Europa wächst zusammen. Am 1. Mai 2004 ist nach langen Geburtswehen aus der alten Europäischen Union der Fünfzehn die EU der Fünfundzwanzig geworden. Kaum jemand zweifelt daran, dass 2007 Rumänien und Bulgarien die nächsten Mitglieder sind. Die Türkei bleibt als Anwärterin im Gespräch, und sollten die deutschen Konservativen in noch so schrillen Tönen den Untergang des christlichen Abendlandes prophezeien.
Die Einigung des Kontinents wurde über Jahrzehnte durch einen Doppelprozess vorangetrieben. Zum einen war es der Versuch, die Lehren aus der Geschichte der beiden Weltkriege zu ziehen, die von Europa ausgingen. Aus dem antifaschistischen Widerstand ging auch eine starke Bewegung zur Einigung Europas hervor. Auch die herrschenden Eliten hatten erkannt, dass ohne eine grundlegende Veränderung insbesondere der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ein dauerhafter Friede in Europa unmöglich ist. Es ist ein Europa entstanden, dessen Mitglieder, einst „Erbfeinde“, seit fast sechzig Jahren keinen Krieg mehr gegeneinander geführt haben. Zugleich war die Einigung Europas auch ein Projekt des Kapitals. Die EU der liberalisierten Märkte und des gemeinsamen Militärs trägt seine Handschrift. ...