Zweiter Entwurf - von der durch die Parteivorstände der Linkspartei.PDS und der WASG eingesetzten, paritätischen Programmgruppe vorgelegt
Der Programmgruppe gehören an: Joachim Bischoff (WASG), Michael Brie (Linkspartei), Wolfgang Gehrcke (Linkspartei), Bernd Ihme (Linkspartei), Dieter Klein (Linkspartei), Ralf Krämer (WASG), Konstanze Kriese (Linkspartei), Julia Müller (WASG), Katina Schubert (Linkspartei), Axel Troost (WASG), Janine Wissler (WASG). Das Dokument basiert auf den im Februar 2006 vorgelegten Eckpunkten (I) und wurde auf der Basis der sehr intensiven Diskussion in beiden Parteien und in der Öffentlichkeit und unter Berücksichtigung der vielen seitdem vorgelegten Positionen grundsätzlich überarbeitet.
I. Gemeinsam für eine andere Politik
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein reiches Land. Allerdings sind die Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum und die Lebenschancen ungleich verteilt. Dabei gibt es neue und auch wachsende Möglichkeiten für ein Leben in Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden. Zerstörerische Prozesse sind die Folge hochkonzentrierter Kapitalmacht, entstehen aus dem neuen Vorrang der internationalen Finanzmärkte und aus dem Übergang der Herrschenden von einer Politik eines sozialstaatlich regulierten Kapitalismus zu einer marktradikalen, neoliberalen Politik.
Unsere Gesellschaft ist wie viele andere in der Welt von Massenarbeitslosigkeit, von wirtschaftlichen und kulturellen Spaltungen geprägt. Unsere Alternative zu den Zerstörungen eines entfesselten Kapitalismus ist die solidarische Erneuerung und konsequent demokratische Gestaltung der Gesellschaft. Die Zerstörung der Natur nimmt immer bedrohlichere Dimensionen an. Krieg ist wieder zum Mittel der Politik geworden. Imperiale Politik und Fundamentalismus verstärken sich wechselseitig.
Einer solchen Entwicklung setzen wir Alternativen entgegen. Die Vielfalt individueller Lebensentwürfe begreifen wir als gesellschaftliche Stärke, deren Basis es durch materielle und soziale Sicherheit kollektiv zu sichern gilt. Wir wenden uns damit gegen eine Politik des Forderns und Förderns, die gesellschaftliche Schieflagen zum individuellen Problem erklären will. Ein grundlegender Politikwechsel für eine sozial gerechtere Gesellschaft verlangt nach Antworten, die die uralte Idee der Solidarität mit den neuen Herausforderungen verbinden. Wir setzen uns angesichts der Entfesselung und Deregulierung im gegenwärtigen Kapitalismus für einen neuen Anlauf gesellschaftlicher Transformation ein, der über den Kapitalismus hinausweist und ihn überwindet.
Die Überwindung der Fehlentwicklungen und sozialen Spaltungen sehen wir in einer umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche. Vor allem die Demokratisierung der Wirtschaft verlangt eine breite Debatte darüber, wie die Verfügungsgewalt über alle Formen des Eigentums sozialen Maßstäben unterworfen werden kann. In diesem Zusammenhang wollen wir klären, wie öffentliches Eigentum als Grundlage demokratischer Politik und Daseinsvorsorge sowohl sozial als auch effizient gestaltet und genutzt werden kann.
Die gemeinsame Partei der Linken erhebt einen solchen politischen Richtungswechsel zu ihrem strategischen Ziel. Dazu brauchen wir die kritische und solidarische Auseinandersetzung mit der Geschichte linker Praxis in der DDR und der BRD. Wir stellen uns bewusst in die Traditionen der Aufklärung und des demokratischen Sozialismus, der großen Emanzipationsbewegungen der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Frauenbewegung, der Umwelt- und Anti-AKW-Bewegung und der Bewegungen gegen staatliche Repressionen und für die Durchsetzung der Grund- und Freiheitsrechte für alle. Wir knüpfen an das Engagement all jener an, die sich für die Beseitigung der Ursachen des Faschismus eingesetzt haben. Unsere Anerkennung gilt den Bemühungen um eine sozial- und wohlfahrtsstaatliche Eindämmung des Kapitalismus ebenso wie Versuchen einer Überwindung der kapitalistischen Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse. Wir werden unterschiedliche Traditionen, Erfahrungen und Kompetenzen jener Kräfte bewahren und erschließen, die gemeinsam unsere neue Partei bilden.
Wir haben aus der Geschichte gelernt: Respekt vor Andersdenkenden ist Voraussetzung von Befreiung. Wir lehnen jede Form von Diktatur ab und verurteilen den Stalinismus als verbrecherischen Missbrauch des Sozialismus. Freiheit und Gleichheit, Sozialismus und Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit sind für uns unteilbar.
Gemeinsam wollen wir eine Partei bilden, wie es sie in Deutschland noch nicht gibt - Linke einigend, demokratisch und sozial, feministisch und antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend. Wir sind Teil der europäischen Linken. Wir sind Teil der Bewegungen überall auf der Erde, die dafür kämpfen: Eine andere Welt ist möglich.
II. Eine andere Welt ist nötig
In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine weltweite, vor allem ökonomische Krise. Die Wachstumsraten der schwerfälligen Planwirtschaften des Staatssozialismus sanken stark. Die Ölkrise markierte eine Rezession der kapitalistischen Weltwirtschaft. Die nachholende Entwicklung des Südens, die mit der Entkolonialisierung hoffnungsvoll begonnen hatte, war in großen Regionen rückläufig. In derselben Zeit entstanden Bewegungen für mehr Freiheit, Solidarität und Demokratie. Sie wurden von den Herrschenden bekämpft und wie im Fall des Prager Frühlings oder der chilenischen Volksfront-Regierung unter Salvador Allende sogar mit Waffengewalt niedergeschlagen. Die kapitalistischen Länder suchten den Ausweg aus der Krise im Neoliberalismus, in der Ablegung sozialstaatlicher "Fesseln". Als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion das größte Gegengewicht wegfiel, konnten sich die zerstörerischen Tendenzen des ungehemmten Marktes immer mehr entfalten. Heute bestimmen transnationale Konzerne und die Kapital- und Finanzmärkte zunehmend die gesellschaftliche Entwicklung.
