Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung Michael Chrapa als Wahlforscher

(von Andre Brie)

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Reihe

Online-Publ.

Autor

André Brie,

Erschienen

Dezember 2004

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Michael Chrapa war ein reicher Mensch, reich an sozialen Kontakten, Interessen, Gedanken, Fähigkeiten, menschlicher Wärme und an Betätigungen. Wenn wir heute an ihn als Parteireformer, als demokratischer Sozialist, als Satiriker, als Analytiker des neuen Rechtsextremismus in Deutschland oder als Wahlforscher erinnern, so versuchen wir, diesem Reichtum seiner Persönlichkeit gerecht zu werden, spalten sie aber auch zwangsläufig in Facetten auf. Keine Angst: Ich bin gebeten worden, über Michael Chrapa als Wahlforscher zu reden und werde das tun. Aber der Wahlforscher Michael Chrapa war zuerst und zuletzt immer dieser wunderbar vielseitige und ganze Mensch. Ob er früher, wie viele von uns in der DDR, die Spaltungen zwischen politischer, wissenschaftlicher, öffentlich geäußerter oder persönlicher Meinung praktiziert hat, weiß ich nicht. Ich bin ihm erst Anfang 1990 in der Martin-Luther-Universität in Halle zum erstenmal begegnet. Und in vielen Übereinstimmungen und einigen Streits habe ich ihn immer als einen ganzheitlichen Menschen erlebt. Er war, insbesondere auch in seiner Wahlforschung für die Partei des Demokratischen Sozialismus, ein unbestechlicher Wissenschaftler. Nichts konnte ihn dazu bringen, die empirische Analyse, die soziologischen und politologischen Schlussfolgerungen einem ideologischen oder politischen Vorurteil zu unterwerfen. Und doch war er nie neutral. Er war ein leidenschaftlicher Empiriker, Analytiker und Wahlforscher, und er war ein leidenschaftlicher demokratischer Sozialist; sein Engagement für die PDS kollidierte nicht selten mit dem viel geringeren Engagement der Partei für sich selbst; er wollte mit klugem Verstand und mit einem wirklich heißen Herz den politisch-strategischen und den Wahlerfolg der Partei. Ich glaube, dass es eine seltene Begabung ist, unbeirrbare wissenschaftliche Nüchternheit und Vorurteilsfreiheit mit einer so intensiv ausgelebten politischen Neigung, so tief verwurzelten und so öffentlich treibenden politischen Überzeugungen verbinden zu können. Das eine hat das andere nicht geschmälert, wahrscheinlich sogar erweitert. Der Wissenschaftler, der Wahlforscher Michael Chrapa war durch nichts korrumpierbar, auch nicht durch den Sozialisten Michael Chrapa. Er hat in der Partei des Demokratischen Sozialismus, richtiger gesagt: in ihrem Vorstand und Wahlbüro, die antike Erfahrung machen müssen, dass der Überbringer ungenehmer Wahrheiten mit dem Entzug von Aufträgen bestraft wird, die für ihn und sein Institut eine wichtige Existenzgrundlage waren. Aber Michael Chrapa war den Tatsachen und der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichtet, nicht den Wunschträumen einer Parteiführung, so verstand er auch seine Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber und seiner Partei. Das war - untrennbar - seine wissenschaftliche und seine politische Überzeugung. Er kroch nicht zu Kreuze. Er hatte Rückgrat.

