I. Worker participation on Boards: Round Table Konferenz der RLS in Dublin, 11.04.2013
Einmalig in der angelsächsischen Welt gibt es in Irland seit 1977 in ArbeitnehmervertreterInnen
in den Aufsichtsgremien größerer öffentlicher Unternehmen (Worker Directors on Boards), in
Teilen vergleichbar mit den Aufsichtsräten in Deutschland.
Mit finanzieller Unterstützung durch die RLS hat das Forschungsinstitut TASC (Think Tank for
Action on Social Change) eine Studie mit den praktischen Erfahrungen dieser Personengruppe
erstellt. Dieses Forschungsergebnis war Gegenstand einer Expertendiskussion mit irischen Wissenschaftlern
und Arbeitsdirektoren (Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsgremien).
Von deutscher Seite gehörten der Delegation an: Dr. Florian Weis (geschäftsführendes Vorstandsmitglied
der RLS), Dr. Sabine Reiner (stellvertretendes Vorsitzende des Vorstands der RLS),
Peeter Raane (Mitglied des Vorstands der RLS), Frank Siebens (Ver.di, Referat Betriebliche Mitbestimmung
/ Europäische Betriebsräte), Maik Hennig (Referat EU, OECD und UNO der RLS).
Die Expertenrunde kam zu dem Schluß, daß bei allen Interessenkonflikten, enttäuschten Erwartungen
und gesetzlichen Beschränkungen diese Arbeitnehmervertretung positiven Einfluß auf die
Entwicklung der Unternehmen und die Arbeitsplätze hat.
Die Sicherung und Ausdehnung auf den gesamten öffentlichen Bereich werden empfohlen. Außerdem
wurde betont, daß eine ständige Fortbildung der ArbeitnehmervertreterInnen erforderlich
ist, um die Funktion erfolgreich auszuführen.
Die deutschen Teilnehmenden berichteten auch anhand kritischer Fälle (wie z.B. in der Vergangenheit
bei VW) über die insgesamt positiven Erfahrungen mit der Mitbestimmung in der Privatwirtschaft,
die zum Teil durch Betriebsaufteilungen und Umwandlungen nach europäischem Gesellschaftsrecht
bedroht ist. Das deutsche System mit seinen weitgehenden Rechten in der Montanbereich
und den seit 1976 gültigen Bestimmungen für Unternehmen über 2000 Angestellte
stellte Frank Siebens (ver.di) den Teilnehmenden vor.
Angesichts der Vielzahl ähnlicher Probleme in der EU, z.B. durch Unterschiede in Besteuerung,
Sozialversicherung und Entlohnung, vielfach hervorgerufen durch multinationale Unternehmen
erscheint es aus Sicht des Seminars und der RLS erforderlich, den Erfahrungsaustausch und die
Zusammenarbeit der kritischen wissenschaftlichen Institutionen zu vertiefen, die Einflußmöglichkeiten
von Gewerkschaften zu stärken, Mitbestimmung im Sinne einer stakeholder revolution zu
verankern.
II Gespräche mit linken irischen Parteien und dem General President von Irlands größter Gewerkschaft SIPTU, Jack O’Connor
Am Rande des Seminars informiert der General President die deutschen Teilnehmenden über die
aktuellen Probleme in Irland, insbesondere im Zusammenhang mit Arbeitsplatzverlusten, ausgelöst
durch die von der EU / Troika geforderten Austeritätspolitik.
Im irischen Abgeordnetenhaus, dem Dáil (166 Sitze), sind derzeit drei linke Parteien vertreten,
Sinn Féin mit 14 Sitzen, die Socialist Party (2 Sitze) und die People Before Profit Alliance (2 Sitze).
Mit Sinn Féin und der People Before Profit Alliance fanden Gespräche statt. Durch den gleichzeitig
stattfindenden Annual Congress von Sinn Féin in Castlebar (County Mayo) konnten die Eindrücke
vertieft werden. Besonders beeindruckend an dem Parteitag, der zum Teil im öffentlichen
Fernsehen live übertragen wurde, waren der hohe Anteil weiblicher Teilnehmender, die gemischte
altersmäßige Zusammensetzung der RednerInnen sowie das sehr sachliche und offensive Auftreten.
