Prinzipien.
Eine radikale Ethik der Gleichheit
Ezequiel Adamovsky, Historiker und Aktivist aus Buenos Aires, engagiert in den Nachbarschaftsversammlungen, die nach der Rebellion von 2001 aufkamen. Sein neuestes Buch (auf Spanisch) ist Antikapitalismus für Anfänger: die neue Generation der emanzipatorischen Bewegungen (Buenos Aires, 2003):
„Die transformatorische Politik muss sicher in der Ethik verankert sein. Wir müssen unsere Strategie, unsere Organisationsstrukturen, unsere Ziele… alles, mit Hinsicht auf eine radikale Ethik der Gleichheit hin überdenken. Dies bedeutet eine Ethik des Sorgens für den anderen.
Dies ist wichtig, weil so viel linke Politik traditionell die Relevanz der Ethik abgelehnt hat. In der Vergangenheit beschäftigten sich die dominierenden Traditionen der Linken mehr mit Organisation und mit Kampf für eine Wahrheit als mit den Individuen und ihnen Gleichen. Die linke Politik war – und ist immer noch – mehr drauf aus, einer Idee (oder einem Programm und einer Partei) treu zu sein als den Menschen um uns. (Und hier meine ich nicht das Volk im abstrakten Sinne, sondern die Menschen um uns, die Menschen, mit denen ich kämpfe und arbeite).
Dies hat nicht nur unethisches Verhalten auf der Linken produziert, sondern es macht es schwierig, anderen überhaupt zuzuhören. Schließlich macht es, wenn man Zugang zu einer politischen Wahrheit hat, wenig Sinn, mit meinen GesinnungsgenossInnen zu debattieren oder gar ihre Ansichten und Nöte in Betracht zu ziehen. Und wenn jemand etwas argumentiert, was nicht mit meiner politischen Wahrheit übereinstimmt, dann muss diese Person eben aus dem Weg geschafft werden. Aus offensichtlichen Gründen schafft diese Treue den Ideen und nicht den anderen Menschen ernstliche Probleme, wenn es zur Zusammenarbeit für gemeinsame politische Ziele kommt. Daher denke ich, dass eine radikale Ethik der Gleichheit, eine Ethik der Zusammenarbeit zwischen Gleichen, die Grundlage jeder wünschenswerten neuen Umgestaltungspolitik sein sollte.“
Das Herz der kapitalistischen Produktion verstehen.
Brian Holmes, ein Schriftsteller mit einem Hintergrund von Schreiben über ästhetische Formen des Dissents, der Kritik, der Revolte und Alternativen in öffentlichen Räumen – Formen, die obwohl sie im physischen Raum stattfinden, ohne das Internet unmöglich wären. Beispiele gehen vom „Karneval gegen das Kapital“, der am 18. Juni 1999 in Londons Finanzdistrikt stattfand zu den No border- Kampagnen oder Euro-Maitagdemonstrationen in Europa, über kleinere, experimentellere Interventionen (siehe viele Texte auf www.u-tangente.org).
„Die Linke ist sehr schwach gewesen, was das Verständnis des Herzens des kapitalistischen Produktionsprozesses angeht. Was involviert ist, sind nicht nur technologische Erfindungen, sondern auch Techniken zur Formung der Loyalität und des Durchhaltevermögens der Individuen. Wenn wir die Komplexität der Prozesse ignorieren unterschätzen wir die Vielzahl der notwendigen Strategien und Taktiken die für effektive Revolte nötig sind. Es ist wichtig, über das hinauszuschauen, was direkt sichtbar ist. Zum Beispiel gibt es große Herausforderungen an das intellektuelle Eigentum auf dem Gebiet der Musik, aber wenn man sich anguckt, was Ingenieure so an industriellen Patenten an potentiell nützlichen Sachen wie Medizin, landwirtschaftlichen Technologien, Kommunikationswerkzeugen und so weiter schaffen, gibt es auf diesem Gebiet relativ wenig Anfechtungen des intellektuellen Eigentums.
Wenn wir versuchen zu verstehen, was es ist, was die Leute motiviert, stellen wir fest, dass es die Herausbildung geheimer Wertecodes ist, verbunden mit komplexen instrumentellen Sprachen, die der Gesellschaft Form geben, Städte erbauen, Transport- und Kommunikationsformen, Formen der Interaktion und der Beziehungen gestalten. Ein Beispiel auf der Mikroebene ist die Art, wie biometrische Identitätskarten verschiedener Art verwirklicht und mit weiträumigen, Nachforschungen erlaubenden Datenbanken wie Schengen in Europa vernetzt werden, oder die Art, wie Daten zu Individuen gesammelt und an Firmen verkauft werden, um so genannte „geodemographische“ Informationssysteme für gezielte Werbung und Vermarktung zu schaffen. Ein Beispiel großen Stils sind die Korridorplanungsoperationen für integrierte Autobahnen, Elektrizitätsnetze und Kommunikationsverbindungen, die im Zuge des Pueblo-Panama Plans in Nordamerika, dem europäischen TRACEA Projekt, das sich bis nach Zentralasien erstreckt, oder dem so genannten „goldenen Quadrilateralen“ Autobahnprojekt in Indien erbaut werden. Diese Projekte betreffen unsere täglichen Leben nicht nur direkt, sondern sie mobilisieren ungeheure Mengen kreativer Intelligenz, selbst wenn die Resultate in mancher Hinsicht traurig und niederschlagend für fast jedermann/frau sind.
