Nachricht | Geschlechterverhältnisse - Amerikas Der Kampf für die Rechte von entlohnten Hausarbeiter*innen

Ein feministisches Dilemma und Ideen zu seiner Überwindung

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Migrantische Hausarbeiter*innen demonstrieren in Madrid für bessere Arbeitsbedingungen.
Migrantische Hausarbeiter*innen demonstrieren in Madrid für bessere Arbeitsbedingungen. Weltweit handelt es sich bei als Hausangestellten beschäftigten Personen meist um Frauen, oft um rassifizierte, arme Frauen* aus dem globalen Süden. Foto: Ela Rabasco (Ela R que R)

Warum werden die Kämpfe von entlohnten Hausangestellten häufig nicht in die breiteren feministischen Kämpfe eingebettet? Warum beschränken sich gemeinsame Aktionen und Debatten in der Regel auf ganz bestimmte Termine oder sehr spezifische Aspekte der Forderungen?

In diesem Artikel soll erklärt werden, worin die Spannungen und Widersprüche zwischen den Bewegungen bestehen, geht es doch allen vorrangig um die gerechtere Organisation von Pflege und um mehr Rechte für alle. Der Fokus liegt vor allem auf Lateinamerika, aber auch auf den Erfahrungen von dort geborenen Hausangestellten, die aufgrund globaler Pflegeketten im globalen Norden leben und somit neben ihrer prekären Arbeitssituation auch einen migrantischen und rassifizierten Status haben. Es sollen aber nicht nur die Spannungen zwischen den Bewegungen verständlich gemacht werden, sondern auch positive Erfahrungen der Verzahnung zwischen dem Kampf der Hausangestellten und den Feminismen in verschiedenen Ländern aufgegriffen werden um zu zeigen, wie die Kämpfe bereits vereint werden konnten und welche Lehren daraus gezogen werden können.

In Lateinamerika und der Karibik arbeiten zwischen 11,5 und 18,6 Millionen Menschen in der entlohnten Hausarbeit,  davon 93 Prozent Frauen. Die Hausarbeit macht durchschnittlich zwischen 10,5 und 14,3 Prozent der Beschäftigung von Frauen in der Region aus, das heißt ein erheblicher Teil der erwerbstätigen, insbesondere der feminisierten Bevölkerung arbeitet unter prekären Bedingungen und ohne soziale Absicherung. Zugleich sind nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 17,2 % der als Hausangestellte beschäftigten Personen Migrant*innen, davon 73,4 % Frauen (UNO-ILO-ECLAC, 2020).

Diese Zahlen verdeutlichen die quantitative Bedeutung des Hausarbeitsektors für die Arbeit von Frauen bzw. für feminisierte und rassifizierte Arbeitnehmer*innen. Obwohl die Bedeutung des Sektors also zahlenmäßig unbestreitbar ist, hat dies nicht zu wesentlichen rechtlichen Verbesserungen für die Arbeitenden geführt. Das ILO-Übereinkommen 189  stellt zwar eine Errungenschaft in Bezug auf die weltweite Anerkennung von Rechten für den Sektor dar - angemessene Arbeitszeiten, bessere Beschäftigungsbedingungen und ein grundlegender Sozialschutz -, allerdings wurde das Übereinkommen nicht von allen Ländern ratifiziert. Und selbst dort, wo es ratifiziert wurde, hat dies nicht immer konkrete Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen mit sich gebracht. In der Praxis haben weltweit 90 Prozent der Arbeitnehmerinnen keine soziale Absicherung, 50 Prozent verdienen weniger als den Mindestlohn, und weitere 50 Prozent haben keinerlei Schutz vor längeren Arbeitszeiten. Ganz allgemein gilt: In Lateinamerika werden entlohnte Hausangestellte schlechter bezahlt als Frauen in anderen Berufsgruppen (Torres, 2023).

Abgesehen von dem hohen Anteil an informeller, unangemeldeter Hausarbeit erkennt die ILO an, dass der Beitrag der Hausarbeit zum Bruttosozialprodukt der lateinamerikanischen Länder zwischen 15 % und 24 % liegt. Die Bedeutung des Sektors für die Wirtschaft und die soziale Sicherung führt jedoch nicht zu einer Sichtbarkeit dieser Arbeitnehmerinnen in der Gesellschaft, was sie wiederum bei der Erkämpfung ihrer Rechte benachteiligt. Dies gilt auch für die Gewerkschaften und andere breitere soziale Bewegungen, in denen sie unter der politischen Vernachlässigung ihrer Forderungen leiden (Martínez Prado, 2014). Hinzu kommt das besondere Charakteristikum der Hausarbeit als Arbeit, die in privaten und isolierten Umgebungen stattfindet, mit einer Vielzahl von Arbeitgeber*innen, mit sehr unterschiedlichen Arbeitsregelungen und wenig Zeit, die den Arbeitnehmerinnen für Bildung, für die Pflege ihrer Gesundheit und der ihrer Familien oder für die kollektive Organisierung zur Verfügung steht.

