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Viele Mieter*innen sind von immensen Nachzahlungen betroffen und fordern eine Regulierung der Wärmepreise

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Knut Unger,

Demo gegen VONOVIA und Co. im April 2022 in Bochum
Demo gegen VONOVIA und Co. im April 2022 in Bochum Foto: IMAGO / Funke Foto Services / Klaus Pollkläsener

Der Wohnungskonzern Vonovia SE forderte in den vergangenen Wintern Heizkostennachzahlungen in Höhe von bis zu mehreren tausend Euro. In einigen Wohngebieten haben sich die betroffenen Mieter*innen zusammengeschlossen. Gemeinsam verlangen sie die Einsichtnahme in die vollständigen Belege und halten die Nachzahlungen zurück. Bundesweit fordern sie von Vonovia den Verzicht auf die hohen Nachforderungen und von Politiker*innen eine schärfere Regulierung der Wärmepreise. Erste Teilerfolge haben sie erzielt. Was sind die Gründe für die Kostenexplosion? Wie kann sie kurfristig und auf Dauer abgewehrt werden?

Knut Unger ist hauptamtlich Mitarbeiter des MieterInnenvereins Witten u. Umg. e.V. Er ist zudem bei der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen und dem bundesweiten MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. aktiv.

Als die Bottroper Mieterin Marina Scharnowski Ende März 2023 einen Brief ihrer der Vonovia öffnete, traute sie ihren Augen nicht: Sie sollte fast 1.400 Euro nachzahlen. Die jährlichen Heizkosten, die in den vorangegangenen Jahren immer bei etwa 500 Euro lagen, sollten auf einmal auf 2.742,84 Euro gestiegen sein. Bis heute versteht niemand in der Nachbarschaft, wie es zu dieser Kostenexplosion kommen konnte.

Marina Scharnowski organisierte sich gemeinsam mit ihren Nachbar*innen. Sie protestierten in der Öffentlichkeit, verlangten die vollständigen Belege, behielten die Nachforderungen zurück, forderten ihre Streichung und luden Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Aktionärsversammlung dazu ein, mit den Mieter*innen und der Stadt eine dauerhaft bezahlbare Lösung für die Wärmeversorgung zu erarbeiten. Er kam nicht. Im Sommer 2023 jedoch zog Vonovia die hohen Nachforderungen zurück und verlangte nur noch kleinere Restbeträge. Aus «Kulanz», so der Wohnungskonzern, verzichte er in dem Bottroper Wohnviertel auf 267.000 Euro. Die Mieter*innen glauben nicht an «Kulanz». Und sie befürchten mit der nächsten Abrechnung einen neuen Kostenschock.

Mit ihrer Wut und ihren Befürchtungen sind sie nicht allein. Aus zwei Vonovia-Wohngebieten in Stuttgart wurden Heizkostennachforderungen in Höhe von bis zu über 4.000 Euro bekannt. Im September 2023 erhielten Mieter*innen in Berlin-Wedding und später auch in Berlin-Tempelhof Nachforderungen von bis zu 6.000 Euro. In Berlin-Mariendorf-Ost forderte Vonovia kurz vor Weihnachten sogar bis zu mehr als 8.000 Euro. In Göttingen-Grone, hier ist die LEG Immobilien SE die Vermieterin, lagen die Forderungen noch höher. All diese Fälle haben vier Gemeinsamkeiten:

Erstens, das «Wärme-Contracting». Vermieter*innen übertragen ihre Heizzentralen an Dritte, etwa an die Unternehmen Techem, Vattenfall oder G+D. Diese so genannten gewerblichen Wärmelieferanten wollen damit natürlich Gewinne erzielen.

Zweitens, mathematische Preisklauseln. Die gewerblichen Wärmelieferanten verlangen für die mit Gas erzeugte Wärme Preise, die nicht, wie bei der klassischen Zentralheizung, auf tatsächlichen Brennstoffkosten beruhen, sondern auf vertraglich vereinbarten Preisklauseln mit automatischem Anpassungsmechanismus.

Drittens, die Börsenpreisorientierung. Die Formeln für die Arbeitspreise der Wärme enthalten in allen bekannt gewordenen Fällen Bindungen an Preisindexe der Leipziger Gasbörse EEX. Diese waren in den Jahren 2021 und 2022 um ein Mehrfaches stärker gestiegen als die durchschnittlichen Gaspreise der Endverbraucher.