Der Neoliberalismus tritt im Namen von mehr Freiheit an, doch neue Freiräume werden der Kapitalverwertung unterworfen. Neoliberale Kräfte fordern weniger Staat und bauen den Sozialstaat zugunsten eines repressiven Wettbewerbsstaats ab. Sie berufen sich auf die Demokratie und setzen die Schwächung der Gewerkschaften und anderer demokratischer Organisationen und Bewegungen durch. Sie verfolgen eine unsolidarische Politik der Privatisierung, Deregulierung und der Unterordnung aller Lebenssphären unter die Märkte. Sie lösen neue imperiale Kriege aus und verschärfen täglich die Terrorgefahren. Statt Chancengleichheit zu fördern, vergrößern sie die Kluft zwischen Oben und Unten. Niedriglohnsektoren breiten sich aus. Steigende Gewinne gehen Hand in Hand mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit. Große Teile der Bevölkerung wenden sich von der demokratischen Willensbildung ab.
Ein Widerspruch wird immer stärker: Auf der einen Seite sind Produktivität, Bildungsstand, wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit, internationale Arbeitsteilung, Frauenemanzipation und Individualitätsentwicklung fortgeschrittener denn je. Armut, Hunger, Slums, Analphabetismus und viele Krankheiten können überwunden werden. Die überkommene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und die tiefsitzenden patriarchalen Verhaltensmuster sind historisch überholt. Mit weniger Arbeitszeit unter humanen Bedingungen und ökologisch verträglich kann eine bessere Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erreicht werden. Ein grundlegend neues Verhältnis zur Natur ist möglich. Eine globale solidarische Entwicklung aller Völker und Regionen in Frieden, eine Weltgesellschaft der Freien und Gleichen kann das 21. Jahrhundert prägen.
Auf der anderen Seite stehen diesen Möglichkeiten die Herrschafts- und Eigentumsstrukturen des modernen Kapitalismus entgegen. Durch die globalen Finanzmärkte wirken die Renditeansprüche des Kapitals schrankenlos und weltweit. Arbeitsplatzverlust, Realeinkommenssenkung und unsichere Beschäftigungsverhältnisse sind für viele Menschen Alltag. Die an den Kapitalbedürfnissen ausgerichtete Flexibilisierung der Produktion und des Arbeitsmarkts zerstört das Familien- und Gemeinschaftsleben. Öffentliches Eigentum wird privatisiert und politischer Gestaltung entzogen. Immer schneller wird die Zerstörung sozialer Sicherheit vorangetrieben. Im Gegensatz zu einer Reihe anderer Länder werden in unserem Land die Wege zur Zurückdrängung von Arbeitslosigkeit und Armut nicht beschritten.
Die offen hervortretende Klassenspaltung der Gesellschaft fällt zusammen mit anderen Unterdrückungsverhältnissen: Trotz Gleichstellungsbemühungen ist die Privilegierung von Männern strukturell ungebrochen. Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung und Religion werden diskriminiert. Rassismus und Antisemitismus nehmen zu.
Der globale Kapitalismus verschärft die Umweltkrise. Seine Wirtschaft tickt nach kurzfristigen Börsenkursbewegungen. Dies steht in einem tiefen Widerspruch zu den langfristigen Zyklen der Natur. Umwelttechnologien sind hoch entwickelt, aber der ökologische Umbau von Wirtschaft und Lebensweisen wird nirgendwo energisch angepackt.
Neoliberaler Kapitalismus bedeutet Entdemokratisierung. Bei den internationalen Finanzfonds, transnationalen Konzernen und in den supranationalen Organisationen des globalen Kapitalismus - Welthandelsorganisation, Internationaler Währungsfonds, Weltbank usw. - ist eine ungeheure Machtfülle konzentriert. Sie sind jeder demokratischen Kontrolle entzogen. Die Substanz der Demokratie wird ausgehöhlt. Mit dem proklamierten "Krieg gegen den Terrorismus" wird eine massive Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten gerechtfertigt. Es wird immer ungehemmter zu barbarischen Methoden der Herrschaft gegriffen.
Die imperiale Politik unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika zielt auf eine ganz der Kapitalverwertung untergeordnete Welt, auf die ungehinderte Verfügung über Rohstoffe und Energieträger, auf Ausweitung von Herrschaft und Einflusssphären. Aufgekündigt ist die Norm des Völkerrechts, die jeden Angriffskrieg verbietet. Die NATO und die Europäische Union setzen auf globale Eingreiftruppen. Im Namen eines Kreuzzuges gegen den Terrorismus kommen Tausende unschuldiger Menschen ums Leben. Eine Spirale der Gewalt erzeugt immer neue Bereitschaft zu Terrorakten, der menschenverachtenden Antwort auch auf die Arroganz imperialer Macht und die tiefen Gräben zwischen reichen und armen Ländern.
III. Unsere Alternative: Soziale, demokratische und friedensstiftende Transformation statt Entfesselung des Kapitalismus
Eine andere Politik ist nötig und möglich. Die neue Linke unterbreitet eigene Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart - auf die gewachsene internationale Verflechtung, die chronische Massenarbeitslosigkeit, die Krise der sozialen Sicherungssysteme, die Begrenztheit von Ressourcen und der ökologischen Belastbarkeit der Erde, den Wandel der Altersstruktur der Gesellschaft. Wir bestreiten, dass es wegen begrenzter wirtschaftlicher Potenziale unumgänglich sei, von der Bevölkerung Verzicht auf Sicherheit, Selbstbestimmung und eine hohe Lebensqualität zu verlangen.
