werden müssen. Nachhalle gibt dazu wichtige Impulse, gerade in den persönlichen Texten.
Micha Brumlik / Marina Chernivsky / Max Czollek / Hannah Peaceman / Anna Schapiro / Lea Wohl von Haselberg (Hrsg.) Nachhalle. Jalta. Positionen zur jüdischen Gegenwart 08; Neofelis Verlag, Berlin 2023, 206 Seiten, 16 Euro
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