Viertens, der Widerstand der Mieter*innen. In den aufgeführten Wohngebieten (und einigen mehr) haben sich in kurzer Zeit Nachbarschaftsgruppen gebildet, die gemeinsam die Einsichtnahme in sämtliche Belege fordern und bis dahin die hohen Nachforderungen und die Erhöhungen der Vorauszahlungen zurückbehalten.

Das sind keine rein juristischen Auseinandersetzungen. Die Mieter*innen haben Offene Briefe mit Forderungen an Vonovia verfasst. Sie haben Presseaktionen und Kundgebungen organisiert und von Bundestagesabgeordneten Stellungnahmen zu ihren Forderungen erfragt. Die betroffenen Nachbarschaftsgruppen und Mieterorganisationen stimmen sich bundesweit ab. Im Wahlkampf zur Berliner Wiederholungswahl Anfang Februar 2023 nahmen Politiker*innen das Thema auf und überboten sich darin, Änderungen am intransparenten System der Wärmepreise zu versprechen.

Faktoren der Heizkostenexplosion

Die Vermieterseite hat ein ökonomisches Interesse daran, die Kosten des Heizungsbetriebs auf die Mieter*innen abzuwälzen. Ob dabei alles mit rechten Dingen zugeht, können die Mieter*innen durch Einsichtnahme in die Kosten-Belege überprüfen. Solange ihnen diese Einsicht nicht gewährt wird, können sie die Nachforderungen zurückbehalten. So weit, so klar. Doch im Fall der Wärmelieferung bei Vonovia kommen mehrere Faktoren hinzu, die die grundsätzliche Interessendifferenz zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen verschärfen und besonders komplex machen.

Die Energieversorger wollen mit dem Verkauf von Energie einen möglichst hohen und sicheren Gewinn einfahren. Deren Kund*innen sind an einer sicheren, günstigen und preisstabilen Versorgung interessiert. Bei der Gas- und Stromversorgung soll der Markt diesen Interessenkonflikt lösen. Wem der Preis nicht passt, kann auf andere Anbieter wechseln. Um das zu ermöglichen, wurden Netz und Energieträger mühsam getrennt. Doch bei der Wärmelieferung über räumlich beschränkte, oft von einzelnen Heizzentralen belieferte Netze funktioniert das nicht. Denn hier ist der Versorger gleichzeitig Betreiber des Netzes und Energieträgerlieferant. Es bestehen «natürliche» Monopole.

Die Folgen tragen alle Verbraucher*innen, egal ob es Haushalte sind, die mit den Versorgern direkt Verträge abschließen müssen, oder Vermieter*innen, die die Wärme an ihre Mieter*innen weiterleiten und dafür die Kosten berechnen. Im letzten Fall treten die Vermieter*innen als weitere Instanz zwischen Wärmeversorger und Endverbraucher. Die Mieter*innen können zwar den Beleg über die tatsächlichen Kosten des Vermieters verlangen, nicht aber über die Kosten des Wärmelieferanten. Scheinbar machtlos stehen sie gleich drei Parteien mit gegenläufigen Interessen gegenüber: den Vermieter*innen, dem Wärmemonopolisten und dem Lieferanten der meist fossilen Primärenergie.

Große Wohnungskonzerne wie Vonovia haben außerdem die Möglichkeit, sich selbst in Energie- und Wärmelieferanten zu verwandeln (Insourcing) und so zusätzlich zu den Mieteinnahmen Energiegewinne zu erzielen. Aber auch durch Auslagerung selbst betriebener Heizungsanlagen (Outsourcing) können sie ihre Kosten senken. Der Interessengegensatz zwischen Vermieter- und Mieterseite ist, ähnlich wie der zwischen Belegschaften und Kapital, hier nicht individuell oder zufällig, er ist systematisch und innerhalb der bestehenden Eigentumsverhältnisse unaufhebbar.

Insourcing: Wenn der Vermieter gleichzeitig Energielieferant ist

Um die Einkommen nicht nur mittels der Miete, sondern auch mit Hilfe der Nebenkosten abzuschöpfen, bedienen sich Konzerne wie Vonovia oder LEG eines systematischen Tricks: Anstatt Dienstleistungen oder Energie am Markt zu Verbraucherpreisen anzukaufen, gründen sie eigene Tochterunternehmen, die günstig zu Großhandelspreisen einkaufen. Innerhalb des Konzerns werden deren Leistungen dann zu von der Konzernspitze festgelegten Preisen abgerechnet. Diese Rechnungen werden den Mieter*innen als Belege für die umgelegten Betriebskosten präsentiert. Vonovia und LEG nennen den entsprechenden Geschäftsbereich «Value Add». In ihren Geschäftsberichten rechnen sie den Anleger*innen vor, welche Überschüsse sie in diesem Segment erwirtschaftet haben: 115 Millionen Euro bei Vonovia und 50 Millionen Euro bei LEG, jeweils allein im Jahr 2022. Darin enthalten sind auch Gewinne aus dem Wärmegeschäft, die in der Logik des Mietrechts nicht vorgesehen sind.