Die neue Linke legt programmatische Grundzüge einer umfassenden gesellschaftlichen Umgestaltung vor, um die Vorherrschaft der Kapitalverwertung über Wirtschaft und Gesellschaft zu beenden und den Herausforderungen der Gegenwart mit einem alternativen Entwicklungsweg zu begegnen. Es ist ein Programm des Richtungswechsels der Politik und der Erneuerung der Demokratie.
Unsere Ziele sind
- eine Demokratisierung der Gesellschaft, die allen gleiche Mitgestaltungsmöglichkeiten garantiert. Dazu gehört der Kampf gegen die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus;
§ eine soziale Gestaltung von Arbeit und Wirtschaft: Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor für Männer und für Frauen die Möglichkeit zur Teilhabe an Erwerbstätigkeit und deren soziale Gestaltung. Dies ist Bedingung und Grundlage für vielfältige andere Tätigkeiten. - eine Wirtschaftsdemokratie, die alle Formen des Eigentums sozialen Kriterien unterwirft. Im öffentlichen Eigentum an Einrichtungen der Daseinsvorsorge sehen wir eine unverzichtbare Grundlage einer solidarischen Gesellschaft;
- eine neue Solidarität auf der Basis moderner öffentlicher Dienstleistungen, solidarischer Sicherungssysteme und des ökologischen Umbaus der Gesellschaft als Grundlage eines selbstbestimmten Lebens in Sicherheit;
- eine internationale Ordnung des Friedens, der kollektiven Sicherheit und einer solidarischen Entwicklung, zu der eine veränderte Europäische Union beitragen soll.
Wir streiten für eine Gesellschaft, die gleiche Teilhabe für jede und jeden an der Gestaltung der Gesellschaft und an den Bedingungen eines selbstbestimmten Lebens in Freiheit, sozialer Sicherheit und Solidarität ermöglicht. Notwendig ist die Überwindung aller Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Karl Marx). Demokratischer Sozialismus ist für viele von uns ein emanzipatorischer und transformatorischer Prozess, der in der heutigen Gesellschaft beginnt und zugleich über diese hinausweist.
1. Arbeit: Selbstbestimmt und solidarisch statt abhängig und in Konkurrenz
Erwerbsarbeit steht heute mehr denn je in einem Spannungsverhältnis zwischen Streben nach Selbstverwirklichung auf der einen sowie Ausbeutung und Unsicherheit auf der anderen Seite. Ein Teil der Lohnarbeitsverhältnisse ist bestimmt durch wachsende Autonomie in der Arbeit. Gleichzeitig breiten sich soziale Unsicherheit, Massenarbeitslosigkeit, niedrige Löhne, extreme Abhängigkeit und Unterordnung aus. Arbeit im Haushalt, partnerschaftliche Fürsorge, soziale Arbeit werden auch weiterhin vor allem von Frauen verrichtet. Der Anteil von Migrantinnen und Migranten an schlecht bezahlter Arbeit ist besonders hoch.
Wir streben eine Gesellschaft an, in der jede Frau und jeder Mann an allen Formen der Arbeit - Erwerbsarbeit, Arbeit in Familien und Partnerschaften, ehrenamtlicher Arbeit und Arbeit in der Freizeit - teilhaben kann und diese Arbeiten gerecht verteilt sind. Das wollen wir als neue Vollbeschäftigung.
Um dieses Ziel einer Neuorganisation gesellschaftlicher Lebenschancen und Arbeit zu erreichen, setzen wir uns ein für eine Zurückdrängung der Macht der Finanzmärkte, für eine deutliche Verringerung der Einkommens- und Vermögensunterschiede, für eine Ausweitung öffentlicher Investitionen, für die Aufwertung der Eigentumsformen einer solidarischen Ökonomie und ein umfassendes System sozialer Sicherheit. Für die Lohnarbeit heißt dies
- Arbeitszeitverkürzung: Wir wenden uns gegen die Verlängerung der Arbeitszeiten und fordern ihre schrittweise Verkürzung. Langfristig streben wir eine 30 Stundenwoche, Wahlarbeitszeiten und Zeitsouveränität als Grundlage einer neuen Verteilung von Erwerbsarbeit und anderen Arbeitsformen an. Aufgrund der steigenden Produktivität der Arbeit kann dies erreicht werden, ohne dass die Einkommen sinken.
- neue Arbeitsplätze durch ökologischen und sozialen Umbau, darauf konzentrierte öffentliche Zukunftsinvestitionsprogramme und Förderung technologischer Innovationen sowie den bedarfsgerechten Ausbau öffentlicher Dienstleistungen in den Bereichen von Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur sowie öffentlichem Personenverkehr und anderen Bereichen der Daseinsvorsorge.
- öffentlich geförderte und gestaltete Beschäftigungssektoren mit genossenschaftlichen Elementen, die jene sozialen, kulturellen und ökologischen Bedürfnisse befriedigen, die weder der Markt noch der öffentliche Dienst abdecken.
- eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich auf diejenigen konzentriert, die besonders schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir wollen, dass ihnen durch Konzentration öffentlicher Finanzmittel und durch ihre Kombination mit anderen Fonds reguläre, versicherungspflichtige, tariflich bezahlte Arbeitsplätze angeboten werden.
- eine Nutzung der Produktivitätsgewinne für höhere Reallöhne und Arbeitszeitverkürzung.
- einen gesetzlichen Mindestlohn in existenzsichernder Höhe.
- die Durchsetzung eines neuen Normalarbeitsverhältnisses auf der Basis der vollen sozialen Absicherung aller Beschäftigungsverhältnisse und der Humanisierung der Arbeit, der Tarifautonomie und der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge, eines hohen Kündigungsschutzes und starker Mitbestimmungsrechte aller Beschäftigten sowie der Angleichung der Löhne von Frauen an die der Männer.