Die Menschen sind nicht nur stark mit dem beschäftigt, was sie tun, um auf der Lohnskala emporzusteigen, sondern auch mit dem, was sie brauchen, um in den Augen ihrer Kollegen beruflich aufzusteigen. Darüber hinaus sind ihre Ideen der Welt tief durch das beeinflusst, was die Medien ihnen an Gemeinplätzen servieren. Dies sind nicht alles dumme Ideen, aber es sind Gemeinplätze; die Leute haben sie weder selbst geschaffen, noch sind sie selbst auf sie gekommen, und sie hinterfragen auch sehr selten ihre Ursprünge. Wenn die Linke nicht beschreiben kann, was hier passiert, sind wir aus der Kurve. Wir sind darauf reduziert, eine Art selbstbeweihräuchernden Mythos über uns selbst zu schaffen, der letztendlich das Verschwinden der Linken verursachen wird, da die Kraft der kapitalistischen Instrumentalität zu stark ist ignoriert zu werden. Das kann als das Muster der beruflichen Motivation gesehen werden, die jeder der Branchen der Technowissenschaften erlaubt, sich zurzeit mit tatsächlich sehr schneller Geschwindigkeit zu entwickeln. Wir haben es mit dem Internet gesehen, mit den Überwachungstechniken, mit den Genteilenden Technologien, und ich fürchte, dass die nächste Grenze kognitive Technologien sind, die psychologische Forschung zu machtvollen neuen Formen der Manipulierung des Bewusstseins zu integrieren, zum Beispiel mittels der Schaffung wahrhaftig programmierter Umgebungen, denen wir schon an Orten wie Flugplätzen begegnet. Diese Entwicklungen, und ihre nützlichen oder schädlichen Effekte, müssen radikal aufgezeigt werden, denke ich.
Wenn wir diese Prozesse tiefgehender beschrieben haben, müssen wir dann den Ausdruck alles diesen in Form bringen, es als das beschreiben, was wir denken, was es ist, nämlich eine Zeit- und Ressourcenverschwendung in den meisten Fällen, eine fast verrückte Art des Wirtschaftswachstums, an dem die Mittelklassen des Planeten auf der Mikroskala unserer eigenen Leben und Berufe teilhaben. Ich denke, wir sollten das in eine bessere Form gießen, darüber schreiben, Bilder schaffen zu dem, was passiert, versuchen sicherzustellen, dass die Komplexität des Prozesses so ausgedrückt wird, dass man die Realitäten sieht. Nichts ist dadurch gewonnen, die Dinge zu vereinfachen, um Illusionen zu bewahren. Die Realität des Maritim-Hotels/ICC, weiß der Geier, in dem wir dieses Treffen abhalten, ist auch wirklich wichtig, spiegelt nämlich die Tatsache wider, dass wir immer in diesen partiell entfremdeten Situationen operieren, und muss ehrlich zum Ausdruck gebracht werden, wie jemand anders schon erwähnte. Eine raffinierte und fähige politische Anstrengung muss die Menschen mit einer Art Kompass ausstatten, einer Art ethischem Werkzeugkasten, der es ihnen ermöglichen wird, mit unvermeidbaren Situationen der Entfremdung fertig zu werden, sonst setzt Ablehnung ein und die Schaffung von Phantasielandschaften der Reinheit, die reale Kämpfe ignorieren. Aber die Schlüsselbotschaft, die auch ausgedrückt werden muss, sind die Arten der Erfüllung, die Menschen auch aus diesen radikalen Projekten ziehen, denn wir müssen attraktiv sein, wir müssen ein besseres und reicheres Leben anbieten, natürlich nicht auf derselben Grundlage wie das kapitalistische Berufssystem, sondern auf einer anderen. Dies ist die Idee der sozialen Netzwerke: man muss sich um etwas bemühen, und letztendlich musst man/frau sich dann in ein Netzwerk bewegen, um Gefallen, eigene Ausdrucksmöglichkeit, soziale Beziehungen und auch Idealismus erfahren zu können. Also muss die Selbsterfüllung, die Menschen in sozialen Bewegungen und alternativer Politik finden, besser zum Ausdruck kommen, damit wir sie wieder aufheben können, und etwa nicht als individuellen Erfolg zum Ausdruck kommen lassen – weil das ja der Kapitalismus wäre, der die Leute zu narzissistischer Selbstbeschäftigung zwingt -, sondern sie durch den Zwang zum Mitmachen in unmöglichen, als zwanghaft empfundenen, kooperativen Prozessen der Umgestaltung wieder totkriegen. All diese Dinge, die ich gerade erwähnt habe, sind nur eine Frage des Ausdrucks, denn damit befasse ich mich ja… aber letztendlich ist das nur ein Teil des umfassenderen Bildes.“
Die Politik als Platz für Alternativen und gemeinsame Güter wiederaufbauen.