Michael Chrapas Arbeit als Wahlforscher hat mich seit 1990 begleitet. Sie umfasst zahlreiche Analysen (oft mit Dietmar Wittich gemeinsam ausgearbeitet), Arbeitspapiere, verantwortungsvolle, auch sehr persönliche Ratschläge für die Verantwortlichen in der PDS und sensible, ausgesprochen praxisnahe und messerscharfe Schlussfolgerungen. Seine besondere Stärke und sein besonderes Anliegen war es nicht nur die empirische Analyse mit praktischen politischen Schlussfolgerungen zu verbinden. Michael Chrapa verknüpfte vor allem demoskopische und Wahlforschung mit allgemeiner politischer und gesellschaftspolitischer Analyse und Einschätzungen zur politischen Situation der PDS. Wer Chrapas Studien, Artikel und anderen Einschätzungen sich heute noch einmal vornimmt, wird verblüfft sein, mit welcher Genauigkeit und in welcher Komplexität sich seine Einschätzungen kurz- und längerfristig als zutreffend erwiesen haben. Das in fast anderthalb Jahrzehnten entstandene Material könnte die Grundlage für eine differenzierte, ungemein aussagefähige Monografie über die Entwicklung, die Chancen und Defizite der PDS, ihre Verankerung in der Gesellschaft, ja, über die widerspruchsvollen Veränderungen der Meinungsbilder und der politisch-psychologischen Veränderungsprozesse in der gesamten Gesellschaft, vor allem in der ostdeutschen Teilgesellschaft sein. Es ist tragisch, dass Michael Chrapa diese Arbeit nicht leisten konnte, und dass niemand mehr diese Grundlagen nutzen wird. Ihr Wert bestünde nicht nur in einer Transformationsgeschichte anhand der Entwicklung ostdeutscher Werteorientierungen, Stimmungen, Forderungen, Parteibindungen, sondern auch in theoretischen und praktischen, strategischen Konsequenzen für die Parteienkommunikation im allgemeinem und moderner Wahlkämpfe im besonderen.

Ich will mich auf eine konkrete, aber exemplarische Frage konzentrieren, in der Michael Chrapa als Wahlforscher so hervortrat, wie ich ihn am meisten schätzte und wie ihn eine demokratisch-sozialistische Partei gebraucht hätte, aber nicht brauchen wollte. Seine Stärke als schonungsloser Realist und seine wissenschaftlich-analytischen Fähigkeiten treten in ihr ebenso hervor wie die grundlegenden Wirkungsprobleme auf die ein Wahlforscher allgemein und speziell in der PDS trifft. Ich spreche über den Bundestagswahlkampf der PDS 2002.

Man kann in der Politik, in Wahlkämpfen und Massenstimmungen Vieles kaum beeinflussen, schon gar nicht kurzfristig und voluntaristisch. Michael Chrapa hat es durchaus liebevoll in das Bild vom "Volk als dem großen Lümmel" gefasst. Aber die dennoch vorhandenen Möglichkeiten gibt man vollständig aus der Hand, wenn man Tatsachen ignoriert. Wozu leisten sich Parteien teure demoskopische und andere Wahlforschung, wenn sie - und das ist ganz und gar nicht ein Problem der PDS allein - sich in ihren Konzepten nur bestätigt sehen oder sich lediglich von den Umfragezahlen leiten lassen wollen? In der PDS, das lässt sich wohl nicht anders sagen, schlug zusätzlich die verbal abgelehnte, aber kulturell fortlebende Intellektuellen- und Wissenschaftsfeindlichkeit wieder durch. Sie traf die Partei selbst, trug zur Unfähigkeit bei, realistische wahlstrategische Schlussfolgerungen zu ziehen und zur Wahlniederlage bei. Sie traf auch Michael Chrapa.

