Ein soziales Europa oder kein Europa. Das ist die Frage, das ist die Antwort.
Ein Diskussionsangebot für die Konferenz „Europa neu gründen?“ von GUE/NGL und Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 9. bis 11. März 2007.
Von André Brie
"Das 'europäische Sozialmodell' hat seine Zukunft noch vor sich. Die europäische Linke könnte es zu ihrem Markenzeichen machen, zu ihrem gemeinsamen Projekt, wenn sie es sich nur traute."
Michael Krätke
1.
Im Folgenden werden vor allem zwei Überzeugungen vertreten. Erstens: Eine erneuerte deutsche Linke hat eine große politische Chance – aber nur dann, wenn sie eine Reihe von wichtigen Voraussetzungen erfüllt. Eine davon ist es, eine europäische Linke zu sein und die weitere europäische Integration und Einigung aktiv und konkret zu unterstützen. Die erneuerte deutsche Linke wird europäisch oder nicht sein. Zweitens: Es wird kein vereinigtes Europa geben, wenn es kein soziales Europa gibt. Die tiefe Krise der europäischen Integration ist vor allem auf die Abwesenheit dieser entscheidenden Orientierung zurückzuführen. Keine politische Kraft könnte daher gegenwärtig proeuropäischer sein als die Linke, wenn sie diese Herausforderung annähme und ... es sich nur traute.
Für die Linke in vielen Ländern der Europäischen Union, in Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, aber auch in zahlreichen neuen Mitgliedsstaaten, ergibt sich die dringende Frage, ob sie die weitere Integration will, welche Integration sie will, welche Antworten sie für die gravierenden Herausforderungen hat. Ausgesprochen und unausgesprochen gibt es auch in der deutschen Linken antieuropäische Positionen, die teilweise mit ernst zu nehmenden Argumenten vertreten werden.
Ich teile die Kritik an der EU-europäischen Realität: an der Dominanz des Marktradikalismus für die gesamte Entwicklungsrichtung der EU (die Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza, der Verfassungsvertrag, die Dienstleistungsrichtlinie, um nur einige wichtige Erscheinungen zu nennen); an der Abschottung gegenüber dem Süden der Erde; an der Einschränkung von Bürger- und Menschenrechten; an dem akuten Demokratiedefizit; an den machtpolitischen und militärischen Ambitionen in den internationalen Beziehungen und der äußerst unterentwickelten Bereitschaft, die europäischen Außenpolitiken auf die Stärkung der UNO, des Völkerrechts und Multilateralismus sowie auf eine ursachenorientierte und wirkungsvolle zivile Konfliktprävention auszurichten.
Widerstand der Linken gegen diese Politik ist dringend erforderlich und muss deutlich stärker, öffentlich wirksamer und nachhaltiger werden. Das muss allerdings nicht nur auf den Verfassungsvertrag, sondern in gleicher Weise auch auf den geltenden Vertrag von Nizza zutreffen, der alles andere als eine positive Alternative ist, zumal er für weitere Beitritte von Ländern zur Europäischen Union, wie sie von großen Teilen der europäischen Linken unterstützt werden, keinen rechtlichen Rahmen mehr bietet.