Die Wertschätzung der Hausarbeit ist im Feminismus ambivalent

Hausangestellte spielen in vielen lateinamerikanischen Ländern in den Gewerkschaften und in den sozialen und basisdemokratischen Bewegungen eine Nebenrolle; ähnliches gilt auch für ihre Position innerhalb der Frauenbewegung bzw. der feministischen Bewegung, sogar für die sogenannten antikapitalistischen Feminismen. Während in den 1970er Jahren die Bedeutung der entlohnten Hausarbeit in den Vordergrund rückte (Pérez, 2015), hat sie unter den aktuellen feministischen Anliegen ihre zentrale Position eingebüßt. In diesem Jahrhundert ist es der feministischen Ökonomie zusammen mit anderen Disziplinen und unter dem Impuls der Lehren aus dem alltäglichen Kampf gelungen, Wissen und Forderungen in Bezug auf die Pflegearbeit zu positionieren, die Notwendigkeit der internationalen Streiks der Bewegung 8M zu untermauern und den eigenen Begriff der Arbeit neu zu definieren und zu erweitern. Gleichzeitig hat sie die Trennung zwischen reproduktiver und produktiver Arbeit aufgehoben, indem sie die neoklassische Vorstellung, dass die Produktion von Waren die Welt bewegt, in Frage stellte und offen legte, dass die Arbeit, die die soziale Reproduktion aufrechterhält, unterschätzt wird, schlecht oder gar nicht bezahlt und ungerecht verteilt ist. Vertreter*innen der feministischen Ökonomie zeigten, dass die klassenbedingte, rassistische und patriarchalische Ungleichverteilung des Pflegemanagements andere strukturelle Ungleichheiten aufrechterhält (Pérez Orozco, 2014). Obwohl die Feminismen einen Fokus auf die nicht anerkannte Pflegearbeit legen, stellen sie nur in bemerkenswerten Ausnahmen (von denen einige weiter unten genannt werden) die Forderungen von bezahlten Hausangestellten im gleichen Umfang in den Mittelpunkt der allgemeinen feministischen Forderungen. Darüber hinaus agieren feministische Organisationen und organisierte Hausangestellte mit wenigen, datumsbedingten Ausnahmen als zwei getrennte Subjekte, die sich der Problematik der Pflegearbeit aus unterschiedlichen und jeweils fragmentierten Blickwinkeln nähern. Diese Distanz verstärkt die schwache Position der Hausangestellten innerhalb der Gewerkschaftsorganisationen und untergräbt deren Möglichkeiten, Forderungen an den Staat und die Arbeitgeber*innen zu stellen.

Entlohnte Hausarbeit: Abschaffen oder Wertschätzen?

Doch was ist der Grund für diese mangelnde Kommunikation? Laut Martínez Prado (2014) liegt eine der Schwierigkeiten der mangelnden Verständigung zwischen Feministinnen und Hausangestellten in der ambivalenten Beziehung, die der Feminismus traditionell zur Wertschätzung der Hausarbeit hat. Dies ist nach Ansicht der Autorin auf den ungelösten Widerspruch zwischen der prinzipiellen Wertschätzung der Hausarbeit und dem gleichzeitigen Streben nach ihrer Abschaffung zurückzuführen. Für Martínez Prado besteht für die Feministinnen folgendes Dilemma: Wenn Hausangestellte im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen unterstützt werden aber dabei die Geschlechterverhältnisse, auf denen die Zuweisung dieser Arbeit an Frauen beruht, unangetastet bleiben, wird die männliche Vorherrschaft, die die Verteilung dieser Arbeit unter Frauen bestimmt, nicht in Frage gestellt. Wenn aber andererseits die Hausarbeit aufgrund der Unterdrückungsverhältnisse, die sie hervorbringt, angegriffen wird, wird letzten Endes die wichtigste Einkommensquelle weiblicher Arbeit in Lateinamerika angegriffen. Das wiederum könnte auch den Kampf für die Rechte von Tausenden von Migrant*innen außerhalb des Kontinents schwächen. Viele von ihnen haben gar keine andere Wahl, als in ihrem Zielland in Haushalten angestellt zu werden. So sichern sie ihr Überleben und kämpfen dann von dort aus um andere Rechte wie dem Recht auf Arbeit/Anerkennung und Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen.