In Witten (Ruhrgebiet) beliefert sich Vonovia selbst mit Gas, in diesem Fall über die 100-prozentige Tochtergesellschaft Vonovia Energie Service GmbH. Diese kann im großen Stil Gas zu Preisen einkaufen, die nicht über den durchschnittlichen Einkaufspreisen der übrigen Wohnungswirtschaft liegen dürften. Konzernintern aber berechnet sie den Vonovia-Vermietungsfirmen Preise, die oft noch über den Verbraucherpreisen der lokalen Grundversorger liegen. Der Vermietungskonzern ist zugleich sein eigener Energiekonzern. Markt findet nicht statt, Transparenz auch nicht.

Vonovia behauptet, die Energietochter sei rechtlich eigenständig. Sie müsse deshalb die tatsächlichen Kosten der Energie nicht offenlegen. Im Aktiengesetz, Paragraph 15ff., steht es anders.[1] Nach Ansicht von Mietrecht-Expert*innen sind Vonovia & Co. mit allen ihren Töchtern als einheitliche Vermieter zu betrachten.[2] Bei ihren selbstgeschriebenen Rechnungen handelt es sich demnach um unzulässige Eigenbelege. Die Konzerne sind verpflichtet, ihre tatsächlichen Kosten offen zu legen. Doch Vonovia & Co. weigern sich hartnäckig.

Outsourcing: Auslagerung der Heizungsanlage durch Wärme-Contracting

Aber auch das Gegenteil von Insourcing, das Outsourcing, dient den Konzernen zur Renditesteigerung. Dabei wird die bis dahin vom Vermietenden selbst betriebenen Heizung an Dritte ausgelagert. Dieses auch «Wärme-Contracting» genannte Geschäftsmodell steht hinter den meisten extrem hohen Nachforderungen für die Jahre 2021 und 2022. Ohne die Grundmiete zu reduzieren, entledigen sich Eigentümer*innen auf diese Weise der Verantwortung und der Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und die Erneuerung der Heizungsanlage. Mit dem Contractor wird meist ein mindestens 10 Jahre geltender Vertrag vereinbart. Der vereinbarte Preis wird auf die Mieter*innen umgelegt. Weil beim Wärme-Contracting der Betrieb der Heizungsanlage ausgelagert, die Miete aber nicht gesenkt wird, macht der Vermieter in jedem Fall einen Gewinn.

Noch einen Schritt weiter geht die Renditeoptimierung, wenn der Betreiber der outgesourcten Heizungsanlage vom Vermieter wiederum «ingesourced» wird, sprich, die Vermieter*innen selbst Eigentümer*innen des Wärme-Contractors sind.

Das ist der Fall bei der G + D Gesellschaft für Energiemanagement, einem Joint Venture des finanzdominierten Wärmedienstleisters GETEC mit der Deutsche Wohnen, heute Vonovia. Mehrere der aktuell besonders hohen und umstrittenen Wärmeabrechnungen gehen auf das Konto dieser Firma. Der Vonovia-Anteil an G+D beträgt 49 Prozent. G+D hatte 2021 kein eigenes Personal, dient also im Wesentlichen nur der Gewinnverteilung. Der Bilanzgewinn belief sich 2021, also vor den 2023 ermöglichten Extragewinnen, auf 4,9 Millionen Euro.

Börsenorientierte Preisgleitklauseln

Das Wärme-Contracting allein erklärt aber nicht, warum die Kosten für die Jahre 2021 und 2022 in manchen Fällen so extrem gestiegen sind. Der Grund liegt in der Preiskalkulation.

Der Wärmepreis setzt sich, wie auch von Strom- oder Gasverträgen bekannt, aus einem Grundpreis für die Bereitstellung der Wärme und einem Arbeitspreis für den gemessenen Wärmeverbrauch zusammen. Der Wärmedienstleister sichert sich mit sogenannten Preisänderungsklauseln gegen steigende Kosten ab. Die Grundpreise koppeln sie zum Beispiel an den branchenspezifischen Lohnindex des statistischen Bundesamtes. Bei der Anpassung der Arbeitspreise wird häufig auf einen Index der Leipziger Gaspreisbörse Bezug genommen. Hier lag in den Jahren 2021 und 2022 der Kern des Problems.

