Gewalt und Diskriminierung sind tägliche Erfahrungen vieler trans* Personen weltweit. Wieweit trans* Leben in verschiedenen Ländern akzeptiert sind, spiegelt sich oft in Gesetzen wider: Gesetze, die regeln, ob und wie eine Person ihren rechtlichen Namen und Geschlechtsmarker ändern kann. Gesetze, die Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentitäten verbieten. Gesetze, die Elternschaft von trans* Personen anerkennen oder eben nicht. Sie alle können das Leben von trans* Personen erleichtern. Das Fehlen solcher gesetzlichen Absicherung kann trans* Personen das Leben auf vielfältigste Weise schwermachen.
Chris Neuffer interessiert sich für kritische trans* Politiken, queere Vergnügungsräume und linke Bündnisse in Zeiten der erstarkenden Globalen Rechten. They studiert Kulturwissenschaften, VWL und trans studies in Lüneburg, London und Berlin. They macht gerade ein Praktikum am Institut für Gesellschaftsanalyse.
In kapitalistischen Gesellschaften ist jedoch nicht allein die juristische Situation relevant. Oft entscheidet eher die Klassenpositionierung oder der Aufenthaltsstatus von Menschen darüber, ob sie bestehende rechtliche Absicherungen überhaupt in Anspruch nehmen oder gegen Verstöße klagen können. Dennoch ist der Kampf um soziale Rechte wichtig, auch weil wir aktuell in vielen Ländern deren Rückbau beobachten, z.B. in Teilen der USA wo dieser verheerende Folgen für trans* Personen aber auch Arbeiter*innen insgesamt hat. Vor dem Hintergrund der andauernden und teils zunehmenden Gewalt, die trans* Personen weltweit erleben, stellen sich praktische Fragen: An welchen Orten unterstützen Gesetze das (Über)Leben von trans* Personen? Wo fehlen diese? Wo ist das Leben von trans* Personen am meisten gefährdet? Im Folgenden werden drei Projekte vorgestellt, die dies Antworten auf diese Fragen anschaulich machen.
Die «Anti-Trans Legislative Risk Map» (Risikokarte für Anti-Trans-Gesetzgebung) wird monatlich von Erin Reed veröffentlicht. Sie vermittelt leicht verständlich und anschaulich, wie hoch in den verschiedenen US-Bundestaaten das Risiko für trans*feindliche Gesetzgebungen mit Blick auf die nächsten zwei Jahren ist. Insbesondere seit 2021 haben trans* und queer-feindliche Gesetze in den USA massiv zugenommen. Angesichts dieser politischen Lage sind viele trans* Personen und ihnen nahestehende Menschen verunsichert, wo sie sicher(er) leben können. Je nach gesellschaftlicher Positionierung (z.B. in Bezug auf Klasse, Race, sexuelle Orientierung) beeinflussen auch andere rechtliche Maßnahmen wie sicher sich trans* Personen fühlen können, bspw. rassistische Asylgesetze, fehlende politische Unterstützung bei Wohnungslosigkeit oder der gezielte Abbau von Zugang zu Gesundheitsversorgung.
Auf diese Fragen will die Karte eine Antwort zu geben, indem sie auf Basis von auf trans* bezogenen Gesetzen oder Gesetzesentwürfen, Anhörungen zu trans*feindlichen Politiken, politischen Wahlen, Einschätzung von Aktivist*innen oder Erklärungen von Gouverneur*innen die jeweilige Lage einschätzt und die US-amerikanischen Bundesstaaten einer von fünf Kategorien zuordnet. Das Spektrum reicht von den «schlimmsten aktiven trans*feindlichen Gesetzen» hin zu den «sichersten Bundesstaaten mit Schutzmaßnahmen». Dadurch, dass die Karte abschätzt, in welchen Bundesstaaten konservative Politiker*innen weitere anti-trans* Gesetze planen, eröffnet sie auch eine Perspektive auf die Zukunft und versucht diese für trans* Personen ein wenig sicherer zu machen.
Das Projekt «Trans Murder Monitoring» (Monitoring von Morden an trans* Personen) wurde von Transgender Europe (TGEU) und dem wissenschaftlichen Journal Liminalis initiiert. Es beobachtet und sammelt seit 2008 gemeldete Tötungsdelikte an trans* und gender-diversen Personen weltweit. Das Monitoring ist Teil des größeren Forschungsprojekts «Transrespect versus Transphobia Worldwide», das darauf abzielt, die tödliche Gewalt an trans* und gender-diversen Personen sichtbar zu machen. Die Daten werden durch Internet-Recherche, Kooperationen mit Partnerorganisationen sowie durch Beiträge von Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen zusammengetragen.
Die Datenerhebung ist jedoch alles andere als einfach: Die Autor*innen nehmen nur gemeldete Tötungsdelikte auf, die entweder online veröffentlicht wurden, oder von Partnerorganisationen und Einzelpersonen gemeldet wurden. Es werden keine Schätzungen miteinbezogen. Dabei sind sie mit sprachlichen Herausforderungen konfrontiert, etwa, weil es verschiedene Begriffe für gender-nonkonforme und gender-diverse Personen gibt, oder weil nicht alle ermordeten trans* und gender-diversen Personen als trans* und/oder gender-divers identifiziert werden. Trotz all dieser Schwierigkeiten zeichnen die Karten ein Bild der teils steigenden Gewalt. So haben beispielsweise Tötungsdelikte an trans* und gender-diversen Personen in einigen Ländern, wie Mexiko oder den USA, in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen.
Das Projekt «Trans Rights Map», ebenfalls von Transgender Europe (TGEU) ins Leben gerufen, visualisiert den rechtlichen Schutz von trans* Personen in 49 Ländern Europas und Zentralasiens. Für Europa werden die Daten seit 2014 gesammelt, seit 2019 schließt die Karte auch Zentralasien mit ein. Der Einordnung der Länder werden Daten aus unterschiedlichen Bereichen zugrunde gelegt: Rechtliche Anerkennung, Schutz von trans* Personen im Asylrecht, Hassrede und Hasskriminalität, Schutz vor Diskriminierung, Gesundheit und Familie. Aus diesen Bereichen werden insgesamt 30 verschiedene Indikatoren abgeleitet, mit deren Hilfe die rechtliche Absicherung von trans* Personen erfasst wird. Die aktuellste Karte eröffnet einen differenzierten Blick: Während in Spanien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island ein gewisses Spektrum an rechtlichem Schutz vorhanden ist, gibt es in Rumänien, der Türkei, Aserbaidschan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan nur wenig bis keine rechtliche Absicherung.
Alle drei Projekte leisten einen Beitrag zum besseren Verständnis der Lebenssituationen von trans* Personen weltweit. Sie zeigen auf, inwiefern ein Leben in Würde und Sicherheit für trans* Personen möglich sein kann – und wo es erschwert wird. Linke Allianzen müssen jetzt akut verhindern, dass trans* Rechte weiter abgebaut werden. Gleichzeitig müssen unsere politischen Strategien über die Strategien liberaler Anerkennungspolitik hinausgehen. Das bedeutet, mehr aus diesen Projekten abzuleiten als weitere Forderungen nach trans*sensiblen Gesetzen. Statt sich nur auf die juristische Arena zu fokussieren, sollte die gesellschaftliche Linke in Allianzen queere und trans* Kämpfe mit Kämpfen für Zugang zu Wohnraum, guter Gesundheitsversorgung und Schutz vor rassistischer Gewalt verbinden.