Einige feministische Bewegungen weisen daraufhin, dass gerade die entlohnte Hausarbeit die Privilegien einiger Frauen – nämlich derjenigen, die für die Pflege bezahlen können - gegenüber anderen Frauen garantiert, die pflegen und selbst niemanden haben, der sie pflegt (Nancy Fraser in Gimeno, 2019). Dieses Dilemma lässt sich von der Verflechtung der Geschlechterbeziehungen mit denen von Klasse und Rasse nicht trennen (Falquet, 2022). In der Tat handelt es sich bei den Pflegenden meist um rassifizierte, arme Frauen* aus dem globalen Süden. Und in hohem Maße, wenn auch von Ort zu Ort unterschiedlich, sind es die besser gestellten Haushalte, die von der niedrig bezahlten Pflegearbeit profitieren. In diesem Zusammenhang argumentieren einige Autorinnen, dass entlohnte Hausarbeit keineswegs in erster Linie Frauen von ihren Tätigkeiten entbindet, sondern vielmehr die Frage der von Männern vernachlässigten Pflege in Familien und Gemeinschaften löst (Falquet, 2019). Allerdings ermöglicht diese abgewertete und schlecht bezahlte Arbeit die Vereinbarkeit von Aufgaben innerhalb der Familie und erlaubt es auch den Arbeitgeberinnen, außerhalb des Hauses Zeit zu haben, um zu arbeiten, sich um sich selbst zu kümmern und sich sozial und politisch zu organisieren. 

Beatriz Gimeno zufolge vertrat der liberale Feminismus des Nordens traditionell die Auffassung, dass aus feministischer Sicht «die Möglichkeit, jemanden für die Hausarbeit einzustellen, vielen Frauen erlaubt, sich von der doppelten Arbeitslast zu befreien, die sie daran hindert, mit den Männern im öffentlichen Bereich zu konkurrieren. Es wurde demnach argumentiert, dass es für Frauen im öffentlichen Bereich fast eine Notwendigkeit sei, eine Hausangestellte zu haben». Andererseits seien in den letzten Jahren, zumindest in Spanien, fast alle feministischen Strömungen der Ansicht, dass die entlohnte Hausarbeit sozial und wirtschaftlich aufgewertet werden müsse (Gimeno, 2013).

In diesem Sinne warnt Edith Espínola, dass es notwendig sei, die Frage der Privilegien aufzuwerfen, denn so wie die Arbeitsteilung derzeit aussieht, «ist es ein Privileg, betreut zu werden». Espínola ist Mitglied der Aktiven Hausangestelltenvereinigung (SEDOAC) in Spanien und versichert: «Als Feministinnen müssen wir uns dieser Reflexion stellen und die Folgen hinterfragen, die diese Privilegien für andere Frauen mit sich bringen (...). Manchmal arbeitet der Feminismus dafür, die gläserne Decke zu durchbrechen, aber wir Frauen sind diejenigen, die das zerbrochene Glas aufheben und uns selbst dabei schneiden. Wenn ich Privilegien besitze, muss ich sie überprüfen und denjenigen helfen, die keine haben. Es gibt viel zu tun, und wir müssen uns die Hände reichen» (Ameco Press, 2020).

Bezahlte Betreuungsarbeit kann also einige privilegiertere Frauen von ihrer Last befreien oder zumindest eine Harmonisierung des Familienlebens ermöglichen, während die Aufgaben auf arme Frauen mit doppelten und dreifachen Arbeitszeiten ausgeladen werden: Bei den Hausangestellten kommt zur  täglichen Lohnarbeit die Arbeit im eigenen Haushalt und die Arbeit, die mit der gewerkschaftlichen bzw. kommunalen Organisierung zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen verbunden ist. Und diese genderinterne Arbeitsteilung könnte die Positionen eines Teils der Feminismen in Bezug auf die entlohnte Hausarbeit beeinflussen.