Moema Miranda, Anthropologin und Aktivistin mit Basis in Rio, ehemaliges Mitglied und Organisatorin der Brasilianischen Arbeiterpartei (PT), Koordinatorin des IBASE (Brasilianisches Institut für Soziale und Wirtschaftliche Analysen) und Mitglied des Internationalen Rats des Weltsozialforums seit dem 1. WSF in Porto Alegre (http://www.ibase.org.br)
„Das Neudenken der Politik beinhaltet ein Neudenken der Kultur und der Wirtschaft im Aristotelischen Sinne des oikos (Haushalts). Wie sollen wir uns um den gemeinsamen Haushalt kümmern? Wie sollen wir Essen, Unterkunft, Kleidung, Festtage, Kunst und Musik für alle sicherstellen? Wie sollen wir Reichtum und Güter verteilen, ohne die Lebensbedingungen auf diesem Planeten zu zerstören? Und was ist ein „gutes Leben“? Wie sehr brauchen wir oder sehnen wir uns nach einem guten Leben? Und wer konsumiert? Was sind die Kosten für andere?
Wenn der Kapitalismus siegreich in der Schaffung der globalen Ordnung war, dann hat der Neoliberalismus versucht, den Prozess zu vollenden und zu versiegeln, in dem er die Legitimität der Politik untergraben hat und eine seriöse Debatte alternativer Entwicklungsrichtungen der Gesellschaft wirksam disqualifiziert hat. In Brasilien führt das zu dem, was wir die „Unbedeutsamkeit der Politik“ nennen. Ein Aspekt davon ist der bereits bekannte Prozess der wachsenden Macht großer Betriebe und internationaler durch die US und Europa kontrollierten Konzerne, die Regeln der globalen Wirtschaft erstellen, welche die Souveränität der Einzelstaaten untergraben. Die andere Seite hiervon ist die Unterwerfung der alten Linken – vielleicht weil ihre Idee des Sozialismus so sehr an die des Nationalstaats gekettet war – unter die Idee der Notwendigkeit des Kapitalismus. Daher haben wir die traurige Verfolgung einiger der schlimmsten Praktiken der Rechten durch unsere Parteien und deren Chefs erlebt, als wäre das alte Cliché „mitgegangen – mitgefangen“ zuträfe. Das schlimmste Szenario ist, dass wir nun in einer Welt leben, die durch Kräfte kontrolliert wird, die von der Bevölkerung nicht mehr verstanden und kontrolliert werden können. Eine Welt, die gleichzeitig magisch und entzaubert ist. Die einzige Art und Weise, auf die wir Politik und Glauben an die Möglichkeit für Alternativen wieder aufbauen können, wäre, Vorschläge zu erarbeiten, die für unserer tägliches Leben relevant sind, die Hoffnung schaffen und die das Vertrauen und die Kraft gemeinsamer Aktion wieder aufbauen.
Die Allgegenwärtigkeit der Angst konfrontieren
Wir sind mit einem fast paralysierenden Hindernis konfrontiert, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen: dem konstanten Gefühl der Angst. Wir sind konfrontiert mit der scheinbaren Notwendigkeit einer Wirtschaftsordnung, die systemische und wachsende Ungleichheit schafft, die in die Logik des Kriegs verstrickt ist, die konstant Reichtum auf Kosten der Zerstörung des Planeten produziert, der schließlich unserer Leben erhält, wird die Angst eine natürliche Antwort, Angst vor Verbrechen, vor dem Nachbarn, vor dem Einwanderer, vor dem Wettbewerb um meinen Arbeitsplatz, vor Krieg und Instabilität. Angst vor Einsamkeit, vor dem Altwerden und dem Verlust der Rente… Wir müssen den Kampf gegen die Angst zu einem zentralen Teil unseres neuen Nachdenkens über Politik machen. Angst ist eines der antirevolutionärsten Gefühle, das ich kenne. Es produziert Passivität und Fatalismus und macht das Absurde und Groteske akzeptabel. Der einzige aktive Weg, die Angst zu bekämpfen, ist durch die radikale Wiederbestätigung der Hoffnung – und nicht nur durch die Schaffung neuer Quellen der Sicherheit. Aber sprechen wir nicht von der Hoffnung als einem messianischen Gefühl. Es ist nicht die Hoffnung, die vom Warten abhängt; es ist die Hoffnung, die daraus entspringt, in etwas Neuem mitzuwirken; die Hoffnung, die darauf beruht, in neue Richtungen zu gehen; mit der bestehenden Ordnung zu brechen; neue Möglichkeiten zu projizieren… für ein besseres Leben für all.“
Die Allgegenwärtigkeit der Fähigkeit zur Umgestaltung
Hilary Wainwright, mit Basis in Manchester, Mitherausgeberin der Zeitschrift Red Pepper, Forschungsdirektorin des Programms für Neue Politik des Transnational Institute in Amsterdam und eine Autorin zu Fragen des Neudenkens der politischen Organisation für so lange, wie sie überhaupt zurückdenken kann:
„Ein Grundprinzip unserer neuen Organisationsformen sollte die Erkennung der Allgegenwärtigkeit der Macht und der Möglichkeit zur Umgestaltung sein. Die gegenwärtige soziale Ordnung beruht auf den Aktionen der Menschen, die diese Ordnung täglich reproduzieren und aufrechterhalten, als ArbeiterInnen, KonsumentInnen, WählerInnen, als kreative Menschen; die andere Seite davon ist die Möglichkeit absichtsvoller Aktion der Ablehnung, der Veränderung, des Startens einer Dynamik der Transformation. Ein transformativer Weg der Organisation muss daher ständig offen bleiben und auf die Initiativen neuer Unterstützergruppen eine Antwort finden und muss neue Sphären und Möglichkeiten der Veränderung entdecken.