- Gültigkeit der inländischen Sozialstandards für alle hier Arbeitenden durch Ausdehnung des Entsendegesetzes auf alle Branchen und eine grundlegende Reform der europäischen Dienstleistungsrichtlinie, um alle Formen von Dumpingkonkurrenz zu verhindern und gemeinwohlorientierte Dienstleistungen zu sichern.
- Vergabe öffentlicher Aufträge an solche Unternehmen, die hohe soziale Standards einhalten.
2. Wirtschaft: Nachhaltig dem Gemeinwohl verpflichtet statt kapitaldominiert und umweltzerstörend
Die neoliberale Gegenreform hat die Macht der Finanzmärkte, der transnationalen Kapitalgesellschaften, der Marktsteuerung und der Großkonzerne gestärkt. Fünfhundert Konzerne kontrollieren die Hälfte des Weltsozialprodukts. In den Machtzentren des Finanzkapitals wird weltweit nahezu unkontrolliert über Investitionen, Arbeitsplätze und die Lebensperspektiven von Milliarden Menschen entschieden. Die Kapitalrendite ist wiederum zum Maß aller Verhältnisse geworden. Die heutige Wirtschaftsordnung führt zu Niedrigstlohnkonkurrenz, Armutsmigration, Umweltzerstörung, schreiender Ungerechtigkeit und Elend für sehr viele Menschen.
Um ein selbstbestimmtes Leben, sinnvolle und sozial gestaltete Arbeit für alle zu ermöglichen, einen ökologischen Umbau einzuleiten, die sozialen Sicherungssysteme zu erneuern und solidarische Entwicklung global zu ermöglichen, ist ein grundsätzlicher Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik unumgänglich.
Die Linke tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäischen Union ein. Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik anstelle von deren Unterordnung unter Marktzwänge. Sie misst längerfristiger Struktur-, Wissenschafts- und Technologiepolitik erhebliches Gewicht bei. Sie betrachtet gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln als wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch sie strebt eine neue sozial-ökologische Rahmensetzung für die Marktmechanismen an, weil ohne Mitbestimmung, gewerkschaftliche Gegenmacht und sozialstaatliche Regulierung private Unternehmerinteressen zu volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verlustreichen Fehlentwicklungen führen. Für mehr Investitionen und die Sicherung des Sozialstaats braucht der Staat Geld. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Durch höhere Einnahmen kann auch die Verschuldung sozial gerecht abgebaut werden.
Zur Einleitung einer wirtschaftspolitischen Umkehr setzen wir uns ein für
- öffentliche beschäftigungsfördernde Zukunftsinvestitionsprogramme: Die öffentlichen Investitionen müssen mindestens auf das westeuropäische Durchschnittsniveau, also um jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro, angehoben werden.
- einen ökologischen Umbau: Dazu gehören der Übergang zur Nutzung erneuerbarer Energien, die Verringerung des Energieeinsatzes und erhöhte Energieeffizienz, eine ökologische Wende in der Verkehrsentwicklung und die Vermeidung von Abfällen, um einen wirksamen Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe zu leisten und aus der Sackgasse atomar-fossiler Energiewirtschaft herauszukommen. Wir wollen den Ausbau der ökologischen Land- und Waldbewirtschaftung und die Förderung eines deutschland- und europaweiten Schutzgebietssystem zur Erhaltung der Artenvielfalt. Durch das Steuer- und Abgabensystem soll umweltfreundliches Handeln finanziell belohnt und handeln, das ökologische Schäden verursacht, belastet werden.
- gerechte Steuerpolitik: Konzerne und andere profitable Unternehmen müssen wieder deutlich mehr Steuern zahlen. Es soll wieder eine Vermögenssteuer erhoben werden, die Erbschaftssteuer auf große Erbschaften ist zu erhöhen. Steuerschlupflöcher, die insbesondere Vermögende und Großverdiener begünstigen, sind konsequent zu schließen und Wirtschaftskriminalität ist entschiedener zu bekämpfen. Veräußerungsgewinne beim Verkauf von Wertpapieren und Immobilien wollen wir ohne Spekulationsfristen besteuern. Der Spitzensteuersatz soll auf mindestens 50 Prozent angehoben werden.
- die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und die Dezentralisierung privater wirtschaftlicher Macht: Dies verlangt unter anderem Beschränkung der Wertpapier- und Devisenspekulation, europäische Regelungen für die Eindämmung von Kapitaltransfers in Steueroasen sowie eine Verschärfung der Kartellgesetzgebung.
- die Förderung von Genossenschaften und anderer Formen solidarischer Ökonomie.
3. Sozialsysteme: Sicherheit und Förderung für jede und jeden statt Zwang und sozialer Spaltung
Sozialabbau, Privatisierung, Massenarbeitslosigkeit, unsichere Beschäftigung und stagnierende bzw. sinkende Einkommen haben die bisherigen Sozialsysteme in eine Krise geführt. Sie entsprechen nicht mehr den neuen Lebensläufen und Bedürfnissen. Die solidarischen Sicherungssysteme und der Sozialstaat sind eine wesentliche Errungenschaft. Nur auf Rechtsansprüchen gegründete soziale Sicherheit ermöglicht Freiheit für alle, nicht allein für die Vermögenden.
Die Partei der Linken setzt sich für eine Erneuerung des Sozialstaats und der öffentlichen Dienstleistungen ein. Soziale Sicherheit soll der Entfaltung der Persönlichkeit Rückhalt geben, einen umfassender Schutz aller Mitglieder der Gesellschaft vor den großen sozialen Risiken, eine Sicherung des Lebensstandards im Alter, bei Erwerbsunfähigkeit und Erwerbslosigkeit gewährleisten, Armut verhindern und die Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt der Lebensweisen ermöglichen.
Zur Verwirklichung dieser Aufgaben treten wir ein für
- die Überwindung der Hartz-IV-Gesetze.