Der globale feministische Streik als Schnittstelle aller Bewegungen

Die jüngsten Berichterstattungen und Schriften zahlreicher Autorinnen und Aktivistinnen setzen sich zwar mit diesem Dilemma auseinander, sie sind aber alle in der Zeit vor den 2017 weltweit begonnenen feministischen Streiks entstanden. Wir stellen die These auf, dass diese Streiks als Prozesse der  Verzahnung von feministischen Gruppen und Arbeiterinnenorganisationen in der Praxis auch konzeptionelle Positionen zwischen Feminismen und Hausangestellten in Bezug auf die Erweiterung des Arbeitsbegriffs und die Sorge um die Nachhaltigkeit des Lebens nähergebracht haben. Gerade in den letzten Jahren können wir einige Erfahrungen der Verbindung nicht nur von konkreten Kämpfen, sondern auch von konzeptionellen Ausarbeitungen erkennen. Der globale feministische Streik erscheint wiederholt als ein wichtiger Bezugspunkt für diese Schnittstelle.

So spielten in vielen Ländern die Organisationen und Gewerkschaften von Hausangestellten die Hauptrolle bei der Ausrufung feministischer Streiks für den 8. März, bei denen es in erster Linie darum ging, die vielfachen Pflegearbeiten, die Frauen* leisten,  sichtbar zu machen und einzustellen. In Chile zum Beispiel waren die Protagonistinnen des Aufrufs zum feministischen Streik 2019 Hausangestellte, die als Teil eines Gewerkschaftskomitees innerhalb der feministischen Bewegung kreative Formen der Demonstration entwickelten, indem sie Schürzen an die Tür ihres Arbeitsplatzes hängten, wenn sie nicht streiken konnten. In Argentinien haben sich Hausangestellte in verschiedenen Provinzen in sektorübergreifenden Bündnissen zusammengeschlossen, um den Streik zu organisieren, ungeachtet der tatsächlichen Machbarkeit, an diesem Tag nicht zur Arbeit zu gehen und massiv zu mobilisieren. Ähnliches ist mit einigen feministischen Vorschlägen für die soziale Neuorganisation der Pflege geschehen, bei denen entlohnte Haus- und Pflegearbeit neben unentlohnter Arbeit als wirtschaftlich und sozial miteinander verknüpfte Räume erscheinen. Gerade in der Zusammenführung von Forderungskämpfen und politischen Kämpfen scheint ein fruchtbarer Weg zur Einheit zu liegen.

Gemeinsam gegen staatliche Kürzungen, Mächtige und das Patriarchat

Solche sektorübergreifenden Bündnisse für den gemeinsamen Aufruf zum Streik zu schaffen, ermöglicht es auch, kurzfristige Forderungen zu stellen und  gemeinsame Horizonte zu finden, die in der Projektion der erwünschten Gesellschaft verschmelzen. Hinzu kommt die Konstruktion gemeinsamer Gesprächspartner und Gegenspieler: staatliche Kürzungen, Mächtige, Männer und Patriarchat. Gleichzeitig bricht der Prozess der Massifizierung der Feminismen, zu dem der Streik beiträgt, Identitätsgrenzen auf; mit dem Voranschreiten der Kämpfe werden die Grenzen zwischen Arbeiterinnen-, Feministinnen- und Migrantinnen-Dasein durchbrochen und die sozialen Beziehungen werden in ihrer tatsächlichen Verflechtung offengelegt.

Rafaela Pimentel, Mitglied von Territorio Doméstico, einer in Madrid ansässigen Organisation von mehrheitlich migrantischen lateinamerikanischen Hausangestellten, erklärt diese Verflechtung: Es gibt keine Grenze zwischen dem Dasein als Hausangestellte, als Migrantin, als Rassifizierte und als Feministin. Für Rafaela ist der Kampf für die Rechte der Hausangestellten untrennbar mit dem Projekt einer allgemeinen Neuorganisation der Pflegearbeit verbunden. Mit ihren Worten:

«Wir kämpfen nicht nur für die Arbeitsrechte von Hausangestellten, wir streben auch nach einer sozialen Neuorganisation der Pflegearbeit. Wir verlangen ein kommunales Pflegesystem. Wir wollen nicht, dass dieses System weiterhin von uns armen, migrantischen Hausangestellten und insbesondere von Frauen getragen wird, die wir die entlohnte oder unentlohnte häusliche Pflege leisten» (Capire, 2022).