Ein damit zusammenhängendes Prinzip muss sein, uns auf eine Art und Weise zu organisieren, die den Fähigkeiten und dem Wissen all derer, die gemeinsame Wünsche und Werte zur Veränderung teilen, vollen Ausdruck gibt. Dies erfordert die Erfindung neuer Methoden, dieses Wissen und diese Fähigkeiten zu vereinen (wie im ersten Prinzip) und auch ein Engagement, diese Entwicklung zu unterstützen. Es beinhaltet auch eine Priorität zum Einladen von Menschen, die transformatorische Werte teilen, aber diese nicht durch eine der bestehenden Plattformen der Linken zum Ausdruck bringen. Dieses Prinzip stammt von einer Erkennung der verschiedenen Quellen des Wissens, die experimentelles und verschwiegenes Wissen sowie auch wissenschaftliches und historisches Wissen schätzt.“
Deinstitutionalisierung
Marco Berlinguer, Koordinator von Transform! Italia in Rom, Teil eines umfassenderen internationalen Netzwerkes Transform! Europa, der gerade an den Beziehungen zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen arbeiten. Herausgeber einer geographischen Landkarte sozialer Konflikte in Rom und anderen Büchern und Pamphleten mit Bezug zu neuen Bewegungen in Italien und auf der internationalen Ebene, http://www.transform.it
„Das Prinzip der ‚Deinstitutionalisierung’ hat mehrere Dimensionen: erstens beschreibt es die Realität. In allen Dimensionen des Lebens – nicht nur der Dynamik der Bewegungen – beobachten wir eine stetige Reduzierung der Rolle der Institutionen in der Strukturierung, Moderation und Repräsentation der sozialen Beziehungen, deren Teil wir sind. Dieser Trend hat viele negative Seiten: die Macht, die durch ademokratische und informelle wirtschaftlichen und politische Mächte auf der globalen Ebene ausgeübt wird, das Anwachsen der prekären Wirtschaft, der kriminellen Aktivitäten und Netzwerke, die Aufgabe ganzer Territorien, die in den Prioritäten des Marktes marginal sind und die Zerstörung sozialer Regulierung und sozialer Sicherheiten…
Auf der Positivseite erkennt dieses Prinzip die Degenerierung der traditionellen politischen Institutionen an. Es weist auch auf die Fähigkeit und die Möglichkeit zur Selbstorganisation hin. Es stellt eine Herausforderung dar, wie man die Gestalt, die Rolle und sogar das bloße Konzept der politischen Institutionen neu denken kann, im Lichte fortschrittlicher Begriffe der Demokratie.
Im neuesten Zyklus der Bewegungen haben wir einen Strukturkonflikt zwischen verschiedenen Logiken der Organisation gewesen. Vereinfacht gesehen befindet sich auf der einen Seite die traditionelle organisatorische Logik auf der Grundlage vertikaler Strukturen, geschlossenen Identitäten und Grenzen; auf der anderen Seite ist eine Logik, die sich in offenen, horizontalen, Netzwerkförmigen Organisationen gründet. In diesem Konflikt können wir sehen, dass eine neue Organisationslogik im Aufkommen begriffen ist, in der die Idee, über jeden zuvorigen institutionellen Raum hinwegzugehen, im Zentrum steht. Zum Beispiel hat es im WSF-Prozess eine progressive Aufgabe des Anspruches gegeben, diesen politischen Raum auf zentralistische Weise, durch eine Kerngruppe von Organisationen und Individuen zu organisieren. Ein Ergebnis dieses konstanten Konfliktes ist, dass der gesamte Raum im WASF – zumindest formal – durch eine Logik der Selbstorganisierung mit Netzwerkzielen ausgefüllt ist.
Das Konzept der Deinstitutionalisierung spiegelt auch Nachdenken über soziale Transformation wider, dass mehr auf autonomen, diffusen, dezentralisierten und direkten Formen der Aktion beruht und weniger auf institutionellen Beschränkungen und Formen der Delegierung und Repräsentation, die für traditionelle Massenorganisationen charakteristisch sind. In diesem Sinne betont dieses Konzept auch die Rolle der kulturellen und ethischen Transformation. Wenn wir das Prinzip der Deinstitutionalisierung nutzen, um ein Selbstverständnis der gegenwärtigen sozialen und politischen Bewegungen zu erlangen, kann es uns helfen, das Konzept des Politischen und der sozialen Bewegungen zu erweitern, über die Unterstützung ausdrücklicher AktivistInnen hinaus – einschließlich zum Beispiel inhärent und auch explizit politischer Bewegungen wie der um freie und offene Software oder gemeinsam genutzter Dateien und offener Redaktion…
Schließlich denke ich, dass es wichtig ist, die Erinnerung an die Wurzeln zurückzuerlangen, die dieses Prinzip (mit allen seinen Gegensätzen) in der Bewegung der Sechziger und Siebzigern und in ihrem Anspruch auf ein erweitertes Konzept der Autonomie hat. Die feministische Bewegung ist in dieser Hinsicht besonders bedeutsam. Solch eine Wiedererlangung würde es uns ermöglichen, in größerer Tiefe die Vieldeutigkeiten, die ungelösten Widersprüche des Kapitalismus, wie er heute ist, auszuloten – die Produkte einer radikalen Umstrukturierung von mehreren Jahrzehnten ist, die eine verzerrte und entfremdete Version solcher Konzepte nutzt.
