Publikation Staat / Demokratie - Soziale Bewegungen / Organisierung Die Mitte-Links-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern.Teil I

Politikfeldanalysen. von Frank Berg Manuskripte 18 der RLS

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Reihe

Manuskripte

Erschienen

Juni 2001

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Inhaltsverzeichnis

 

1. Vorwort

 

2. Wirtschaftsförderungspolitik

2.1 Wirtschaftliche und Förderprogramme

2.1.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2.1.2 Europäische Strukturfondsförderung und GFK

2.1.3 Operationelles Programm

2.1.4 Gemeinschaftsaufgabe und Landesprogramme

2.2 Institutionen, Akteure und Orientierungen

2.2.1 Institutionelle Strukturen und Akteure

2.2.2 Kontrahierende Akzente und Intensionen der Wirtschaftsförderung

2.2.3 Institutionelle Steuerung 39

2.3 Schlussfolgerungen: Politikwechsel und neue strategische Entwicklungskonzepte

 

3. Arbeitsförderungspolitik

3.1 Ausgangspunkte

3.1.1 Zur Arbeitsmarktsituation in Mecklenburg-Vorpommern

3.1.2 Ziele der Europäischen Arbeitsförderung. OP und AQMV

3.2 Institutionen, Akteure und Orientierungen

3.2.1 Institutionelle Strukturen und Akteure

3.2.2 Neue Ansätze der Arbeitsförderung

3.2.3 Institutionelle Steuerung

3.2.4 Regionale Beschäftigungspolitik in der Diskussion

3.3 Schlussfolgerungen: Übergang zu einer nachhaltigen Arbeitsförderung

 

4. Örtliche und überörtliche Sozialhilfe

4.1 Inhaltliche und rechtliche Hintergründe

4.2 Auf der Suche nach einem neuen überörtlichen Träger

4.3 Akteurskonstellationen und Akteursbeziehungen

 

5. Landesverwaltungs-, Funktional- und Gemeindegebietsreform

5.1 Strukturelle Differenzierungen zwischen Landes- und Gemeindeebene

5.1.1 Leistungen des Landes für die Gemeindeebene

5.1.2 Personalausgaben Land und Gemeinden

5.1.3 Personalstellen Land und Gemeinden

5.1.4 Personalrelationen zwischen Landes- und Gemeindeebene

5.2 Reformansätze, Defizite und Akteursorientierungen

5.2.1 Landesverwaltungs- und Funktionalreform

5.2.2 Enquetekommission, Gemeindestrukturreform und anderes

5.3 Schlussfolgerungen Verwaltungsreform

 

Vorwort

Mit der Bildung einer SPD-PDS-Koalitionsregierung leitete Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 1998 einen Paradigmenwechsel in den Koalitionsvarianten deutscher Länder ein. Innerhalb des Landes trat die Koalition mit dem Anspruch auf, einen „Politikwechsel“ hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zur Überwindung politischer Gräben zu leisten. Zwei ein halb Jahre später könnte man die tatsächlichen Ansätze eines Politikwechsels im Lande, die veränderten Akzente in der Politik wie folgt skizzieren:

1) Die Konstituierung der Mitte-Links-Koalition bedeutete für das Land Mecklenburg-Vorpommern an sich schon eine gravierende Veränderung der politischen Arena. Bis dahin schien es im vorherrschenden politischen Denken in Mecklenburg-Vorpommern (erst Recht in Deutschland allgemein) undenkbar, die PDS an der Regierungsmacht eines Landes zu beteiligen.

2) Mit der Regierungsbildung konnten vorherige Handlungsblockaden überwunden werden, die sich aus der Architektur der damaligen  CDU-SPD-Regierungskoalition ergaben. Die Arbeitsfähigkeit der Regierung wurde verbessert. Auch die bis dato offeneren gesellschaftspolitischen Polarisierungen im Lande reduzierten sich und nahmen z.T. neue Strukturen an.

3) Es wurde ein langfristiger Haushaltssanierungskurs eingeleitet, der die Voraussetzungen schafft; dass das Land auch in Zukunft Handlungsfähigkeit bewahren kann.

4) Deutlich spürbar ist ein kommunikativerer Politikstil der Regierung und der sie tragenden Koalitionsparteien.

5) Feststellbar sind eine Reihe von Politikansätzen zur Erweiterung partizipativer Demokratie.

Insgesamt ist dies eine recht positive Bilanz – wahrlich weder ein „Schreckensszenario“ noch Ausdruck von „Mehltau“ (so die Argumentation der CDU-Opposition), der über dem Land läge.

Die neue Regierung hat „normale Arbeitsfähigkeit“ unter Beweis gestellt, betreibt eine „Politik der unaufgeregten Sacharbeit“ (Thomas Koch); ihre Akzeptanz im Lande stützt sich auf eine demoskopisch labile Mehrheit. Eine Veränderung der rot-roten Koalitionskonstellation ist derzeit nicht absehbar, wenngleich es unter beiden Koalitionspartnern nicht nur Befürworter, sondern auch „Bedenkenträger“ gegenüber der Koalition gibt – ein Erscheinungsbild, das auch aus anderen Bundesländern mit anderen Koalitionsstrukturen bekannt ist.