- die Demokratisierung sozialer Sicherungssysteme, Stärkung ihrer solidarischen Elemente und die Erneuerung der Selbstverwaltung.
- die geschlechtergerechte Gestaltung aller sozialpolitischen Beiträge und Leistungen.
die Einführung einer Grundsicherung: Wer von Armut bedroht ist, soll Anspruch auf eine individuelle, steuerfinanzierte, bedarfsorientierte soziale Grundsicherung haben, ohne Repressionen fürchten zu müssen. Zumutbare Arbeitsangebote müssen die Qualifikation berücksichtigen und tariflich bezahlt sein. Wir diskutieren weiter mit unterschiedlichen Kräften über Vorschläge für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
- eine neue Rentenpolitik: Mit höheren Löhnen müssen auch wieder die Renten steigen. Die gesetzliche Rentenversicherung soll in eine Erwerbstätigenversicherung umgewandelt werden, in die schrittweise Angehörige aller Berufsgruppen einbezogen werden. Wir fordern, Diskriminierungen im Rentenrecht für Ostdeutsche endgültig zu beseitigen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 65 Jahre lehnen wir ab.
- eine solidarische Bürgerversicherung im Gesundheitswesen: Die gesamte Bevölkerung soll in einer sozialen Krankenversicherung sein, die alle medizinisch notwendigen Leistungen trägt. Alle Einkommen sollen einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenzen angehoben werden. Wir wollen die paritätische Finanzierung der Beiträge durch die Arbeitsgeber wieder herstellen.
- einen Umbau des Gesundheitswesens: Durch Strukturreformen soll die hochwertige medizinische Versorgung für alle gewährleistet werden. Dringlich sind eine bessere Kooperation zwischen den Ärzten, Krankenhäusern und allen Leistungserbringern, die Förderung von Gesundheitszentren, die Begrenzung der Profite der Pharmakonzerne durch Einführung einer Positivliste für Arzneimittel, ein größeres Gewicht von Vorbeugung und Nachsorge und die Verbesserungen von Arbeitsbedingungen und Entlohnung für das medizinische und pflegerische Personal sowie gestärkte Rechte der Patientinnen und Patienten.
- den Erhalt der öffentlichen kommunalen Daseinsvorsorge: Öffentliche Daseinsvorsorge für Bildung, Gesundheit, Betreuung und Kultur, für Mobilität, Wasser, Gas und Strom ist elementarer Bestandteil sozialer Sicherheit. Deshalb verteidigen wir die öffentliche Daseinsvorsorge und treten für ihre Ausweitung ein. Wir wollen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums an Wohnungen und Versorgungsunternehmen verhindern.
4. Politik: Mehr Demokratie wagen statt autoritäre "Sachzwang-Politik"
In immer mehr Bereichen der Gesellschaft registrieren wir eine Einschränkung demokratischer Rechte auch mittels internationaler Organisationen und europäischer Einrichtungen. Der so genannte Krieg gegen den Terror wird für den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten genutzt. Diese Tendenzen wollen wir umkehren.
Als Linke verlangen wir, dass über die wirtschaftliche, politische und kulturelle Ordnung unserer Gesellschaften und ihre Entwicklung demokratisch entschieden wird.
Wir stehen für eine Demokratisierung der Demokratie und fordern
- eine Stärkung der individuellen Rechte: Staatliches Handeln muss immer überprüfbar und die Einzelnen müssen vor ungerechtfertigten Zugriffen des Staats geschützt sein. Deswegen ist der Rechtsstaat mit der Rechtswegegarantie für uns ein hohes Gut und wir brauchen unabhängige Kontrollinstanzen gegenüber den staatlichen Sicherheitsorganen. Wir halten an der strikten Trennung von Polizei und Bundeswehr sowie von Polizei und Geheimdiensten fest. Das Recht, selbst über die eigenen Daten und ihre Verwendung zu bestimmen, ist für uns unveräußerlich.
- Wirtschaftsdemokratie: Wir streben die Demokratisierung der Verfügungsgewalt über alle Formen von Wirtschaftsmacht an. Durch paritätische Mitbestimmung der Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der Regionen und Verbraucher soll die Macht des Kapitals demokratischen Interessen untergeordnet werden. Wir fordern die gesetzliche Zulassung politischer Streiks.
- Geschlechterdemokratie: Der Grad gesellschaftlicher Demokratie misst sich für uns an der Freiheit der Frauen, differenzierte Lebensentwürfe und Orientierungen umsetzen zu können. Für uns sind Quotierung und ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, die Gleichstellung von Frauen in den Systemen sozialer Sicherung und Gesundheit, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, bedarfsdeckender Ausbau von Ganztagseinrichtungen zur Kinderbetreuung sowie ein Elterngeld, das starke Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsarbeit unter beiden Eltern setzt, zentrale Forderungen. Die Trennung in männliche und weibliche soziale Rollen wollen wir überwinden. Wir verlangen die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Gewalt gegen Frauen bekämpfen wir, indem wir ihre Rechte stärken, eine umfassende Infrastruktur von Beratungs- und Schutzeinrichtungen fördern und die Selbstorganisation von Frauen unterstützen.
- eine enge Verbindung von parlamentarischer und direkter Demokratie: Volksbegehren und -entscheide sowie Bürgerhaushalte sollen mehr Einfluss und Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen.
- die Stärkung demokratischer Mitwirkung: Für Umweltorganisationen, Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Vereine und andere zivilgesellschaftliche Kräfte sowie Bürgerinnen und Bürger wollen wir demokratische Planungs-, Kontroll- und Einspruchsrechte.
- gleiche Rechte: Allen in Deutschland und der Europäischen Union lebenden und arbeitenden Menschen stehen gleiche Rechte einschließlich des Wahlrechts zu. Wir begreifen die vielfältigen Herkunftsländer der deutschen Bevölkerung als Bereicherung und nehmen die Gestaltung der Integration der eingewanderten und schon lange hier lebenden Bevölkerung als gesellschaftliche Herausforderung an.