Komplexität
Ich habe ein weiteres Prinzip: das der Komplexität. Betrachten wir das WSF, mit seinen verschiedenen organisatorischen Ebenen, Strukturen, Kulturen und Logistik. All diese Vielfalten leben im selben Raum und interagieren in komplexen (Konfliktgeladenen und kooperativen) Räumen, die einander und die Umgebung, die sie teilen, wechselseitig beeinflussen und umgestalten. Sie konvergieren um ein Ereignis und einen Prozess, sie erkennen, dass sie, in gewisser Hinsicht, teil einer gemeinsamen Welt sind, obwohl sie noch nicht vereint werden oder auf ein einziges Subjekt reduziert werden können. Es ist wichtig zu verstehen, wie so ein Raum geschaffen wurde und funktionieren kann.
Komplexität ist zunächst einmal ein Prinzip der Realität, die wir konfrontieren. Wenn wir sagen, dass die Vielfalt unsere Stärke ist, zeigen wir eine Fähigkeit zur Umformulierung unserer kulturellen Schemata und zur Entwicklung neuer Arbeitsweisen auf der Grundlage unserer Erkenntnis derselben. Die Idee der Komplexität impliziert auch eine Art ökologischen (oder holistischen?) Ansatzes zur Vielfalt der globalen Bewegung, die wir wie eine „Welt der Welten“ behandeln. Die Logik der Komplexität hilft uns auch, Prozesse des für die neueren Mobilisierungen typischen Schwärmens zu verstehen. Mit anderen Worten sind diese Mobilisierungen das Resultat dezentralisierter und verstreuter Initiative gewesen, die an jeder organisierten Struktur oder Subjekt vorbeigehen. Es hat keine vertikale Kontrolle oder zentralisierte Kommandologik gegeben.
Als reales Prinzip hat die Komplexität auch eine Schattenseite. Sie spiegelt zum Beispiel den Verlust an Kontrolle der souveränen Staaten und die wachsende Unordnung in der Welt wider. Aber diese Komplexität zu erkennen und zu verwalten bedeutet, jeden Anspruch darauf aufzugeben, die Dinge auf eine Form, einen Stil, eine einzige Lösung zu reduzieren. Sie deutet auf die Notwendigkeit hin zu lernen, zusammenzuleben und zusammenzuarbeiten, ohne unsere Unterschiede zu zerstreuen. Es bedeutet, einer globalen Politik Widerstand zu leisten, die versucht, homogen zu sein. Es ist ein Merkmal der historischen Phase, in der wie uns befinden, in der eine radikale Umgestaltung, das Neue und das Alte einander überschneiden.“
Eine Pluralität der Akteure
Alessandra Mecozzi, Internationale Sekretärin von Fiom, der italienische Gewerkschaft der Metallarbeiter, aktiv in vielen sozialen Bewegungen in Italien, insbesondere der Friedensbewegung, der Solidaritätsbewegung mit Palästina und auch im ESF und WSF. Sie schreibt ausführlich zu diesem Fragen:
„Die Transformation kann nicht durch einen Agenten durchgeführt werden. Wir brauchen eine Vielzahl von Akteuren mit der Möglichkeit zu gemeinsamen Fragen Konvergent zu erreichen und gleichzeitig in ihrem eigenen sozialen Umfeld verankert zu bleiben. Um transformatorisch zu wirken, muss man anderen gegenüber offen sein; verwurzelt sein, aber ohne eine verschlossene Identität.
Zweitens, der supranationale Charakter der Politik und die Wichtigkeit das Globale und das Lokale zu verbinden (einige Zeilen werden noch kommen).“
Eine neue Horizontalität
Ángel Calle aus Madrid, Spanien. Arbeit am Demos-Projekt zu „Demokratie in der Gesellschaft und die Mobilisierung der Gesellschaft“, erforscht die Ideen der Demokratie in den Alterglobalisierungs- sozialen Bewegungen der jüngsten Jahre. Dozentin an der Universität Madrid:
„In der Suche nach den Prinzipien der neuen Subjektivität sollten wir die Krise berücksichtigen, die wir durchleben – wir scheinen in ihrer Diagnose übereinzustimmen. Es ist eine zweifache Krise. Einerseits haben die meisten Menschen das Gefühl, dass das tägliche Leben schwierig ist, befrachtet mit Unsicherheit und Prekarität, voller Quellen der Angst; andererseits wenden sich die Menschen mit ihrer Bitte um Hilfe nicht an die traditionellen Institutionen – den Staat, die politischen Parteien, die Gewerkschaften. Sehr wenige Menschen verlassen sich auf diese Institutionen, oder erwarten, dass diese die Konflikte ausdrücken oder verstehen, die von der Krise produziert werden.
Die Menschen haben das Gefühl, dass sie keine Kontrolle über die Umstände ihres Lebens haben. Wie organisieren wir uns auf eine Weise, die Leute ermächtigt, Kontrolle über ihr Leben zurück zu gewinnen? Wir müssen vom „vertikalen“ Ansatz der Organisation loskommen, welches ein Ansatz ist, der auf Delegation und Herrschaft beruht. Wir brauchen mehr Horizontalität in der Art und Weise, wie wir uns organisieren. Diese neue Horizontalität muss ein Grundstein zum Neudenken der politischen Organisation sein. Dies impliziert (neue?) gemeinsame Güter und offenen Zugang zu Material (?) und grundsätzliche Informationen, auf jeder Ebene, von der lokalen zur globalen. Wir brauchen Organisationsformen, in denen die Leute nicht nur teilhaben, sondern auch die Regeln des Raumes definieren, in dem sie interagieren. Dies erfordert die Schaffung von autonomen Räumen, in denen Menschen reale Macht haben.
