Publikation International / Transnational - Amerikas Kuba schmerzt

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Erschienen

Juni 2003

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(Montevideo, 20. April 2003, comcosur).- Die Festnahmen und die Erschießungen in Kuba sind sehr gute Nachrichten für die universelle Supermacht, die verrückt danach ist, sich zu rächen. Im Gegensatz dazu sind es sehr schlechte Nachrichten, ja traurige Nachrichten, die sehr schmerzen - für uns, die wir den Mut dieses sehr kleinen Landes bewundern und an dessen Größe glauben. Aber wir glauben auch, dass die Freiheit und die Gerechtigkeit gemeinsam kommen oder nicht kommen.

Eine Zeit der sehr schlechten Nachrichten: als hätten wir nicht schon genug mit der hinterlistigen Straflosigleit der Schlächterei im Irak zu tun, da begeht die kubanische Regierung diese Taten, als würde Don Carlos Quijano sagen: "bekämpft die Hoffnung".

Rosa Luxemburg, die ihr Leben der sozialistischen Revolution gewidmet hat, unterschied sich von Lenin durch das Projekt der neuen Gesellschaft. Sie schrieb prophetische Worte darüber, was sie nicht wollte. Vor 85 Jahren wurde sie in Deutschland getötet, aber sie hat noch immer Recht: "die Freiheit nur für die Befürworter der Regierung, nur für die Parteimitglieder, wie viele sie auch immer sein mögen, ist keine Freiheit. Die Freiheit ist immer Freiheit für diejenigen, die anders denken". Und auch: "ohne allgemeine Wahlen, ohne Pressefreiheit und uneingeschränkte Versammlungsfreiheit sowie ohne freien Meinungskampf vegetiert das Leben und verlässt alle öffentlichen Institutionen, bis die Bürokratie als einziges aktives Element übrig bleibt".

Das 20. Jahrhundert und das, was im 21.Jahrhundert schon gelaufen ist, zeigen klar die doppelte Falschheit des Sozialismus: das Ende der Sozialdemokratie, das in der letzten Zeit von Seargent Tony Blair auf die Spitze getrieben wurde und das Desaster der kommunistischen Länder, die sich in Polizeistaaten verwandelt hatten. Viele dieser Staaten sind zusammen gebrochen, weder mit Schmerz noch mit Freude, und ihre recycelten Bürokraten dienen mit pathetischem Enthusiasmus dem neuen Herren.

Die kubanische Revolution wurde geboren, um anders zu sein. Einer ständigen imperialen Verfolgung ausgesetzt, überlebte sie, wie sie konnte, nicht wie sie wollte. Vieles opferte dieses tapfere und großmütige Volk, um in einer Welt voll von Verbückungen auf den Beinen zu bleiben. Aber auf dem harten Weg, den es in vielen Jahren durchgemacht hat, verlor die Revolution nach und nach den Wind der Spontaneität und die Frische, die sie am Anfang vorantrieb. Ich sage das unter Schmerzen. Kuba schmerzt.

Keine schlechte Gewissheit verwirrt meine Zunge, um zu wiederholen, was ich schon auf der Insel und außerhalb gesagt habe: Ich glaube nicht und habe niemals an die Demokratie einer Einheitspartei geglaubt (auch nicht in den Vereinigten Staaten, wo es eine Einheitspartei, maskiert als zwei Parteien, gibt), noch glaube ich, dass ein allmächtiger Staat die Antwort auf die Allmacht des Marktes sein könnte.

Die langen Haftstrafen sind, so glaube ich, Eigentore. Sie verwandeln einige Gruppen in Märtyrer der Meinungsfreiheit, die offen vom Hause James Cason, dem Repräsentanten von Bush in Havanna, aus agierten. Die freiheitsliebende Leidenschaft von Cason ist soweit gekommen, dass er selbst die Jugendgruppe der Liberalen Kubanischen Partei gründete, natürlich mit all der Schwäche und Ehrbarkeit, die auch seinen Chef charakterisieren.

Die kubanischen Behörden agierten, als wären diese Gruppen eine akute Bedrohung. Damit wurden sie eigentlich geehrt und man schenkte ihnen das Ansehen, das die Worte bekommen, wenn sie verboten werden.