Als Parteiführung und PDS-Wahlbüro das PDS-Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2002 noch feierten, lagen von Michael Chrapa bereits empirisch, analytisch und politisch fundierte Warnungen, vor allem aber auch politisch-strategische Alternativen für den Bundestagswahlkampf vor. Natürlich wies er auch auf die bereits seit Anfang 2002 fallende Tendenz für die PDS in der "Sonntagsfrage" hin (von 6,9 im Dezember 2001 auf 5,7 Prozent Anfang Mai 2002). Schon die Bereitschaft, die "Sonntagsfrage" realistisch einzuschätzen, war in der Wahlkampfführung der PDS gering (noch im Frühsommer 2002, als der Abwärtstrend bereits absolut eindeutig war) faselte man von 8 Prozent und sogar von darüber hinausgehenden Möglichkeiten und bis heute wird unter Ignorierung dieser offenkundigen Tatsache der Rücktritt Gysis als Berliner Senator als die eigentliche Zäsur behauptet. Vor allem aber war die Bereitschaft, das umfangreiche Zahlenmaterial und die Analysen über die Ursachen der abnehmenden oder sehr labil gewordenen Akzeptanz der PDS bei den Wählerinnen und Wählern zur Kenntnis zu nehmen, und die Fähigkeit, sie zu kritisch bewerten, praktisch Null. Aber eben das machte Chrapa. Detailliert und tiefgründig befragte er die dem zugrunde liegenden Wählerorientierungen und politischen Veränderungen. Die boten ganz und gar keine ausweglose Situation, aber Michael Chrapa hatte jeden Grund, im ersten Satz seines "Memos" für die Bundeswahlkonferenz der PDS zu konstatieren: "Es soll nun nicht (gleich) der Notstand ausgerufen werden, aber wenn nur 50 % der Sachsen-Anhalt-Tendenzen auf den Osten ausstrahlen bzw. dort bereits gegeben sind (Wählerfluktuationen, Ablehnung der Vorstellungen von Rot-Rot), dann sieht es übel aus." Doch Chrapas Einschätzungen wurden im damaligen Parteivorstand als unerhört empfunden, und so wurden sie auch nicht erhört. Ohnehin wurde lediglich über sein Fazit diskutiert, die - wie sich zeigte - ungemein realistische Tiefenanalyse wurde vollständig ignoriert (ein Schicksal, dass Wahlforschung wohl allgemein in den Parteien erleidet). Das umso mehr als Michael Chrapa sich schon Anfang des Jahres damit unbeliebt gemacht hatte, als er einen Änderungsantrag zur Präambel des Wahlprogramms unterstützt und trotz entsprechender Forderung an ihn, sich geweigert hatte, seine Unterschrift zurückzuziehen.

Abgesehen davon, dass die veränderte Präambel auch seinen politischen Einschätzungen entsprach, rührte seine Unterstützung für sie auch aus den Erkenntnissen seiner demoskopischen Untersuchungen und einer sehr gründlichen Auswertung der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt. In seiner Analyse "Stärken und Schwächen der PDS im Wahljahr 2002" stellt er diesen Zusammenhang selbst dar. So stellt er erstens fest: "Es gibt kein gemeinsames Projekt, das SPD und PDS gemeinsam stabil tragen könnten, sondern höchstens taktische Kooperation." (S. 3)

Zweitens verweist er auf Emnid-Ergebnisse, die zeigten, dass wichtige neoliberale Projekte von Rot/Grün ebenso wie von CDU/CSU und FDP in der Bevölkerung keine Mehrheit fänden, und sagt: "Die Rezepte der herrschenden Eliten stehen  im Widerspruch zu den stabilen Erwartungen breiter Schichten der Bevölkerung und im besonderen zu den Einstellungen der potenziellen PDS-Wähler. Würde die PDS signalisieren, dass sie sich den genannten Rezepten annähert, würde sie ihre Stammwähler demobilisieren, Wechselwähler abschrecken und Nichtwähler gar nicht erst erreichen." (ebenda) Niemals gehörte es zu Chrapas Schlussfolgerungen, man müsse den Wählerinnen und Wählern populistisch und opportunistisch nach dem Munde reden, aber immer forderte er, sie und ihre Positionen ernst zu nehmen. Nicht dem Volke nach dem Munde, sondern mit dem "Gesicht zum Volk" war nicht nur eine seiner Lieblingsformulierungen, sondern sein wissenschaftliches und politisches Credo.

Drittens lässt Chrapa die Fakten der Sachsen-Anhalt-Wahl sprechen und schlussfolgert: "Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt war nicht nur das Ende des 'Magdeburger Modells', sondern ebenso - bestimmt durch den Willen der Bürgerinnen und Bürger - das Zeichen für das unmissverständliche Scheitern der dortigen Rot-Rot-Option." (S. 4)

