Publikation Demokratischer Sozialismus - International / Transnational »Moderne Linke«

Die Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen startet die Reihe »Forum Moderne Linke«. Bericht zur Veranstaltung am 31.3. Von Bernd Hüttner.

Information

Reihe

Online-Publ.

Autor

Bernd Hüttner,

Erschienen

April 2007

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

Die Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen ist eine Bildungseinrichtung, die dem linken Projekt aus Linkspartei.PDS und WASG nahe steht, und sich schon immer auch als Repräsentantin der „dritten Linken“ verstanden hat. Sie hat sich schon mehrmals mit Publikationen und öffentlichen Veranstaltungen mit der Frage beschäftigt, was eine "moderne Linke" ausmacht: Welche Anforderungen und Fragen sind heute an ein zeitgemäßes linkes Projekt zu richten, welche Themen und Handlungsfelder sollen die Linken (innerhalb und außerhalb von Parteien und Parlamenten) bearbeiten, welche neuen Organisationsformen sind (dafür) notwendig?

Am 31.3. fand das erste Forum Moderne Linke statt, eingeladen waren die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping und der österreichische Journalist Robert Misik (www.misik.at). Die beiden diskutierten mit knapp 60 TeilnehmerInnen vor allem über Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit. Misik wies darauf hin, dass es unter den Linken erhebliche Habitusdifferenzen, etwa in Sprache, Kleidung und Verhalten, gäbe, die eine eigentlich sinnvolle und notwendige Kooperation verhinderten. Als Beispiel nannte er akademische Prekäre, die oftmals die Gewerkschaften als verstaubte Traditionsvereine ansehen – ohne zu reflektieren, dass viele GewerkschafterInnen über Erfahrungen von Organisierung und Widerstand am Arbeitsplatz verfügten - eine Erfahrung die den neuen Selbständigen und der Generation Praktikum oftmals fehle. Er plädierte ausdrücklich dafür, dass eine neue Partei sich auch den flexiblen und kreativen Milieus öffnen müsse, die nicht in der Tradition der klassischen Arbeiterbewegung stehen. Er beschrieb, dass Unfreiheit, was gerne vergessen werde, materielle Gründe habe, etwa wenn das Schulsystem strukturell „schlechte“ SchülerInnen produziere, die dann aus der Gesellschaft ausgeschlossen seien.

Kipping schloss sich dem an und warnte vor den in verschiedenen Spektren wieder an Zustimmung gewinnenden Einschätzung, soziale Rechte seien wichtiger als politische. Sie wies darauf hin, dass Freiheit und Gleichheit nicht trennbar seien und umriss ihre Vorstellungen einer radikaldemokratischen Struktur der neuen Linkspartei. Diese sieht sie als lebendige Mitgliederpartei, die auch die Linken, die mehr auf dem „Anerkennungs-Ticket“ unterwegs seien, ansprechen müsse. Sie verwies auf den Terminus „Teilhabegerechtigkeit“ und wies darauf hin, dass viele Themen, wie etwa das Elterngeld, nicht mehr auf einer klassischen Links-rechts-Achse oder gar in der Entgegensetzung von Reform und Revolution handhabbar seien. Die Linke müsse, wenn sie denn „neu“ sein wolle, um Verfügungsrechte über das ganze Leben, nicht nur über die Produktion, streiten und den Blick über den nationalen Tellerrand hinweg richten.

Die Veranstaltung war der Auftakt einer Reihe, mit der die Rosa-Luxemburg-Initiative mit interessanten  Gästen aus Politik, Kultur und Gesellschaft diskutieren und damit auch die Programmdebatte der neuen Partei bereichern möchte. Die Diskussion war rege und solidarisch. Die Veranstaltung zeigte, dass der Dialog zwischen den Strömungen der Linken, denen individuelle Selbstbestimmung, die Anerkennung von Unterschieden und eine Vielfalt von Lebensformen sehr wichtig ist, und denen, die vor allem auf Gleichheit und materielle Umverteilung setzen weitergeführt werden sollte.