Man muss diese Horizontalität fühlen und sie in das tägliche Leben einbauen, so dass sie vom Lokalen ausgeht, aber bis zum Globalen aufbaut. Sie bezieht sich nicht nur auf unsere materiellen Bedürfnisse, sondern auch auf unsere emotionalen Bedürfnisse, unsere psychologische Situation, unsere Sprache. Tatsächlich sprechen wir dann nicht nur über Protest, sondern die Erfahrung neuer Lebensweisen. Zur gleichen Zeit, zu der wir auf ein zukünftiges Projekt zuarbeiten, experimentieren wir mit Veränderungen, die in der Gegenwart neuen Nutzen abwerfen. Um dieses reale Engagement zu erzeugen, ist es wichtig emotional mit dabei zu sein, Kulturen zu bauen, die auf realen Netzwerken beruhen. Die Beziehungen dürfen daher nicht nur über das Internet laufen; wenn die Netzwerke ein Weg sein sollen, eine neue Politik zu bauen, müssen sie auf emotionalen Verbindungen beruhen.
Prinzipien, die Horizontalität möglich machen
Dominique Cardon
Basiert in Paris, ein Soziologe, der in der France Telecom Forschung und im Entwicklungs- und Nutzungslaboratorium arbeitet. Seine Forschung fokussiert auf die Beziehungen zwischen dem Gebrauch neuer Technologien und kulturellen und Medienaktivitäten.
„Wie Marco beziehe ich mich auf die Erfahrung des WSF und die organisatorischen Prinzipien, die in seiner Charta verbrieft sind, die Charta von Porto Alegre vom April 2001. Die drei Prinzipien der Horizontalität, die in der Charta enthalten sind, sind zu den Grundprinzipien der neuen Netzwerkstruktur der Koordinierung geworden und die Basis vieler jüngster Mobilisierungen und Aktionen, zum Beispiel gegen den CPE in Frankreich im letzten Frühling. Es ist nützlich sie darzulegen:
Das erste ist Respekt für das Prinzip der Vielfalt. Demnach bedarf es eines offenen Forums, in dem jeder teilnehmen kann und seine Vielfalt wertschätzen und feiern kann; es impliziert auch ein Bewusstsein der Notwendigkeit, das Netzwerk permanent auf neue Akteure auszudehnen.
Das zweite Prinzip der Horizontalität ist, dass es kein Zentrum gibt, kein einzelnes Individuum oder eine Organisation, die im Namen des ganzen Netzwerks oder Raumes, in diesem Fall, des WSF sprechen darf. Weltsozialforen, wie die meisten Netzwerkstrukturen, haben kein Zentrum zum Fällen von Entscheidungen, sie haben keine Sprecher und sie unterzeichnen keinerlei Texte oder Erklärungen. Diese Klausel der Selbstbeschränkung ist eines der entscheidenden Merkmale der Netzwerkorganisation. Es gibt kein Zentrum, für das man kämpfen könnte. Die Akteure können nur in ihrem eigenen Namen oder in dem ihrer Organisation sprechen. Die Akteure können nur ihre ideologische und strategische Vielfalt ausdrücken. Dies führt zu vielen Spannungen in der Bewegung und verursacht Frustration unter Journalisten und anderen politischen Akteuren, die gerne eine einzige Antiglobalisierungsagenda mit einer einzigen Stimme identifizieren würden.
Das dritte Prinzip der Horizontalität ist, dass der einzige Entscheidungsfindungsprozess, der mit der Offenheit und Vielfalt der Bewegung vereinbar ist, der auf Konsens gegründete ist. Es ist die einzige Entscheidungsfindungsprozedur, die Organisationen mit einer Vielzahl von Größen, Funktionen, internen Strukturen, sozialen und geographischen Ursprüngen vereinbaren kann. Es ist unmöglich, Kriterien oder eine Basis für die Repräsentation der TeilnehmerInnen zu definieren und zu schaffen, oder sie unterschiedlichen Gewichten der Entscheidungsmacht zuzuordnen. Jede Organisation, welcher Größe, Struktur, Vergangenheit, soziales Ziel oder politischer Positionen sie auch immer sei, hat potentiell das gleiche Gewicht im Entscheidungsprozess des WSF. Konsens bedeutet jedoch nicht Einmütigkeit. Er identifiziert Meinungsunterschiede mehr als Unterstützung. Die TeilnehmerInnen müssen die Diskussion fortsetzen, bis sie auf einen Kompromiss übereinkommen und die Opposition befriedigen oder neutralisieren (ich bin mir nicht so sicher, welches Wort hier genutzt werden sollte, Original ist „lindern/beschwichtigen“, aber das ist nicht ganz richtig, Anm. der Erstübersetzerin; im Deutschen wiederum geht sowohl lindern als auch beschwichtigen, Anm. der Zweitübersetzerin, Carla Krüger). In diesem Prozess tritt Konsensaufbau als klar unterschiedener politischer Prozess auf, in dem die Nutzung der Zeit, des Schacherns und der Verhandlung zentrale Merkmale sind. Bestenfalls produziert er eine spezielle Diskussionskultur, die weniger oppositionelle und entwickelter ist als die traditionelle Mehrheitsprozedur.“
Verbindung kollektiver und individueller Transformation; politische und wirtschaftliche Umgestaltung.