Viertens schließlich zitiert er die veränderte Präambel des PDS-Wahlprogramms (Der entscheidende Dissens zum ursprünglichen Vorschlag des Parteivorstandes bezieht sich auf die Formulierung: "Deshalb kann es für die PDS gegenwärtig keine andere Entscheidung geben: Sie geht als oppositionelle Partei gegenüber der jetzigen Regierungspolitik und deren allzu ähnlichen konservativen Alternativen in den Bundestagswahlkampf 2002 und in die neue Legislaturperiode. Das sollen die Wählerinnen und Wähler wissen. Darauf können sie sich verlassen.") Chrapa stellt fest: "Aber allein der Fakt, dass es dieser Veränderung bedurfte und die Tatsache, dass schon auf dem Parteitag wichtige Vertreter der PDS scheinbar doch 'alles' offen ließen, erzeugte in der Öffentlichkeit Misstrauen." (ebenda) Beschwörend schrieb Michael Chrapa in seinem "Memo in Vorbereitung auf die Bundeswahlkonferenz" am 26. 04.02": "Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt dürfte es wohl über den Geist der Präambel des Wahlprogramms keinerlei Missverständnisse mehr geben." Und die gab es sicherlich nicht. Im Gegenteil: Es gab seitens führender Funktionäre bewusst keine Bereitschaft, sie tatsächlich und konsequent dem Wahlkampf der PDS zugrunde zu legen.

Das Meiste aus Chrapas Wahl-Analysen hat sich nicht nur zum damaligen Zeitpunkt als realistisch erwiesen: entscheidende Einschätzungen bleiben bis heute und wahrscheinlich auch für die absehbare Zeit gültig, denn sie beruhen auf der sorgfältigen Analyse längerfristiger Veränderungen bei den Wählerinnen und Wählern. Es wäre zu hoffen, dass Michael Chrapa posthum doch noch Gehör findet bei den Funktionären seiner, unserer Partei. Ich hebe insbesondere hervor:

1. Chrapa betonte etwa seit 2000 immer stärker, die Notwendigkeit, die PDS nicht primär in Bezug auf andere Parteien oder als Bestandteil einer Mitte-Links-Option zu definieren. Angesichts der Preisgabe einer Alternative zum dominierenden Wirtschaftsliberalismus und der aktiven Beteiligung der rot-grünen Bundesregierung am Krieg gegen Jugoslawien sah er keine aktuelle Substanz für eine solche Option. Längerfristig sah er dennoch die Notwendigkeit, eine widerspruchsvolle Mehrheit für einen politischen Richtungswechsel in Deutschland anzustreben, aber nicht "verengt auf Koalitionsvarianten": "Vom Kern her geht es aber um ein neues politisches (aber nicht nur auf das politische System im engeren Sinne bezogenes) Kräfteverhältnis bei der Gestaltung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit, für größere Möglichkeiten in Bezug auf Selbstorganisation der Bürger und 'Demokratie von unten' sowie für eine neue Festlegung der Außenpolitik in Richtung auf friedliche Konflikthandhabung." (S. 7) Das war in erster Linie eine politische Einschätzung. Aber auch als Wahlforscher war er überzeugt und legte umfangreiche empirische Belege dafür vor, dass die PDS die Akzeptanz ihrer Wählerinnen und Wähler nur als eine selbstbewusste, sich zunächst eigenständig definierende, dezidiert linke Partei sichern kann. Seine Schlussfolgerung bleibt trotz der positiven Akzente in jüngerer Zeit eine beständige Aufgabe: Die PDS muss "ihre Erkennbarkeit, ihr eigenes Profil als Projekt in deutlichem Unterschied zu anderen Parteien" schärfen (S. 6). Diese Forderung hatte bei ihm immer eine zweite, nicht minder wichtige Seite, mit der er sich von unpolitischem Ideologismus und jedem Voluntarismus unterschied. Ich will auch dazu ihn einfach zitieren: "Die dabei zu entwickelnden Grundpositionen müssen den realen Konfliktlinien in modernen Gesellschaften entsprechen, Stringenz aufweisen sowie verständlich/vermittelbar und kompatibel mit praktischer Politik (den inneren Zustand der PDS einschließend) sein." (S. 7)