- offene Grenzen für Menschen in Not - daran halten wir fest: Wir setzen uns für die Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl ein und werben für die Harmonisierung des Asylrechts in Europa auf hohem Niveau.
- Ächtung des Rechtsextremismus und Neonazismus: Wir werden sie bekämpfen, den öffentlichen Raum gegen sie verteidigen und die antifaschistische Bildungsarbeit intensivieren. Deswegen wollen wir zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rechtsextremismus wirkungsvoller machen, u.a. indem wir dafür sorgen, dass entsprechende Initiativen und Beratungsteams öffentliche Mittel erhalten.
5. Wissenschaft und Bildung, Medien und Kultur: Beitrag zu Aufklärung und Emanzipation statt Selbstvermarktung
Die Revolution der Informations- und Kommunikationstechnologien hat die Chancen für die freie Entwicklung der Einzelnen außerordentlich erhöht. Der Neoliberalismus nutzt diese neuen Potenziale, ordnet sie der Standortkonkurrenz und dem Zwang zur Selbstvermarktung unter. Statt Bildung wird marktfähiges Wissen gefordert, Lernen für eine ungewisse Zukunft, kulturelle Debatten über Alternativen werden von Stereotypen der Medien- und Werbewelt überlagert. Experimentelle Ideen und künstlerische sowie wissenschaftliche Grundlagenforschung sind bedroht.
Mit unseren politischen Alternativen wollen wir den kreativen Freiraum aus den Nischen holen. Wir streben an, dass Bildung ein eigenständiges und freies Leben ermöglicht, dass Wissenschaft und Kultur demokratisches Gut und der Allgemeinheit verpflichtet sind.
Dazu braucht es unseres Erachtens
- ein wohnortnahes und qualifiziertes staatliches Bildungssystem: Wir setzen uns ein für die Aufwertung der vorschulischen Bildung, eine ganztägige integrative Schule von der ersten bis zur neunten Klasse, ein breites Angebot an Volkshochschulen, Musikschulen sowie Sportstätten.
- den Erhalt und Ausbau des dualen Berufsschulsystems: Es ist Grundlage eines flächendeckenden und auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots und braucht eine Umlagefinanzierung.
- Abschaffung von Gebühren im Bildungsbereich: Bildung ist für uns ein öffentliches Gut, das wegen seiner Bedeutung kostenfrei zugänglich sein soll.
- Demokratisierung der Hochschulen: Die profitorientierte Einflussnahme auf Universitäten und Hochschulen soll zurückgedrängt und die öffentliche Finanzierung ausgebaut werden. Wir streben an den Hochschulen eine drittelparitätische Selbstverwaltung an. Der Zugang zu allen Studienabschlüssen soll frei bleiben. Wir treten ein für die Stärkung der Grundlagenforschung, für ein ausgewogenes Verhältnis von theoretischer und anwendungsorientierter Forschung und Lehre, für den Abbau hierarchischer Strukturen und größere Selbstständigkeit des wissenschaftlichen Mittelbaus.
- Neuausrichtung der Forschung: Die wissenschaftliche Forschung sollte ausgehend von demokratischen Entscheidungen auf die entscheidenden ungelösten Probleme der Gesellschaft konzentriert werden. Wir wenden uns gegen Patente auf Gene von Lebewesen oder Teilen von Lebewesen, insbesondere von Menschen sowie von Software.
- kulturelle Freiheit und Vielfalt: Kultur- und Medienpolitik sollte der Trägervielfalt kultureller Produktion gerecht werden und öffentliche und gemeinnützige Institutionen und privatwirtschaftliche Verlage, Studios, Agenturen und künstlerischer Produktionsfirmen fördern.
- kooperativer Kulturföderalismus mit europäischer Dimension: Er hat lebenswerte Kommunen zum Ausgangspunkt, die in der Lage sind, das regionale Kulturleben in allen sozialen Milieus zu fördern und Freiräume für die kulturelle Selbstbestimmung aller Altersgruppen zu gewährleisten.
- Informations- und Meinungsfreiheit: Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Pressefreiheit in den Redaktionen der Medienkonzerne sichern. Eine deutliche Verschärfung der Kartellgesetzgebung soll die Monopolisierung der Massenmedien beenden. Die Rechte der Urheberinnen und Urheber gegenüber den Verwertungsunternehmen wollen wir stärken und zugleich einen Ausgleich finden, damit nichtkommerzielle Nutzung möglichst wenig einschränkt wird.
6. Regionalentwicklung: Ein Neubeginn für Ostdeutschland und strukturschwache Gebiete Westdeutschlands statt Spaltung
Die neoliberale Standortkonkurrenz verschärft die regionale Ungleichheit. Metropolen und Wachstumszentren stehen strukturschwache, abgehängte, entleerte Gebiete gegenüber. Die Form der deutsch-deutschen Vereinigung hat das Land zwischen Elbe und Oder in eine strukturell abhängige Transferregion verwandelt.
Eine Politik des "Weiter so" ist unverantwortlich. Es ist höchste Zeit für einen Perspektiven- und Strategiewechsel. Das langfristige Ziel ist eine selbst tragende wirtschaftliche und soziale Entwicklung für Ostdeutschland wie für alle strukturschwachen Regionen der Bundesrepublik. Eine andere Wirtschaftspolitik in Deutschland ist dafür eine notwendige Bedingung. Die Gestaltung neuer Entwicklungswege für Ostdeutschland verlangt eine neue gesamtdeutsche Innovations-, Investitions- und Strukturpolitik sowie eine verstärkte Förderung der Selbstorganisation von unten - in den lokalen Räumen, Regionen, Ländern. Notwendig sind besonders:
- Anerkennung und Respekt: Wir fordern gleiche Rente bei gleicher Lebensleistung und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Wir treten für gleichen Respekt vor den Lebensleistungen in Ost und West ein.
