Interview | Rassismus / Neonazismus Parallelen zur Wannseekonferenz

Interview mit Jan Korte zu den Recherchen von Correctiv e.V. und einer Auseinandersetzung mit Martin Sellner

Jan Korte Foto: Olaf Krostitz

Jan, du hast auf der Plattform X (vormals Twitter) den ehemaligen Vorsitzenden der Identitären Bewegung Österreich und «Referenten» auf dem Treffen rechter Akteur*innen zum Thema «Remigration» in Potsdam einen «Eichmann-Imitator» genannt. Adolf Eichmann leitete das Referat IV D 4 und war damit für die Organisation der Deportation und systematischen Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Deutschland zuständig. Wie bist Du auf diese Bezeichnung gekommen?

Jan Korte, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mitglied der parlamentarischen Gruppe Die Linke im Deutschen Bundestag.

Zwischen der Zusammenkunft von Martin Sellner und weiteren Personen im Gästehaus Adlon in Potsdam und der Wannsee-Konferenz gibt es gleich mehrere augenfällige Parallelen, die nicht nur von mir, sondern auch in diversen Medien vielfach bemerkt wurden. Zum einen ist da die räumliche Nähe und das Setting in einer Villa an einem See im Umfeld von Berlin, zum anderen der inhaltliche Fokus auf die Entfernung von Menschen einer bestimmten Herkunft oder Abstammung aus dem deutschen Staatsgebiet. In diesem Kontext habe ich Martin Sellner einen «Eichmann-Imitator» genannt.

Martin Sellner hat Klage dagegen erhoben? Was wirft er dir vor?

Es gibt keine Klage, sondern die Forderung einer Unterlassungserklärung und einer Löschung meines Tweets. Ich habe das abgelehnt. Wir werden sehen, ob es zu einer Klage kommt. Sellner ist mit den von mir und anderen aufgezeigten Parallelen seines Treffens zur Wannsee-Konferenz, an der Adolf Eichmann teilgenommen hat, nicht einverstanden. Nur lassen sich die schwer von der Hand weisen. Ich sehe einer möglichen Klage also gelassen entgegen.

Jan, du bist auch Historiker. Warum findest du es wichtig, über das Treffen in Potsdam, woran die AfD maßgeblich beteiligt war, zu sprechen. Wie hoch schätzt du die Brisanz ein?

An der Konferenz haben ja nicht nur AfD-Leute, sondern auch CDU-Mitglieder teilgenommen, zum Beispiel auch der Besitzer des Konferenzortes Landhaus Adlon, der Mitglied im Kreisvorstand der CDU Potsdam ist. Als Historiker schrillen bei der Zusammenarbeit von Neonazis und Konservativen natürlich die Alarmglocken, erst recht in einer politischen Stimmung im Land, die der extremen Rechten in die Hände spielt. Die Gefahr von rechts ist real und es ist gut, dass das Potsdamer Treffen hunderttausende Menschen motiviert hat, auf diese Gefahr hinzuweisen und auf die Straße zu gehen.

Es reicht aber nicht, nur die AfD in den Fokus zu nehmen: Für die gesellschaftliche und politische Normverschiebung, für die Entmenschlichung von Migrantinnen und Migranten haben bürgerliche Parteien gesorgt, zuletzt auch die Grünen mit ihrer Zustimmung zu Haftlagern an den EU-Außengrenzen. Diese AfD-Politik-light muss aufhören. Und vor allem muss die Ampel ihren zerstörerischen Sparkurs beenden, der die Gesellschaft kaputt macht und der AfD direkt in die Hände spielt.