Am ersten Augustwochenende diesen Jahres fand im ostukrainischen Saporizhzhja das vierte Journalistentraining aus der Reihe «Grammar for Dialog – Grammatik des Dialoges» statt. Das Projekt wird vom unabhängigen Zentrum für Sozial- und Arbeitsforschung (CSLR) mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung seit 2015 durchgeführt.
JournalistInnen regionaler und lokaler Medien sollen während des Trainings auf ihre Rolle als MediatorInnen in der gesellschaftlichen Verständigung in der Ukraine aufmerksam gemacht werden und sich zu den Standards ihrer Arbeit verständigen. Die Trainings sind gefragt, die Organisatorinnen können jedes Mal aus einer Vielzahl von Bewerbungen die Teilnehmenden auswählen. So waren auch dieses Mal wieder 12 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Regionen des Landes angereist, um mit erfahrenen Journalisten, Menschenrechtsexperten und Juristen die Gefahren der subjektiven Berichterstattung zu diskutieren, über humanistische Werte im Journalismus zu sprechen und Fragen der Gleichstellung zu beleuchten.
Eingegangen wurde auch auf die Rolle der Medien in der Eskalation des Militärkonfliktes in der Ostukraine, und das Fehlen eines adäquaten Umgangs damit in der staatlichen Journalismusausbildung. Vielen JournalistInnen fehle Wissen und Verständnis, um Hass-Reden zu erkennen und diese als solche zu entlarven. Sie erkennen nur unzureichend die Gefahr des wachsenden Rechtsradikalismus und des weit verbreiteten Fremdenhasses. Die Bedeutung der Menschenrechte wird ebenfalls nur unzureichend während der Ausbildung vermittelt und die Situation der vielen Binnenflüchtlinge ist vielen unbekannt.
Im Training erfahren die JournalistInnen mehr über die große Bedeutung einer differenzierten und gut recherchierten Berichterstattung aus den umkämpften Gebieten, über das Überprüfen von Informationen und Quellen und über die Zusammenarbeit mit den Behörden. Auch das Anerkennen eigener blinder Flecken bei der Arbeit in schwierigen und emotional belastenden Situationen war Teil des Trainings. Während der interaktiven Workshops haben die Teilnehmenden gelernt, wie man sensibel mit traumatisierten Menschen arbeiten kann, seien es Kriegsflüchtlinge, Folteropfer oder Opfer einer Geiselnahme.
Aus aktuellem Anlass wurde intensiv über die Web-Seite Myrotworez (Friedensstifter) diskutiert. Die Seite ist seit 2014 online und versteht sich als Informationsportal über Separatisten und Terroristen. Die Macher dieses angeblichen Friedensportals stehen dem Innenminister Arsen Awakow nahe und versuchen systematisch die Pressefreiheit einzuschränken. Im Mai diesen Jahres hatte die Seite über 4.000 JournalistInnen, die sich für die Einreise in die nicht anerkannten «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk bei den dortigen Behörden akkreditiert hatten, für Terroristen oder ihre Mitläufer erklärt. Dafür hatte sie die Datenbank der Akkreditierungen gehackt und danach mit allen persönlichen Angaben der JournalistInnen veröffentlicht. Darunter auch Angaben zu MitarbeiterInnen von CNN, ZDF, Süddeutscher Zeitung. Dies sorgte für internationale Empörung, worauf die Web-Seite kurz aus dem Netz genommen wurde. Inzwischen ist sie wieder Online, um weitere 2.000 Datensätze ergänzt und wird weiterhin scheinbar von ukrainischen Behörden und anderen Personen genutzt, um angebliche Terroristen dingfest zu machen. Auch die auf der Liste befindlichen JournalistInnen fallen unter den angeblichen Generalverdacht des Separatismus und Terrorismus und müssen mit der Gefahr der Bedrohung leben.
Mehrere Journalistenverbände (u.a. Reporter ohne Grenzen, das Committee to Protect Journalists) und internationale Organisationen wie die OSCE forderten die ukrainische Regierung bisher vergeblich zum Verbot der Seite auf. Die Veröffentlichung der Daten ist ein Verstoß gegen die ukrainische Verfassung und das Gesetz über den Schutz persönlicher Daten.
Nun wird auch auf die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte Journalistenfortbildungsreihe «Grammar for Dialog» von den Anhängern von Myrotworez in den Sozialen Medien eingegangen. Die Stiftung ist sehr besorgt über diese Entwicklung und schließt sich der Forderung nach Schließung der Seite an.