- eine neue Regionalpolitik: Das heißt vor allem eine Konzentration auf die in allen Regionen vorhandenen, jedoch ganz unterschiedlichen Entwicklungspotenziale - gleich ob Hightech, gewerbliche Wirtschaft, Hochschulen, Gesundheitswirtschaft, Kultureinrichtungen, Naturtourismus, Bio-Landwirtschaft - und ihre gezielte Förderung als Bedingung des Erhalts der vorhandenen und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Notwendig ist die kooperative Verflechtung von Wachstumszentren, strukturschwachen, ländlichen und peripheren Räumen. Erforderlich sind spezifische regionale Entwicklungskonzepte, die eine lebenswerte Zukunftsperspektive für alle Regionen schaffen.
- Verstärkte Investitionen in Bildung, Qualifikation und Forschung: von den Kindertagesstätten über Hochschulen und Forschungseinrichtungen bis zu innovativen Unternehmen und Wirtschaftskreisläufen.
- eine veränderte Industrie-, Landwirtschafts- und Strukturpolitik: Sie soll Zukunftsbranchen und -unternehmen fördern und gemeinsam mit Wissenschaftseinrichtungen Zentren regionaler Wirtschaftsentwicklung schaffen, die zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe beitragen. Bedingungen dafür sind ausreichende Kreditvergabe durch Landesbanken und Sparkassen an die oft eigenkapitalschwachen ostdeutschen Unternehmen sowie Planungssicherheit für die Verfügung über Mittel aus der EU, dem Bundeshaushalt und dem Solidarpakt. Länder mit besonders großen Struktur- und Haushaltsproblemen sollen statt der Hälfte nur noch einen kleineren Teil der Fördermittel kofinanzieren müssen.
- eine Steuer- und Finanzreform, die die Länder und Kommunen mit den notwendigen Mitteln für eine nachhaltige Entwicklung ausstattet.
7. Internationale Politik und Europäische Union: Eine Welt des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und Demokratie statt Militarisierung und Privatisierung
Das Ende des Kalten Kriegs wurde zum Beginn einer Welle neuer Kriege. Der Kampf um die globale Vorherrschaft, den Zugang zu wichtigen Ressourcen und geopolitische Kontrolle wird offen militärisch ausgetragen. Die weltweiten Rüstungsausgaben sind auf über 1000 Milliarden Dollar gestiegen. Das Scheitern der eigenständigen Entwicklung sowie Armut, Umwelt- und ethnische Konflikte in einer ganzen Reihe von Weltregionen haben viele Staaten an den Rand des Zerfalls gebracht und anhaltende Bürgerkriege ausgelöst. Die Europäische Union trägt durch eine neoliberale Politik und Militarisierung zu diesen Tendenzen bei.
Eine Umkehr ist nötig. Außen- und Friedenspolitik von Linken hat ihre Grundlage im Völkerrecht, strebt nach globaler Gerechtigkeit und der Verwirklichung der Menschenrechte, verlangt die weltweite Ächtung von Massenvernichtungswaffen. Nur soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und Demokratie garantieren Stabilität und friedliche Zusammenarbeit. Unsere Alternativen sind:
- Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden: Von deutschem und europäischem Boden dürfen keine Kriege ausgehen. Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden. Die Nutzung von ausländischen Militärbasen auf dem Boden der Bundesrepublik für Aggressionskriege und menschenrechtsfeindliche Verschleppungen muss beendet werden. Militärbündnisse wie die NATO wollen wir überwinden. Die militärischen Potentiale der EU müssen reduziert und in Richtung einer strukturellen Nichtangriffs- und Nichtinterventionsfähigkeit umgebaut werden. Zivile Konfliktvorbeugung und -lösung haben Priorität. Deutschland soll auf die Entwicklung und die Produktion von Angriffswaffen verzichten, Rüstungsexporte verbieten, die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland aufkündigen und Abrüstung zur Staatsaufgabe machen, auch durch mutige einseitige Schritte. Weltweite Abrüstung und ein Verbot aller Massenvernichtungswaffen gehören auf die internationale Tagesordnung.
- Errichtung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung: Dazu gehören Schritte zur Kontrolle und Regulierung der internationalen Finanzmärkte, Stopp der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, Überführung wichtiger Naturressourcen in Staatseigentum, eine umfassende Entschuldung armer Länder, die Anhebung der Entwicklungshilfe auf über 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Nachhaltige Entwicklung und soziale Rechte müssen Vorrang vor kapitalorientierter Liberalisierung haben.
- Reform der UNO: Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, eine Welt des Friedens und der Wahrung der Menschenrechte zu erreichen, erfordert eine weitere Stärkung der UNO, mehr Rechte der Vollversammlung gegenüber den Ansprüchen der Welt- und Großmächte. Verschleppungen, geheime Gefängnisse und Folter sind weltweit zu ächten. Die Koordination der internationalen Anstrengungen für eine gerechte Weltwirtschafts- und Sozialordnung sollte bei einer demokratisierten und gestärkten UNO liegen.
- Wandel der Europäischen Union: Die Linke tritt dafür ein, dass sich die EU von einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer europäischen Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion entwickelt. Wichtige erste Schritt wären ein europäisches Zukunftsinvestitionsprogramm für Arbeit und Umwelt und eine Mindestbesteuerung von Kapitalerträgen und Unternehmensgewinnen sowie eine demokratischer Kontrolle der Europäischen Zentralbank. Nationalstaaten und Europäische Union müssen ein neues Verhältnis eingehen. Der Schlüssel dafür ist die Demokratisierung der Nationalstaaten und der EU.