Die durchschnittlichen kurzfristigen Großhandelspreise an der Börse stiegen in diesen Jahren um ein Mehrfaches der ohnehin stark erhöhten allgemeinen Energiepreise. Die folgende Abbildung zeigt, wie unterschiedlich sich die verschiedenen Preisindexe entwickelt haben: Der Index des statistischen Bundesamtes für Erzeugerpreise Gas bei gewerblichen Abnehmern stieg im Herbst/Winter 2022 gegenüber Januar 2021 um 160 %. Da war eine extrem starke Erhöhung. Sie wurde aber getoppt durch den Index für den monatliche Börsenpreis für Gas (EGIX). Der betrug bereits im Winter 2021 das Sechffache des Jahresanfangs und steigerte sich bis zum Spätsommer 2022 auf das Dreizehnfache. Auf diesen EGIX beziehen sich die Preisgleitklauseln von Techem, Vattenfall und G+D.

Eigene Zusammenstellung mit Daten des statistischen Bundesamtes und der EEX

Kein Wunder, dass die Heizkosten bei den Wärmeversorgern, die diese Klauseln verwenden, explodieren! Aber haben die Wärmeversorger tatsächlich so hohe Preise für das verheizte Gas bezahlt? Und falls nein: Ist es legal, dass sie trotzdem so viel Geld verlangen?

Rechtlich zweifelhafte Bereicherungsformeln

Die «Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme», die auch für die bekannten Vonovia-Contracting-Fälle gelten, bestimmen in Paragraph 24: «Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen.»

Diese Anforderungen lassen sich in das «Transparenzgebot» und die inhaltliche Angemessenheit der Preisanpassungsklauseln aufteilen. Letztere müssen neben einem «Marktelement», das sich zum Beispiel auf den Wärmepreisindex des statistischen Bundesamts bezieht, ein «Kostenelement» beinhalten. «Kostenelemente» in Fernwärmeverträgen, die rein auf einen Börsenpreis-Index abstellen, schätzt ein kürzlich von der Verbraucherzentrale beauftragtes Rechtsgutachten als unwirksam ein.

Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2011 die Bezugnahme auf einen Index erlaubt, der die Preisentwicklung des vorrangig verwendeten Brennstoffes abbildet (VIII ZR 339/10). Es muss dabei aber «sichergestellt sein, dass der in der Preisanpassungsklausel eingesetzte Bezugsfaktor sich im Wesentlichen - wenn auch mit gewissen Spielräumen - in gleicher Weise entwickelt wie die konkreten Energiebezugskosten des Versorgers». Der Grundsatz der Kostenorientierung ist, so der BGH drei Jahre später, «dann nicht mehr gewahrt, wenn sich die verwendete Preisanpassungsklausel nicht hinreichend an den kostenmäßigen Zusammenhängen ausrichtet» (VIII ZR 344/13, Rn. 24). Daraus schlussfolgert das bereits genannte Rechtsgutachten: «Es muss für jedes Abrechnungsjahr nachgewiesen werden und auch für jedes Abrechnungsjahr sicher sein, dass sich das Kostenelement genau so entwickelt, wie die tatsächlichen Einkaufskosten des Versorgers.»

In allen bekannt gewordenen Preisanpassungsklauseln bei Contracting-Verträgen bei Vonovia und LEG nimmt die Arbeitspreisklausel auf einen Börsenindex Bezug. Hier kann Vonovia von den Wärmeversorgern den Nachweis verlangen, dass sich im Abrechnungsjahr die tatsächlichen Kosten der Wärmeerzeugung in etwa so entwickelt haben wie der verwendete Index. Kann der Wärmeversorger dies nicht nachweisen, ist die Klausel unwirksam. Der Preis ist dann auf dann auf den Ausgangswert bei Vertragsabschluss zu senken.

Wärmeabrechnungen, deren Preise auf einer nicht wirksamen Klausel beruhen, müssen vom Vermieter nicht bezahlt werden. In der Folge kann der Vermieter die falschen Abrechnungsergebnisse auch nicht auf die Mieter*innen umlegen. Die Mieter*innen müssen eine Heizkostenabrechnung, die auf einer fehlerhaften Wärmerechnung beruht, nicht begleichen.

