Der Rätekommunismus fasziniert noch immer. Vom 8. bis 10. November findet gar eine große Tagung in Berlin mit dem Titel Europa den Rätestatt – gutes Timing also für die vorliegende Publikation. Schon in den letzten Jahren sind verschiedene Studien zum Thema erschienen, allesamt lesenswert. Felix Klopotek ist dabei mit zwei Bänden hervorgetreten: 2021 erschien Rätekommunismus. Geschichte – Theorie [1], 2022 veröffentlichte er die Werksbiografie zu Heinz Langerhans.[2] Und nun gehört er zum Herausgeberkreis des Biografischen Lexikons des deutschen Rätekommunismus 1920-1960, das 618 Eintragungen enthält und auf die Online-Sammlung von Philippe Bourrinet zurückgeht.[3] Bourrinet ist Autor der 2016 erschienenen Studie The Dutch and German Communist Left (1900–68)[4], das Lexikon versteht er als Ergänzung zu seinem Buch.
Das Lexikon ist eine Fundgrube und eine Bereicherung der genannten Titel zum Thema. Es empfiehlt sich, das Buch bei der Lektüre neben sich liegen zu haben. Die einzelnen Beiträge variieren stark in ihrer Länge, den vorhandenen Grunddaten und inhaltlichen Ausführungen. Manchmal ist auch nur ein Name vorhanden, vielfach sind die Lebensdaten unsicher oder schlicht nicht bekannt. Die Herausgeber rufen dazu auf, an der Weiterentwicklung und der Schließung der Lücken mitzuwirken. Unverständlich ist, warum der Politiker Otto Rühle (1874-1943) fehlt, gehörte er doch zu den Mitbegründern der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands und war Mitglied der Allgemeinen Arbeiter-Union – Einheitsorganisation.
Das Vorwort der Herausgeber fasst den Rätekommunismus und seine Geschichte trefflich auf etwas mehr als vier Seiten zusammen. Der Band schafft es, die vielen, dem Rätekommunismus verbundenen Menschen dem Vergessen zu entreißen und ermöglicht es, die Reichhaltigkeit in all ihren Höhen und Tiefen der Bewegung anhand konkreter Personen nachzuvollziehen. Deutlich wird die übergroße Zahl an Männern. Der Rätekommunismus war eine männerdominierte Bewegung, Fragen der Geschlechterverhältnisse und -gerechtigkeit stellten sich nicht. Dies ist neben der schwachen Antisemitismusanalyse seine große Schwäche.
Leseempfehlung für alle, die sich mit der Geschichte radikalen Linken auseinandersetzen wollen.
Biografisches Lexikon des deutschen Rätekommunismus 1920-1960, Verlag Die Buchmacherei, Berlin 2023, 300 Seiten, 18,00 Euro
[1] Siehe die Besprechungvom 14. Mai 2021.
[2] Siehe die Besprechungvom 15. März 2022.
[4] Philippe Bourrinet: The Dutch and German Communist Left (1900–68). ‘Neither Lenin nor Trotsky nor Stalin!’ - ‘All Workers Must Think for Themselves!’, Brill, Leiden 2016 (Historical Materialism Book Series, Band 125).
Hinweis: In der ersten Auflage von 2023 fehlten mehrere Akteure und Politiker wie Otto Rühle(1874-1943), der zu den Mitbegründern der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands und war Mitglied der Allgemeinen Arbeiter-Union – Einheitsorganisation gehörte. Die nun rasch erschienene zweite erweiterte Auflage hat diesen Mangel behoben, siehe auch die Websitedes Verlages.