Die Hausangestellten waren nicht nur aktiv an der Organisation feministischer Streiks in Madrid beteiligt, sondern es gelang ihnen laut Pimentel auch, den Kampf für die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 189 in Spanien in die zentralen Forderungen der Feministinnen und der lateinamerikanischen Migrant*innensektoren einzubinden, was ihrer Meinung nach die Erreichung dieses Ziels bis Mitte 2022 möglich machte. Bei dieser Erfahrung definieren sich die Hausangestellten selbst als feministische Bezugspersonen, und diese Rolle wird ihnen auch von den übrigen feministischen Aktivistinnen zugewiesen, die sie als Sprecherinnen in verschiedenen Kämpfen, nicht nur im häuslichen Sektor, auswählen. In diesem speziellen Fall ist die Vereinbarung kurzfristiger Forderungen, die mit Rechten verbunden sind, und langfristiger Forderungen, wie die Änderung der kapitalistischen, patriarchalischen und rassistischen Organisation und Verteilung der Pflege, eine Strategie, um ein gemeinsames Kampfsubjekt zu definieren. In anderen Erfahrungen wie dem bereits erwähnten Gewerkschaftskomitee des 8. März in Chile, das Hausangestellte und Feministinnen zusammenbringt, und dem Netzwerk der Hausangestellten in Honduras erscheinen ebenfalls Bemühungen, kurz- und langfristige Forderungen zu verbinden[1] und die Verteilung der Pflege in Frage zu stellen. In diesem von verschiedenen lateinamerikanischen Hausangestelltenorganisationen erstellten Material ist der Aufruf zu einem Streik am 8. März 2023 zu sehen. Diese Politisierung der Kämpfe für die Rechte und ihre Verknüpfung mit einem Horizont antikapitalistischer und feministischer Pflegeorganisation ist für die Überwindung der Fragmentierung unerlässlich.

Warum ist es also für die Feminismen so wichtig, sich mit entlohnter Hausarbeit zu befassen? Zum einen, weil es sich um eine der wichtigsten Erwerbstätigkeiten für Frauen* in der Welt und die wichtigste in Lateinamerika handelt. Zum anderen, weil der Kampf für die Rechte von Hausangestellten uns die Abwertung von Haus- und Pflegearbeit hinterfragen und ihren wirtschaftlichen Beitrag zur Gesellschaft sichtbar machen lässt. Gleichzeitig ist es aus feministischer Perspektive wichtig, die rassistische und patriarchalische Verteilung von entlohnter und unentlohnter Pflegearbeit in Frage zu stellen und über Strategien für ihre Vergesellschaftung nachzudenken. Dabei geht es nicht nur um ihre geschlechtsmäßige Neuorganisation, sondern auch um ihre  Verteilung in der Welt. Eine feministische Perspektive auf die Pflegearbeit ist unabdingbar, so dass es nicht der Markt ist, der bestimmt, wer Pflege leisten soll und wer und unter welchen Bedingungen Pflege erhalten darf. Vorschläge wie die Kommunalisierung der entlohnten Hausarbeit oder die Forderung nach umfassenden feministischen Pflegesystemen können ausschlaggebend sein, um den Kampf um Rechte mit der Organisation von Städten, in denen das Leben im Mittelpunkt steht, zu verbinden.

Schließlich ist ein antikapitalistischer und antirassistischer Feminismus nur möglich, wenn er den Kampf aller Arbeiter*innen, einschließlich der prekärsten unter ihnen, an zentraler Stelle einbezieht. Gemeinsame Kämpfe können auch die Hausangestellten in ihren Positionen innerhalb der Gewerkschaften und gemischten Bewegungen stärken und gleichzeitig linke Feminismen aufbauen, in denen alle eine Hauptrolle spielen. Erfreulicherweise hat die Bewegung in den letzten Jahren im Zuge des Streiks wichtige Errungenschaften bei dieser Annäherung erzielt. Zum einen geht es darum, sektorübergreifende Bündnisse zu schaffen, in denen der Dialog und die politische Ausbildung den Aufbau von ganzheitlichen Kampfsubjekten ermöglichen. Zum anderen, und als Folge dieser Verzahnung, ist es möglich, strategische Perspektiven zu entwickeln, die die konkreten Forderungen nach Arbeitsrechten mit der notwendigen Neuorganisation der Pflegearbeit feministisch verknüpfen. Und auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur globalen, ist es dringend notwendig, Projekte zur Aufwertung, Vergesellschaftung und Umverteilung der Pflegearbeit zu entwickeln. Damit die Pflege diejenigen erreicht, die sie benötigen, wobei die Veränderung des Lebens der Arbeitnehmerinnen, die sie leisten, im Mittelpunkt zu stehen hat.


[1] Zuammen mit anderen Erfahrungen aus Paraguay, Argentinien und Deutschland fließen die erwähnten Erfahrungen derzeit in ein laufendes Projekt für die Stärkung des Sektors mit den feministischen Aktivismen zusammen, das vom Programm Internationalistische Feminismen der Rosa-Luxemburg-Stiftung entwickelt wurde.