Da Vonovia über ein eigenes Energieversorgungsunternehmen verfügt, ist sie jederzeit in der Lage, Abweichungen der nach Gleitklausel ermittelten Preise von den Entwicklungen der üblichen Gasbeschaffungskosten zu bemerken und Auskünfte über die tatsächlichen Kosten zu verlangen. Tut sie das nicht und gibt sie die gestiegenen Wärmepreise ungeprüft weiter, verletzt sie schuldhaft oder fahrlässig ihre Vermieter-Verpflichtungen. Den dadurch geschädigten Mieter*innen steht dann ein Schadensersatz zu.

Wenn Vonovia & Co. und ihre Wärmelieferanten nicht rechtzeitig nachgeben und für vollständige Transparenz sorgen, wird die Mieterseite versuchen müssen, ihre Rechte durch erweiterte Zurückbehaltungen und Proteste sowie in gerichtlichen Prozessen durchzusetzen. Das wird den Ruf der Konzerne jahrelang beschädigen, zu kritischen Nachfragen von Anleger*innen führen und für Vonovia das Risiko hoher Schadenersatzforderungen mit sich bringen. Die Konzerne tun besser daran, gleich die Karten offenzulegen und ihre Heizkostenabrechnungen entsprechend zu korrigieren.

Gefahren für die soziale Wärmewende

Die klauselgestützten Horrorabrechnungen für die Jahre 2021 und 2022 abzuwehren ist für tausende Mieter*innen aktuell von großer Bedeutung. Im Abrechnungsjahr 2023 dürfte es dank Gas- und Wärmepreisdeckel vorübergehend weniger schlimm kommen. Danach brauen sich jedoch gewaltige neue Herausforderungen zusammen. Die CO2-Abgabe steigt. Früher oder später werden alle fossilen Heizungen durch Wärmepumpen, mit regenerativen Energien betriebene Wärme- oder auch Wasserstoffnetze ersetzt werden müssen. Für die angeschlagene finanzmarktdominierte Wohnungs- und Energiewirtschaft ist das eine große Herausforderung. Zugleich sucht sie längst nach Wegen, aus dem unvermeidlichen Wandel Geld zu machen.

Die neuen Technologien erfordern hohe Investitionen. Sind aber erst einmal geeignete Wärmenetze, Solarpaneele, Geothermie und Wärmepumpen installiert, sind die laufenden Kosten niedriger als die Beschaffung fossiler Brennstoffe. Das Geschäftsmodell der Contracting-Industrie könnte, ganz ähnlich dem Modell der finanzialisierten Wohnungswirtschaft, darin bestehen, die Finanzierungslücke mit geliehenem Kapital zu überbrücken und dafür langfristig hohe Gebühren zu kassieren. Erlaubt der Gesetzgeber weiterhin, die Wärmepreise an die spekulativen Höhenflüge der Fossilbörsen zu binden, kann das nur zu weiterem Missbrauch verleiten.

Gesetzgeberische Sofortmaßnahmen

Um den drohenden Missbrauch zu verhindern müsste bundesrechtlich klargestellt werden, dass Wärmepreise nie stärker steigen dürfen als die tatsächlichen Energiekosten der Versorger. Preisgleitklauseln sollten auf eine öffentlich einsehbare und von unabhängiger Stelle überwachte Liste beschränkt werden. Außerdem sollte geregelt werden, dass Mieter*innen direkt von gewerblichen Wärmelieferern Auskunft über die tatsächlichen Kosten des Versorgers verlangen können. Das kann durch eine einfach Ergänzung von § 556c BGB erreicht werden.

Um die Trickserei der Konzerne mit In-sich-Geschäften und konstruierten Rechnungen von deren Tochterunternehmen abzuschaffen, braucht es eine weitere gesetzliche Klarstellung. Die Konzerne sind mit allen ihren Grundstücksgesellschaften und Dienstleistern, an denen sie beherrschende Anteile besitzen, als einheitlich handelnde Vermieter zu behandeln. Dann können sie ihre Betriebskostenumlagen nicht mehr mit konstruierten Rechnungen von Tochterunternehmen begründen.

Für eine gemeinwohlverträgliche Wärmeordnung

Etwa 78 Prozent der Fernwärme wird in Deutschland aus fossilen Energieträgern gewonnen, so Veit Bürger vom Öko-Institut in einem Vortrag beim Deutschen Mieterbund am 7. März 2024. Der Rest basiert überwiegend auf ökologisch oft problematischer Nutzung von Biomasse. Der Anteil der Geothermie und Sonnenenergienutzung bei der Fernwärme ist sehr gering.

