Nachricht | Erinnerungspolitik / Antifaschismus Kulturhistorisches Picknick neben dem Landtag

Diskussion um Gedenken an Saar-Abgeordnete. Landtagspräsident geht in die Offensive. Allerdings anders als erhofft.

Foto: SZ, 28.10.2016, Becker&Bredel

Über 50 Menschen nahmen am „Kulturhistorischen Picknick“ neben dem Mahnmal für die von den Nazis verfolgten Saar-Abgeordneten teil. Eingeladen hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Saarland/Peter-Imandt-Gesellschaft im Bündnis mit „Wider das Vergessen und gegen Rassismus“ e.V., Heinrich Böll Stiftung Saar, Aktion 3. Welt Saar, VVN-Bund der Antifaschisten Saar, Resist! und Bürgerinitiative gegen das Vergessen und die Gleichgültigkeit.

Patric Bies (RLS) verwies auf die ungenügende und unwürdige Darstellung der Volksvertreter, die im Landesrat (1922-1935) die Interessen ihrer Wähler vertraten und dafür verfolgt wurden. Wem nach der Saarabstimmung die Flucht nicht gelang, dem drohte Gefängnis oder Konzentrationslager oder sah sich, wie im Fall Wilhelm Frisch, in Folge der erlittenen Folterungen zum Selbstmord gezwungen. Mitte der 2000er Jahre beschloss ein Arbeitskreis von Historikern und Vertretern des Landtags auch diejenigen NS-Verfolgten zu berücksichtigen, die nach dem 2. Weltkrieg in den Landtag (ab 1947) kamen.

Bies begrüßte die aus dem Landtag zum Picknick zugestoßenen Jasmin Freigang und Michael Hilberer (Piraten), Astrid Schramm und Heike Kugler (Die LINKE), sowie Petra Berg und Isolde Ries, Vizepräsidentin des Saar-Landtags (SPD). Letztere freute sich über die große Resonanz an dem Thema und bemängelte die mangelhafte Aufarbeitung der Biografien in der Vergangenheit, obgleich sich inzwischen Historiker dem Thema angenommen haben.

Mit Unverständnis reagierten viele Anwesende auf eine vom Landtagspräsident Klaus Meiser (CDU) herausgegebene Pressemitteilung, in der er den Vorwurf eines fehlenden Gedenkens als „haltlos“ bezeichnet.

Doch muss der Landtagspräsident selbst einräumen, schon im Jahr 2010 „die Landeszentrale für Politische Bildung mit der Aufarbeitung der Biografien dieser Abgeordneten“ beauftragt zu haben. Freilich erläutert er nicht näher, warum nach über 6 Jahren das Ergebnis nahe Null liegt.

Ebenso ist bemerkenswert, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht um Ergebnisse bittet. Oder warum erst kürzlich der renommierte Prof. Norbert Frei, Uni Jena („Das Amt“) damit beauftragt wurde. Etwa weil Landeszentrale und Landtag den hiesigen Historikern und Archivaren ein vorurteilsfreies biografisches Arbeiten nicht zutraut?

Der Landtagsverwaltung liegen genau wie den Organisatoren eine Liste von 59 namentlich genannten Abgeordneten - darunter zwei Frauen - vor. So ist nicht verständlich, wo die Schwierigkeiten der Recherche nach den teilweise bedeutenden Persönlichkeiten der Saargeschichte liegen.

Patric Bies erklärte hierzu: „Man gewinnt den Eindruck: Das Motto ‚Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit‘ ist lediglich ein Deckmantel, der die weitere Aufarbeitung hinauszögern soll. Ähnlich verhielt es sich 2014, als die Fraktion Die Linke „Braune Spuren im Saar-Landtag“ herausgab und damit eine Aufgabe der Landtagsverwaltung übernahm.“

Über die Pressemitteilung Meisers zeigte sich die Landtagsabgeordnete Astrid Schramm gleichermaßen verwundert, behauptet dieser „im Namen aller Fraktionen des Landtags“ zu sprechen, ohne die Fraktionen vorher konsultiert zu haben. Diesbezüglich will Schramm noch „nachhaken“.

Für den Fall einer weiteren Verzögerung kündigten die Organisatoren ein weiteres „kulturhistorisches Picknick“ in Landtagsnähe an. Jedenfalls ist man mit der Resonanz sehr zufrieden und mit der Tatsache, dass sieben einstige Mandatsträger in einer Handreichung vorgestellt und damit der Vergessenheit entrissen werden konnten.