Der „große Politikwechsel“, den vor allem die Anhänger der PDS mit mehr „sozialer Gerechtigkeit“ und Rückgang der Arbeitslosigkeit verbanden, ist nicht eingetreten. Heute werden in der Folge dieser Vorstellungen von einem „Politikwechsel“ Positionen innerhalb der PDS laut, dass die Koalition keine Fortsetzung verdiene, wenn sie bei der Lösung des Arbeitslosenproblems nicht weiterkomme. War die Latte zu hoch gehängt? Es ist doch bekannt, dass die Wirtschafts- und Sozialentwicklung eines Bundeslandes in hohem Maße von der Gesamtkonstellation globaler, europäischer und bundesdeutscher Bedingungen abhängig ist. Was kann Landespolitik in diesem Bereich bewirken? Traditionelle „Linkspolitik“ stellt sich auf den Standpunkt, dass der Staat, zum  Beispiel über die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, für zusätzliche Arbeitsplätze sorgen müsse. Moderne Linkspolitik muss nach den strukturellen Wandlungen fragen, die der heutigen und künftigen Wirtschafts- und Sozialentwicklung zugrunde liegen, und sich in diesen Prozess mit Alternativen, mit konkreten Vorschlägen einbringen. Die Vorstellungen von einem „Politikwechsel“, wie sie auch in der Koalition Mecklenburg-Vorpommerns und insbesondere innerhalb der PDS präsent waren, orientierten sich wesentlich daran, dass über die Verantwortung des Staates mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Arbeitsplätze, bessere Unterstützung der regional schwachen Gebiete, bessere Ausstattung der Schulen und Kindergärten ermöglicht werden müsste. In der praktischen Landespolitik stoßen diese Vorstellungen nicht nur auf die Realität der Haushalte, sondern auch auf die Frage, welchen Umfang öffentlicher Daseinsvorsorge sich das Land langfristig leisten kann, auf die Herausforderung, Arbeitsteilung und Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft neu zu organisieren. Aufgeworfen wurde auch die Frage, ob es gerechtfertigt ist, um den Preis zusätzlicher Kredite Arbeitsplätze zu finanzieren, die nach „kurzem Strohfeuer“ wieder auslaufen, ohne die Spur einer Chance für längerfristige Beschäftigung hinterlassen zu haben.

So steht die Koalition vor Herausforderungen strukturellen Wandels, von denen angenommen werden kann, dass ihre Bewältigung mittelfristig über den Fortbestand der Mitte-Links-Koalition entscheidet. Heute stellt sich nicht mehr schlechthin die Frage nach einem Politikwechsel gegenüber der Vorgängerregierung, sondern die Frage nach einem Politikwechsel, der auf die neuen Herausforderungen für die Entwicklung des Landes reagiert, Modernisierungs- und Reformprozesse für eine nachhaltige, zukunftsfähige wirtschaftliche, soziale, ökologische und demokratische Entwicklung auf den Weg bringt. Vor dieser Aufgabe steht Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie andere Bundesländer – entsprechend wird sich das Land dem Vergleich zu unterwerfen haben, ob und inwiefern heute weithin anerkannte regionale Modernisierungs- und Reformerfordernisse2 angepackt werden. Gleichzeitig ergibt sich die Frage, ob die Spezifik einer rot-roten Koalitionsarchitektur hierbei andere Politik-Varianten hervorbringt als bei den bisher üblichen Koalitionsstrukturen in (insbesondere ost-) deutschen Ländern. Hierauf gibt es noch keine gesicherte Antwort – allein die Frage ist schon des Nachdenkens wert.

Ich greife im weiteren exemplarisch vier Politikfeldbereiche heraus: Wirtschaftsförderungspolitik, Arbeitsförderungspolitik, örtliche und überörtliche Sozialhilfe, Verwaltungs- und Gemeindegebietsreform.

Diese Auswahl rückt einerseits besonders wichtige Bereiche der Landespolitik in den Mittelpunkt der Untersuchung. Andererseits bedeutet „Auswahl“, dass andere wichtige Felder außen vor bleiben müssen. Zwei von den genannten Komplexen (Arbeit und Soziales) sind verwaltungsseitig von PDS-geführten Ministerien und zwei (Wirtschaft; Verwaltungs- und Gemeindegebietsreform) von SPD-geführten Ministerien zu verantworten. Bei allen vier Gebieten ist aber die Koalition jeweils als Ganzes gefragt, überlagern sich Neues und Beharrendes, Reformansätze und uneingelöste Herausforderungen bei beiden Koalitionsparteien. Nicht zuletzt deshalb werden Akteure und Akteurskonstellationen in den jeweiligen Politikfeldern zentral thematisiert. Gerade in den Akteurskonstellationen (und nicht nur in den ohnehin schwierigen objektiven Handlungsbedingungen eines alles in allem eher armen Landes) sind hauptsächlich die Chancen und Blockaden für Reformprozesse, für Veränderndes oder auch für Bewahrendes zu suchen.

Der hier vorliegende Text ist die überarbeitete Fassung eines seit Februar 2001 öffentlich zur Diskussion gestellten Entwurfes der Studie von Frank Berg und Thomas Koch „Die Mitte-Links-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Politikfeld- und Parteienanalysen“. Die Studie wird nunmehr nach Überarbeitung mit dem  hier vorliegenden Band sowie mit dem Band von Thomas Koch in der Druckfassung vorgelegt.

Für die Kooperationsbereitschaft und Unterstützung sowie für die zahlreichen Hinweise, die uns bei der Erarbeitung und bei der Diskussion des Textes von den vielfältigsten Akteuren im Lande Mecklenburg-Vorpommern entgegengebracht worden sind, soll an dieser Stelle ein besonderer Dank ausgedrückt werden.

Frank Berg, Mai 2001