Für die erforderlichen Schaffung dekarbonisierter Wärmenetze werden Investoren und Betreiber benötigt. Die bestehenden renditeorientierten Versorger und Wohnungsunternehmen werden diese Aufgaben nur um den Preis hoher Subventionen und bzw. oder hoher Preise übernehmen. Dies wird zu erheblichen öffentlichen Belastungen, sozialer Ungerechtigkeit und riskanten Geschäftsmodellen führen. Unter diesen Bedingungen ist es in jeder Hinsicht rationaler, die klimagerechte Wärme- und Wohnungsversorgung als öffentliche Infrastrukturaufgabe zu organisieren.

Zentral dafür wäre die schnelle Schaffung eines Rechts- und Förderrahmens für gemeinnützige Wohnungs- und Wärmeversorgungsunternehmen. Dabei könnte es sich vor allem um kommunale Unternehmen, Genossenschaften, Stiftungen und Anstalten öffentlichen Rechts handeln, die ihr gesamtes Vermögen dauerhaft der Sicherung klimagerechter, bezahlbarer und sicherer Wohn- und Lebensverhältnisse widmen. Dieser gemeinnützige Sektor könnte weitgehend von Steuern befreit und bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel bevorzugt werden. Der erforderliche schnelle Schub würde sicherlich nur erreicht, wenn sowohl kommunal verbundene als auch große private Unternehmen gesetzlich zur gemeinnützigen Transformation veranlasst würden. Mit einer Gesetzgebung, die auch die Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetz ermöglicht, könnte dafür ein regulatorischer Rahmen geschaffen werden.

Zugleich sind aber vier weitere wesentlich Umbaumaßnahmen am bestehenden System erforderlich: Erstens die Verpflichtung aller Energieversorger und Immobilieneigentümer auf umfangreiche Transparenz; zweitens die Deckelung der Mieten und Wärmepreise unter Beachtung üblicher Kostenstrukturen; drittens eine verlässliche Planung zur gerechten Verteilung der unvermeidlich hohen Umbaukosten. Da es sich um die Sicherung von (zum Teil globalen) Gemeingütern geht, muss auch die Gemeinschaft, also der Steuerstaat, den wesentlichen Teil der notwendigen Kosten tragen. Und viertens muss generell damit Schluss sein, dass energetische Modernisierungen und Umstrukturierungen ohne jede Möglichkeit der Mitbestimmung aufgezwungen werden. Der Klimaschutz kann nur gewinnen, wenn es soziale Akteure gibt, die sich aktiv für den erforderlichen Wandel einsetzen. Wie wir gerade erleben, führt der entgegengesetzte Weg in eine extreme Akzeptanzkrise, die neben den Umweltzielen auch den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie gefährden.

Was Mieter*innen tun können

Bislang sind die Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen zwischen den finanzialisierten Energie- und Wohnungskonzernen und ihren Mieter*innen sehr ungleich verteilt. Das bundesweite MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. hat sich auf den Weg gemacht, das zu ändern. Es versucht, betroffene Mietergruppen zu motivieren, sich vor Ort und bundesweit zusammenzuschließen, um ihre Rechte kollektiv in die eigene Hand zu nehmen.

Wie die letzten Monate gezeigt haben, können die Mieter*innen durch die konsequente gemeinschaftliche Wahrnehmung ihrer Prüf- und Zurückbehaltungsrechte der Forderung nach Verzicht auf überhöhte Heizkosten öffentlichkeits- und rechtswirksam Nachdruck verleihen. Jetzt kommt es darauf an, diese kämpferischen Instrumente, rechtliche Schritte und den öffentlichen Druck so zu verstärken, dass Vonovia auf die horrenden Nachforderungen verzichtet, alle Abrechnungen um die nicht belegten Kostenbestandteile korrigiert und die tatsächlichen Kosten des Konzerns und der Versorger offenlegt. Das konsequente Vorgehen der Mieter*innen kann gleichzeitig dazu beitragen, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse so ändern, dass eine soziale und ökologisch sinnvolle Regulation der Wärmelieferung durchgesetzt werden kann.


[1] Zur dazugehörigen Rechtsprechung siehe Zehelein, ZfIR, 2022, 389, IV 2.2.

[2] Grimm/Bosse: Betriebskosten im Vermietungskonzern, WuM, 1/22, S.13 ff.