Joan Subirats,
Professorin der politischen Wissenschaft an der Autonomen Universität von Barcelona und Direktorin des IGOP, Institut für Regierungskunst und öffentliche Politik, Barcelona.
http://igop.uab.es/
Wie Angel glaube ich, dass eines der Prinzipien eine enge Verbindung zwischen kollektiver und individueller Transformation ist. Die Linke ist sich darüber noch nicht im Klaren. Transformative kollektive Räume, staatliche Haushalte und so weiter sind sehr wichtig, aber wir haben diese öffentlichen Veränderungen nicht mit persönlichen Veränderungen und den alltäglichen und emotionalen Themen in Verbindung gebracht, die von der Frauenbewegung in den letzten Jahren in die Politik eingebracht worden sind. Es ist unmöglich, das politische Leben vom privaten Leben zu trennen.
(ein weiterer Absatz zu Wirtschaft und Politik soll noch kommen)
Partizipatorische Demokratie: über das Etikett hinweg
Melissa Pomeroy, eine Brasilianerin aus São Paulo, die nun in Barcelona lebt, die mit einer internationalen Organisation zusammenarbeitet, die partizipatorische Demokratie fördert und die zuvor an dem Bürgerbeteiligungshaushalt der PT-Regierung von Martha Supplicy in São Paulo mitgearbeitet hat.
„’Partizipatorische Demokratie’. Dies sind zwei Worte, die heutzutage genutzt werden, um so viele verschiedene Dinge zu beschreiben. Das Ergebnis ist, dass sie bedeutungslos werden. Kurz gesagt würde ich für partizipative Demokratie NICHT ALS ETIKETT von Projekten und Regierungen argumentieren, aber als Art und Weise, den öffentlichen Raum und die Debatte zu öffnen; ihn für mehr Stimmen und für eine umfassendere Agenda von Themen zu öffnen.“
Die Parteien sollten von den Bewegungen bombardiert werden
Luciana Castellina, „eine Überlebende des 20. Jahrhunderts“, wie sie es ausdrückt – und vieler historischer politischer Kämpfe innerhalb der italienischen und im weiteren Sinne der europäischen und der internationalen Linken, einschließlich einer 25-jährigen Erfahrung als Abgeordnete. Eine Gründerin von Il Manifesto und mindestens einer politischen Partei, nach ihrem Ausstoß aus der Italienischen Kommunistischen Partei.
„Ich würde gerne als Verteidigerin der politischen Parteien sprechen, obwohl ich zu keiner bestehenden Partei gehöre und keine von ihnen leiden kann. Gute Bewegungen wurden zu Parteien und gute Parteien wurden aus Bewegungen geboren. Mao Tse Dong sagte, dass Parteien von den Bewegungen bombardiert werden sollten. Vieles von dem, was er sagte, war katastrophal, aber er hatte eine gute Formel gefunden, als er sagte, dass wir das Alte lieber wegwerfen sollten und uns alle 10 Jahre regenerieren sollten. Das ist eine gute Formel. Es ist unvermeidlich, dass wenn Bewegungen sich stabilisieren, sie dazu tendieren, die schlimmsten Merkmale von Parteien anzunehmen. Ich sage die „Schlimmsten“, da sie die schlimmsten Formen des „Führerkults“ produzieren können, die ich kennen gelernt habe, schlimmer als der in politischen Parteien, wo es wenigstens einige Regeln zur Kontrolle der Führung gibt,
Die Wichtigkeit von Parteien entsteht genau aus der Komplexität, Vielfalt und und Multiplizität, auf die andere schon hingewiesen haben. Die Menschen sind nicht homogen; es ist daher nicht genug, nur von „Beteiligung“ zu sprechen, ohne die Arten von Struktur zu erörtern, die alle Unterschiede der Interessen und der Kultur in Betracht ziehen werden. Ohne solche Strukturen werdet Ihr schlicht den niedrigsten gemeinsamen Nenner der Kombinierung verschiedener Interessen haben. Um im Gegensatz dazu, eine Form der Vermittlung zu entwickeln, die jedes Bedürfnis der Entwicklung einer Langfriststrategie zum Vorschein bringt. Hier kamen historisch gesehen die politischen Parteien ins Spiel. Die Bewegungen wurden als mit spezifischen Fragen beschäftigt gesehen, während Parteien als fähig angesehen wurden, eine Vision der Welt zu entwickeln, eine Interpretation der Geschichte und eine Langfriststrategie.
Die politischen Parteien haben an Relevanz verloren, weil die Politik an Grund verloren hat. Wir reden eine Menge über die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, aber was wirklich privatisiert wurde, ist politische Entscheidungsfindung. Die Macht liegt nun in kommerziellen Übereinkünften, nicht politischen Institutionen. Was ist die Demokratie jetzt, als Ergebnis dieses Prozesses?“
Gehen wir über das „Wir“ der sozialen Bewegungsaktivision hinaus
Mayo Fuster-Morell
Mitbegründerin und Koordinatorin des Glokalen Forschungszentrums – Infoespai (www.infoespai.org), das derzeit die Eurovements entwickelt – eine vielschichtige Anleitung zur sozialen Umgestaltung in Europa und die am European Institute an einer Doktorarbeit zur Wissensgesellschaft und den sozialen Bewegungen arbeitet.