Die Ausstrahlung der neuen parteipolitischen Linken, die sich - erst recht lokal in Bremen - vor allem die Umverteilung auf die Fahne geschrieben hat, muss verbessert werden. Sie wird bislang vor allem „von Männern in grauen Anzügen im Funktionärsjargon“ (R. Misik) und dementsprechenden Inhalten geprägt und setzt auf das Image der Protestpartei mit Anwaltsfunktion. Ein solches (Partei-) Modell hat wenig Verankerung im vorpolitischen Raum und unter MultiplikatorInnen und wenig Ausstrahlungskraft unter den neuen WissensarbeiterInnen. Und ob die Rückkehr zum goldenen Sozialstaat der 1970er Jahre möglich oder gar wünschenswert ist, ist eine weitere Debatte. Notwendig ist eine linke neue „Großidee“ (R. Misik), die die aktuellen Ansprüche vieler nach Kreativität und Flexibilität mit der Notwendigkeit von Gleichheit und Absicherung für viele zusammen denkt.

Links:
Nancy Fraser: Frauen, denkt ökonomisch!, in taz vom 7.4.2005, http://www.taz.de/pt/2005/04/07/a0157.1/text
Matthias Micus/Franz Walter Die Linke: Kader der Arbeitsgesellschaft, in Spiegel Online vom 21.3. 2007, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,472857,00.html
 R. Misik: Eine harte Lehre für metropolitane Kulturlinke: Gleichheit, nicht Differenz ist das Problemfeld der Stunde, in taz vom 3.5.2005, http://www.taz.de/pt/2005/05/03/a0182.1/text
R. Misik: Nach links, ohne Gleichschritt, in 15.06. 2005; http://www.taz.de/pt/2005/06/15/a0160.1/text

Der nächste Termin in der Reihe Forum Moderne Linke findet am 30. Juni 2007 statt:

Forum Moderne Linke 2: Gegenkultur als neue Regierung?

Frisst der Kapitalismus seine Kinder? Nein, er verstrickt sie in Projekte. (Luc Boltanski)

Dies Veranstaltung fragt danach, inwieweit ehemals gegenkulturelle und alternativökonomische Ansätze – wie etwa Netzwerke, Team- und Projektarbeit, Empowerment, Selbsthilfe, Dezentralisierung oder das Einbringen von Subjektivität in die Arbeit– mittlerweile Eingang in „normale“ Arbeitsverhältnisse gefunden haben. Das Streben nach „Autonomie“ und Selbstbestimmung wurde in ein Rationalisierungsinstrument umgewandelt und hat zu einer neuen Form der Selbstregierung und damit zu einer Verfeinerung von Herrschaft beigetragen. Was sind nun zeitgemäße linke politische Strategien für die Veränderungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse? Und soll und kann man und frau mit der solidarischen Ökonomie heute?

Mit Arndt Neumann (Historiker, Hamburg), Peter Birke (Historiker, Gruppe Blauer Montag Hamburg), Dr. Gisela Notz (Frauenforscherin, Bonn), Volker Donk (Mitarbeiter Netzwerk Selbsthilfe e.V., Bremen), Ulrich Steinmeyer (Betriebswirt, mittelständischer Öko-Unternehmer  und Mitglied des Kreistag für Neue Ökologische Linke in Verden/Niedersachsen).

Ort: Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, 28195 Bremen

Weitere Foren in dieser Reihe folgen ab Herbst 2007. Angedacht sind bislang
 „Wohin mit dem Geld?“ Umverteilungsfragen und das Verhältnis von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft
 „Kommen und Bleiben?“ Migration und Rassismus – Demokratie und Differenz
 „Neue Rebellion?“ Rückkehr der Gesellschaftskritik in die Popkultur? – Kultur und Politik

Nächste Veranstaltung zur Begleitung des Parteibildungsprozesses:
Donnerstag 24.05.2007, 19.30 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz 4, Bremen
Buchvorstellung: Die Linkspartei. Ein Bündnis mit Zukunft? Vortrag und Diskussion mit Oliver Nachtwey (Universität Göttingen)

Weitere Information unter www.rosa-luxemburg.com

Bernd Hüttner ist Regionalmitarbeiter der RLS in BremenArndt Hopfmann ist Leiter des Regionalbüros südliches Afrika der Rosa Luxemburg Stiftung in Johannesburg.