Diese "demokratische Opposition" hat nichts mit den ursprünglichen Erwartungen der aufrichtigen Kubaner zu tun. Wenn die Revolution ihnen nicht den Gefallen getan hätte, sie zu unterdrücken, und wenn in Kuba Presse- und Meinungsfreiheit geherrscht hätten, hätte sich diese angebliche Abtrünnigkeit selbst disqualifiziert. Sie hätte die Zurechtweisung erhalten, die sie verdient: die Zurechtweisung der Einsamkeit für ihre notorische Nostalgie der kolonialen Zeiten in einem Land, dass den Weg der nationalen Würde gewählt hat.

Die USA, die unermüdlich Diktaturen in der Welt erzeugt, haben keine moralische Autorität dafür, irgendwem Lektionen in Demokratie zu erteilen. Ja, Präsident Bush könnte Lektionen über die Todesstrafe geben, die er als Gouverneur in Texas mit 152 Exekutionen als Champion der Staatskriminalität für sich reklamieren kann.

Aber die wirklichen Revolutionen, die, die von unten und innen entstehen, wie es die kubanische Revolution eine war, müssen diese die schlechten Angewohnheiten des Feindes übernehmen, den sie bekämpfen? Für die Todesstrafe gibt es keine Rechtfertigung, ganz egal wo sie angewandt wird.

Wird Kuba für Präsident Bush die nächste Beute der Jagd nach Ländern sein? Sein Bruder Jeb, Gouverneur des Staates Florida, hat derartiges angekündift, als er sagte: "Jetzt müssen wir uns in der Nachbarschaft umschauen", während die Exilkubanerin Zoe Valdés im spanischen Fernsehen laut bat, "dem Diktator Bomben zu schicken". Der Verteidigungs- oder besser gesagt Angriffsminister Donald Rumsfeld erklärte: "Im Moment nicht".

Es scheint so, als ob die Gefährlichkeits- und Schuldmesser, mit denen die Maschinen mit ihrem universellen Blankoscheck Opfer auswählen, sich eher auf Syrien richten. Wer weiß schon. Wie Rumsfeld sagt: "Jetzt".

Ich glaube an das unantastbare Recht der Selbstbestimmung der Völker, an jedem Ort und zu jeder Zeit. Ich kann das sagen, ohne, dass auch nur eine Fliege meinem Gewissen etwas zuleide tut, weil ich es auch jederzeit öffentlich gesagt habe, jedes Mal, wenn dieses Recht im Namen des Sozialismus mit Applaus großer Teile der Linken verletzt wurde. So zum Beispiel, als 1968 die sowjetischen Panzer in Prag einfuhren oder als Ende 1979 sowjetischen Truppen in Afghanistan einmarschierten.

In Kuba sind die Zeichen der Dekadenz eines zentralistischen Machtmodells sichtbar. Ein Modell, das fälschlicherweise den Gehorsam gegenüber Befehlen von oben zum revolutionären Verdienst gemacht hat.

Die Blockade und tausend andere Formen der Aggression blockieren die Entwicklung einer kubanischen Demokratie, nähren die Militarisierung der Macht und liefern Alibis für die rigide Bürokratie. Die Tatsachen zeigen, dass es heute schwieriger denn je ist, eine Gesellschaft zu öffnen, die sich aus der Notwendigkeit heraus, sich zu verteidigen, immer mehr verschlossen hat. Aber diese Tatsachen zeigen auch, dass die demokratische Öffnung unumgänglich ist. Mehr als je zuvor. Die Revolution, die fähig war, das Wüten von zehn amerikanische Präsidenten und 20 CIA-Direktoren zu überleben, braucht diese Energie, die Energie der Beteiligung und der Vielfalt, um den harten Zeiten, die kommen, die Stirn zu bieten.

Die Kubaner, und nur die Kubaner, müssen die neuen demokratischen Räume schaffen, damit niemand kommt und sich von außen einmischt. Und sie müssen die Freiheiten, die fehlen, erobern. Sie müssen sie innerhalb der Revolution erobern, die sie von ihrem Innersten heraus verwirklichten und die die Solidarischste ist, die ich kenne.

* Eduardo Galeano ist uruguayischer Schriftsteller und Journalist.