2. Der demokratische Sozialist Michael Chrapa war empört über die Politik des Sozialabbaus in Deutschland und in der EU. Der Wahlforscher analysierte die Unzufriedenheit und die Proteststimmung in Teilen der Wählerschaft und nahezu des gesamten PDS-Wählerpotenzials. Der Demokratietheoretiker Michael Chrapa verwies auf die demokratische Legitimität und Bedeutung dieses Protestes und die demokratische Verantwortung der PDS, ihm eine linke Adresse zu geben. Bekanntlich entzündete sich daran 2002 eine der heftigsten Auseinandersetzungen ihm gegenüber. Verkannt, nein bewusst kurzschlüssig ignoriert wurde, dass Michael Chrapa - und wiederum aus politischer Überzeugung wie aus der Analyse der Wählerstimmungen heraus - die demokratische Artikulation von Protest immer mit der eindringlichen Forderung verband, realistische und konstruktive Alternativen zu entwickeln und wirksam zu vertreten; ja: "Das Eintreten für Alternativen... fordert den kulturvollen, emotionalen und energischen Protest gegen den Geist der herrschenden Politik geradezu heraus. (S. 10) Die Bedeutung des gewiss für eine politisch verantwortungsvolle linke Politik komplizierten Phänomens ist - wie die Wahlen und die demoskopischen Ergebnisse 2004 zeigten - offensichtlich noch gewachsen.

3. Michael Chrapa ist über seine Wahlforschung hinaus auch als Rechtsextremismusforscher hervorgetreten. Schon 2002 schätzte er ein: "Die Bedeutung einer linken Artikulation von Protest, von offener Kritik des herrschenden Elitismus und seiner sogenannten Sachzwanglogik ist auch deshalb geboten, weil sonst der Rechten das Feld überlassen wird: Der rechtsnationalistische und rechtskonservative bis rechtsextreme Populismus zieht seine Stärke vor allem daraus, dass er ignorierte Positionen gerade der 'einfachen Leute' zur Sprache bringt, Positionen, die der elitäre Konsens der Sachzwänge und politischen Korrektheit verdrängt." (S. 5) Was kann heute aktueller sein?

4. Umfangreich beschäftigte sich Chrapa in seiner Wahlforschung mit den Ursachen, Erscheinungen und Konsequenzen abnehmender Wähler-Parteienbindung, zunehmender Parteienskepsis und der zunehmenden Labilität und Dynamik im Wahlverhalten großer Bevölkerungsgruppen. Es ist wohl endgültig eine Grundtendenz für das Wählerverhalten geworden, was er damals beschrieb: "Die subalterne Bevölkerung wandelt sich ein weiteres Mal in eine untreue, unsichere, unberechenbare Wähler- und vor allem Nichtwählerschaft." (S. 1) Was das für ihn hieß, war sicher begründet und bleibt sein Vermächtnis an die Wahlkämpfer der PDS: "Wenn das Volk am Wahltag als Volker und Susi, als Markus und Marina ihre Stimme 'abgeben', so tun sie dies wortwörtlich: Sie suchen jemanden, den sie beauftragen, ihre Interessen auf der Ebene des parlamentarischen Systems auf Zeit zu vertreten. Sie erwarten nicht viel und kriegen oft noch weniger, weshalb sie dann oft geneigt sind, einfach der Wahl fernzubleiben. Sie haben dann keinen glaubwürdigen Vertreter gefunden. Man braucht sich dabei überhaupt nicht zu wundern: Es existieren sowohl eine verbreitete Politik- bzw. Parteienverdrossenheit als auch große Wählerfluktuationen in Dimensionen, die in Bezug auf künftige Wahlen keinerlei Sorglosigkeit zulassen... Ersteres muss die davon ebenfalls betroffene PDS darauf verweisen, sehr gründlich über den eigenen Politikstil nachzudenken. Der zweite Faktor unterstreicht, dass Wahlen in der Tat bis zur Stimmabgabe 'offen' sind... Dieser Umstand belegt auch, dass das fast hypnotische Starren auf aktuelle Umfragen (die ja faktisch nur Netto-Werte vermitteln) ohne Orientierungen auf Motive, Einstellungen etc. an der Realität vorbeilaufen kann. Drittens sollten vorhandene Illusionen über den 'Stammwählerbestand' der PDS zu Grabe getragen werden. Gerade infolge der erreichten relativ hohen Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern hatte sie viele für sich gewonnen, die sie auch wieder verlieren kann." (S. 2)