Wir müssen die Politik auf eine Art und Weise neu denken, die sicherstellt, dass das „Wir“ der sozialen Bewegungen über Aktivismus und die Organisationsformen die derzeit als politisch betrachtet werden hinausgehen. Sind nicht das gemeinsame Bearbeiten von Dateien, die online, offene Redaktion wie bei Wikipedia oder die Besetzungen durch Nichthausbesetzer Teil einer Welle für neue Politik? Sie sind nicht Teil politischer Netzwerke, aber sie teilen einige Prinzipien, die wir, die wir für eine neue Politik suchen, unterschreiben würden. Wir müssen eine Form der Politik finden, die sie mit einbezieht.
Betrachten wir die Geschlechtergleichheit nicht als gegeben
Wir dürfen nicht annehmen, dass Geschlechtergleichheit etwas schon gewonnenes ist. In Antiglobalisierungsorganisationen (z.B. in meiner Erfahrung, Moviments de Resistencia Global de Catalunya, Kampagnen gegen die Weltbank etc.) wurde Geschlechtergerechtigkeit als gegeben angenommen, und das war ein großer Fehler. Tatsächlich müssen wir uns in der Gegenwart so benehmen und organisieren, dass wir die Geschlechtergerechtigkeit vorwegnehmen, die wir in einer zukünftigen Gesellschaft sehen wollen. Wir müssen insbesondere ein besseres Bewusstsein de Konsequenzen der Geschlechterungleichheit auf Männer und Heterosexuelle entwickeln (Mayo, meinst Du Hetero oder Homo?, Anm. der Erstübersetzerin).
Bei der Geschlechterungleichheit geht es eigentlich um alles
Carolyn Lecki, Mitglied des schottischen Parlaments für die Schottische Sozialistische Partei.
Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, feministische Analyse und Erhöhung unseres Bewusstseinsstandes sowohl auf die Dynamik unserer eigenen Organisation als auch auf die Gesellschaft als Ganzes anzuwenden. Bei der Geschlechterungleichheit geht es nicht nur um ökonomische Unterlegenheit und institutionelle Ungleichheit; es geht um alles. Sexismus und Frauenfeindlichkeit kann in Organisationen bestehen, deren Mitglieder die formale Gleichheit uneingeschränkt unterstützen. Aber ist die Gleichheit der Geschlechter eine Priorität für heute oder morgen? In einer radikalen Organisation kann die Tatsache, dass ihr keine Priorität gegeben wird, vielleicht nur ein Symptom unterschwelligen Sexismus sein, aber wenn es zu einer Herausforderung oder Krise kommt, kann sie an die Oberfläche dringen und eine fundamentale Quelle der Schwäche sein. Seien wir nicht überheblich.
Vermeiden wir insbesondere die Widerspiegelung patriarchischer Strukturen der Gesellschaft in ihrer Organisation. „Führer“ sind meist Männer. Demokratischere, kollektive Entscheidungsfindung durch flachere, Graswurzelstrukturen und eine Null-Toleranzhaltung gegenüber dem Sich-selbst-auf-die-Brustklopfen, dem dogmatischen, langatmigen Geschwafel selbsternannter „Experten“ (meistens Männern) könnte Frauen vielleicht die Gelegenheit zu geben, nachzudenken und vielleicht mehr beizutragen, als sie dies gegenwärtig meist tun. Solch eine unterstützende Umgebung wird zur Kreativität und der Effektivität der Organisation im Allgemeinen beitragen. Ich glaube ernstlich, dass wenn die Linke nicht ständig danach strebt, dies zu erreichen, dann wird sie, wo immer sie an die Macht gelangt, ungleiche, undemokratische Machtsysteme reproduzieren. Wir können nicht warten, bis die Revolution die Haltungen ändert. Dieser Prozess muss konstant sein, wenn eine neue Demokratie die bestmögliche Chance haben soll. Wir haben eine Regel eines Arbeiterlohnes für Abgeordnete - einer Diät, die auf dem durchschnittlichen Arbeitslohn beruht. Aber dies hat sich nicht als ausreichend erwiesen, um die Abgeordneten verantwortlich zu halten. Manche Personen (meist Männer) werden nicht allein durch steuerliche Verantwortung allein in Schach gehalten. Zeitbegrenzungen für gewählte Vertreter, Unterordnung der parlamentarischen Gruppen unter eine blühende Graswurzelpartei, offene, transparente Entscheidungsfindung durch eine befähigte Mitgliedschaft. All dies sind Ideale. Sie sind nicht erschöpfend und sie befassen sich nicht mit einigen Widersprüchlichkeiten der Situation (ssp/socialist voice website).
Übersetzt von Carla Krüger, 7. Februar 2007
Publikation Geschlechterverhältnisse - Soziale Bewegungen / Organisierung - International / Transnational Prinzipien und Herausforderungen
Eines der Dinge, die wir in Manchester und auf dem umfassenderen Seminar in Barcelona getan haben, ist, einander zu bitten, je zwei Prinzipien zur Neudenkung politischer Organisation und zwei Herausforderungen, denen sich solch ein Prozess gegenüber sieht, aufzuzeigen. Dies scheint uns ein nützlicher Ausgangspunkt zu sein, um unsere Arbeit voranzutragen.