IV. Für einen Richtungswechsel
Noch herrscht der neoliberale Zeitgeist. Neue Streiks, die Demonstrationen gegen die Agenda 2010 und Hartz IV sowie die Wahlerfolge der Linken zeigen, dass dies nicht so bleiben muss. Bürgerinnen und Bürger beginnen sich zu wehren. Es ist die strategische Kernaufgabe der Linken, zur Veränderung der Kräfteverhältnisse als Voraussetzung für einen Richtungswechsel beizutragen. Deshalb haben wir uns auf folgende strategische Ziele verständigt:
- Auseinandersetzung mit der Ideologie des Neoliberalismus und Entwicklung von Alternativen: Wir setzen der neoliberalen Ideologie alternative Positionen eines anderen Entwicklungsweges entgegen. Diese werden wir mit den Erfahrungen und Konflikten in den Betrieben und im Alltagsleben verknüpfen und in der öffentlichen Auseinandersetzung populär und offensiv vortragen. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme verstehen wir vor allem als Ergebnisse falscher, neoliberal geprägter Antworten auf die neuen Herausforderungen unter dem Einfluss von Kapitalinteressen sowie als Ausdruck von Krisenprozessen und Widersprüchen, die die kapitalistische Ökonomie hervorbringt. In der öffentlichen Debatte hebt die Linke den Widerspruch zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive hervor. Dringlich sind Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen, breit angelegte Bildungsarbeit, Bildung von Netzwerken und das Eingreifen in wissenschaftliche Diskussionen.
- Bündnis gegen den Neoliberalismus: Die Überwindung des Neoliberalismus wird nur gelingen, wenn sich in der Gesellschaft ein breites Bündnis und eine politische Sammlungsbewegung für einen Richtungswechsel formieren. Wir gehen von den gemeinsamen Interessen abhängig Arbeitender in der Bundesrepublik und im europäischen und internationalen Maßstab aus. Wir wollen zu einem sozialen Bündnis beitragen, das hochqualifizierte Beschäftigte und Kernbelegschaften wie auch in unsicheren und Teilzeitarbeitsverhältnissen Tätige sowie Erwerbslose, Selbständige und sozial orientierte Unternehmerinnen und Unternehmer zusammenführt. Wir werden Bündnisse gegen den Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unterstützen. Wir wollen alle Menschen ansprechen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Emanzipation und mehr Demokratie, Frieden und Erhaltung der Natur einsetzen, unabhängig von ihrer Herkunft und Weltanschauung.
- Strategische Zusammenarbeit: Die Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ist nur möglich, wenn sich die politische Linke gemeinsam mit starken Kräften der Gewerkschaften, globalisierungskritischen und anderen sozialen Bewegungen, Initiativen, progressive Wissenschaft und Kultur aktiv gegen den Neoliberalismus und alle Unterdrückungsverhältnisse in der Gesellschaft stellt. Als Partei werden wir die Anliegen und Aktivitäten dieser Bewegungen aufgreifen und unsere eigenen Funktionen wahrnehmen. Wir werden unsere Mitglieder bestärken, in diesen Bewegungen aktiv mitzuwirken.
- Außerparlamentarische und parlamentarische Arbeit: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger gegen die Projekte des Neoliberalismus mobilisieren und setzen uns für eine neue Sammlungsbewegung ein. Politische Kämpfe und Wahlen dienen uns dazu, unsere alternativen Reformprojekte zu vertreten und um Mehrheiten für ihre Durchsetzung zu streiten. Die parlamentarische Arbeit werden wir so gestalten, dass sie der Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften der Linken, der öffentlichen Darstellung eigener Reformvorschläge und dem Einbringen alternativer Gesetze, der Transparenz politischer Prozesse, der Untersuchung des Missbrauchs politischer Macht, der Entwicklung neuer gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse und politischer Mehrheiten dient.
- Gesellschaftlicher Protest, Entwicklung von Alternativen und Gestaltungsanspruch: Die Linke wird gesellschaftlichen Protest, die Entwicklung von Alternativen und die Gestaltung von Entwicklungswegen, die über die gegenwärtige Gesellschaft hinausweisen, zusammenführen. Regierungsbeteiligung ist für die Linke ein Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung, wenn dafür die notwendigen Bedingungen gegeben sind. Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die Verbesserung der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer Mitbestimmung, die Errichtung von Barrieren gegen die neoliberale Offensive, die Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben; d. h. die Veränderung der Kräfteverhältnisse und ein Beitrag zur Einleitung eines Politikwechsels. Die Linke ist - auch in der Regierung - nur so stark, wie sie in der Gesellschaft verankert ist und wie sie gesellschaftliche Unterstützung erfährt. Linke Politik braucht die weiter treibende Kritik, öffentlichen Druck und außerparlamentarische Mobilisierung. Wir gehen parlamentarische Bündnisse mit anderen politischen Kräften ein, wenn dies den von uns angestrebten Richtungswechsel der Politik befördert. Wir stehen zugleich für einen neuen Politikstil der Transparenz, des gesellschaftlichen Dialogs und der direkten Bürgerbeteiligung. Den unterschiedlichen Möglichkeiten auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene politischen Wirkens werden wir in unserer Politik Rechnung tragen. Entscheidend für die Durchsetzung eines Politikwechsels ist dabei die bundespolitische Ebene. Hier liegen die meisten Kompetenzen, die dafür notwendig sind, hier erfolgen die meisten Weichenstellungen.
- Wirken in der Partei der Europäischen Linken: Die Partei der Europäischen Linken ist ein neuer Faktor im politischen Leben Europas. Ebenso wie unsere Partei in Deutschland ist sie ein Schritt der Vereinigung der Linken und bietet die Möglichkeit, zusammen das Kräfteverhältnis in Europa nach links zu verschieben. Gemeinsame Projekte für ein soziales, demokratisches und friedliches Europa können erfolgreich sein.
Wir wollen eine Welt schaffen, in der die Würde jeder und jedes Einzelnen wirklich unantastbar ist, in der soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung, Demokratie und Frieden vereint sind, in der die Menschen im Gleichklang mit der Natur leben. Dazu wirken wir für ein breites Reformbündnis. Gemeinsam streiten wir dafür, dass der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte ist.