Am Parteitag nahmen Delegationen sowohl aus der Republik Irland als auch aus Nordirland teil,
darunter Martin McGuinness, stellvertretender Erster Minister der nordirischen Regierung. Er hob
hervor, daß die Zeit der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und britischen
Royalisten um die politische Zukunft Nordirlands glücklicherweise vorbei sei. Jedoch steht die
Forderung nach Vereinigung mit dem Süden für Sinn Féin nach wie vor.
Diese Forderung nach Beendigung der Teilung zog sich durch viele Beiträge und führte immer
wieder zu demonstrativem Beifall.
Den Opfern des Kampfes wurde in ergreifender Weise im Rahmen einer Ausstellung am Rande
des Kongresses gedacht.
Martin McGuinness distanzierte sich ausdrücklich von Gruppen, die versuchen, unter Mißbrauch
des Namens IRA diese blutigen Kämpfe wieder aufleben zu lassen.
340.000 Jobs gingen seit Beginn der Krise in Irland verloren! Jede Stunde verlassen 9 IrInnen ihr
Land. Darauf wurde in berührenden persönlichen Redebeiträgen von Kongreßteilnehmenden
hingewiesen.
Der massive Arbeitsplatzverlust und die sozialen Folgen der Austeritätspolitik in Irland bestimmten
einen Großteil der Debatten.
Sinn Féin ist entschlossen, der von der Regierung geplanten property tax Widerstand zu leisten
und der Kürzungspolitik entgegenzusetzen; dazu zählen eine Reichtumssteuer für Vermögen über
1 Mio € sowie der Erhalt und Wiederaufbau des öffentlichen Dienstes. Mary Lou McDonald TD
(Abgeordnete des Dáil ) sprach sich für eine demokratische Revolution aus und rief dazu auf, die
Angestellten des Öffentlichen Dienstes in ihrem Kampf gegen die von der Regierung geplanten
massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Sie warnte davor, die
Interessen der Angestellten des Öffentlichen Dienstes gegen die in der Privatwirtschaft Tätigen
auszuspielen.
III Fachbesuch bei Eurofound, der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
Die Beobachtung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den demnächst 28 EU-Staaten gehört
zu den Kernaufgaben der europäischen Stiftung Eurofound. Die Gremien werden zu 1/3 von den
Regierungen, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften benannt. Zusätzlich zu den
EU-Ländern werden in den aktuellen Studien (in 25 Sprachen) auch Island, Norwegen, die Türkei,
Moldawien oder Montenegro einbezogen. Die einmalige Datenbasis, die sich aus über 40.000
Interviews speist, wird regelmäßig aktualisiert und im Internet veröffentlicht. Insgesamt arbeiten
bei Eurofound in Dublin 116 Mitarbeiter aus allen EU-Ländern. Die Stiftung sieht ihre Aufgabe
darin, auf Grundlage der Befragungsergebnisse und Trends qualifizierte Entscheidungsgrundlagen
vorzubereiten (z.B. zum Thema Arbeitszeitregelungen), ohne selber direkte Empfehlungen –
etwa zur Arbeitszeitverkürzung – zu geben.
Die delegierten Teilnehmer der RLS hatten bei ihrem Besuch bei Eurofound die Gelegenheit, sich
über die sozialen Ungleichheiten in Europa ein Bild hinsichtlich verschiedener Kriterien wie Altersgruppe,
Geschlecht, Bildungsgrad zu machen. Die Spaltung der Gesellschaft hat sich seit
2008 in allen EU-Ländern verschärft. Das weisen die Erhebungen von Eurofound eindrucksvoll
nach.
Die Arbeit von Eurofound verdient mehr Aufmerksamkeit. Die RLS-Teilnehmenden waren vom
Umfang der Studien sehr beeindruckt. Gerade angesichts der Krise sind Versuche im Rahmen
der Haushaltsberatungen der EU, die Forschungsmittel für Eurofound zu kürzen, im Interesse der
Lohnabhängigen und der Krisenopfer in Europa dringend abzuwehren.
Einige Beispiele für die Arbeitsergebnisse von Eurofound:
Wie wahrscheinlich ist es, daß Sie Ihre Arbeitsstelle in den kommenden 6 Monaten verlieren?
Die schrumpfende Mitte: Jobverlust-Ticker
Die Krise verschärft die Kluft zwischen Arm und Reich