Publikation Demokratischer Sozialismus - Gesellschaftstheorie Für eine ökologisch-soziale Zeitenwende - mühsame Annäherungen an ein schwieriges Thema

Utopie Kreativ Heft 113 März 2000

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Zeitschrift «Utopie Kreativ» (Archiv)

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März 2000

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rereUTOPIE kreativ, H. 113 (März 2000), S. 284-289

Reinhard Grienig – Jg. 1950; Dr. oec., lebt in Cottbus und arbeitet über globale Entwicklungsprobleme der Menschheit und historische Zivilisationsvergleiche, publizierte vor allem zur vergleichenden Länderanalyse und -statistik und zur historischen Entwicklung des Nord-Süd-Gefälles; zuletzt in UTOPIE kreativ: »Prima Klima auf der Titanic? Gedanken zu möglichen Auswegen aus der globalen Zivilisationskrise«, Heft 54 (April 1995).

 

»Der Meadows-Bericht (›Die Grenzen des Wachstums‹ – d.A.) wurde 1973 veröffentlicht; außer einigen Konferenzen und teils zustimmenden, teils kritischen Publikationen war bisher das Ergebnis dieser sehr ernsten Warnung gleich Null.«

Robert Havemann: Morgen. Die Industriegesellschaft am Scheideweg, Frankfurt/M. 1982, S. 25.

 

»Die Lafontainsche Hoffnung, über eine ökokeynesianische Umverteilungspolitik die alte Idee vom ökologischen New Deal wieder zu beleben, ist gescheitert, weil mit der keynesianischen Nachfragehydraulik kein Wachstum mehr induziert werden kann. Wollte man trotzdem umverteilen, müßte das aus dem Bestand finanziert und durch Regulierungs-maßnahmen durchgesetzt werden. Dadurch gerät die Umverteilung in Gegensatz zu den Modernisierungs- und Gestaltungsinteressen der neuen Wissensarbeiter.«

Willi Brüggen, Dietmar Lingemann: 7 Thesen zur grünen Parteikrise, in: Andere Zeiten, Heft 2-3/99, S. 53f.

 

»Eine Politik, die der Verantwortung gerecht wird, Kohärenz in einer gleichwohl diversen Welt zu bewirken, könnte sich an drei Prinzipien orientieren:

… Regeneration wäre die angemessene Reaktion auf die Einsicht, daß es kein gemeinsames Fortschrittsideal mehr gibt … Die unilaterale Selbstbeschränkung könnte das Ideal des Wachstums in wechselseitiger Abhängigkeit ablösen: Jedes Land sollte seine Angelegenheiten so regeln, daß keine wirtschaftlichen und ökologischen Probleme abgewälzt werden und andere Gemeinschaften daran hindern, ihren eigenen Weg zu gehen. Und schließlich ist auch ein Dialog zwischen den Kulturen gefordert.«

Wolfgang Sachs: Die eine Welt, in. Ders. (Hg.): Wie im Westen – so auf Erden, Reinbek bei Hamburg 1993, S. 447.

 

»Es hat wenig Sinn, gegen die eine oder die andere Verschmutzung im Detail anzukämpfen, wenn wir nicht kapieren, was die Grundlogik dieses Systems ist. Natürlich werden jetzt viele schreien, der Mann ist Systemveränderer. Ja, natürlich sind wir das. Das jetzige System ist doch selbstmörderisch. Wir müssen es doch verändern.«

J. Lutzenberger in seiner Rede anläßlich der Verleihung der Bodo-Manstei-Medaille.

 

»Ein Zehntel muß den Reichen reichen und der ganzen Welt die Hälfte. Sonst bricht das Unternehmen Menschheit unter seinem eigenen Gewicht zusammen und erstickt im eigenen Abfall.«

Friedrich Schmidt-Bleek: Wieviel Umwelt braucht der Mensch?, Berlin 1994, S. 190.

 

»Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die arbeitende Bevölkerungsmehrheit unter zwei Bedingungen zu Opfern für eine bessere Zukunft bereit ist: Erstens müssen die Menschen davon überzeugt sein (bzw. werden), daß das neue Gesellschaftsmodell zumindest teilweise attraktiver ist als die herrschende Lebensweiseform... Zweitens müssen sie die Gewißheit haben, daß die Lasten des sozialen Wandels in etwa gerecht (bzw. gerechter als bisher) verteilt werden.«

Reinhard Grienig: Prima Klima auf der Titanic?, in: UTOPIE kreativ, Heft 54 (April 1995), S. 17

 

Nunmehr fast drei Jahrzehnte ist es her, daß jener Bericht an den Club of Rome erschien, der »Die Grenzen des Wachstums« zum Thema hatte und in dem dringend zu einem entwicklungsstrategischen Kurswechsel gemahnt wurde. Obwohl inzwischen Bekenntnisse zum Übergang zu einem ›nachhaltigen‹ Wirtschaftsmodell in aller Munde sind, ist real kaum etwas geschehen. Wachstum um jeden Preis gilt nach wie vor als das Allheilmittel für alle Probleme der (post)industriellen Gesellschaft. Verdrängt wird dabei in der Regel, daß der vor allem profitgetriebene Expansionismus die Lebensgrundlagen großer Teile der Menschheit mehr und mehr zerstört.

Wenn die existenzbedrohenden ökologischen Gefahren abgewendet werden sollen, müssen bereits heute die Weichen für eine ›ökologische Zeitenwende‹ gestellt werden. Wenn zudem verhindert werden soll, daß diese Umorientierung allein marktförmig (vor allem über steigende Preise) durchgesetzt wird – wodurch die Kluft zwischen arm und reich global wie national weiter wachsen würde –, dann ist vor allem die Linke herausgefordert, eigene Alternativstrategien gegen den neoliberalen Zeitgeist zu stellen. Es geht um eine Politik, die die langfristigen sozialen und ökologischen Interessen immer stärker in das heutige Handeln einbezieht. Dazu gilt es vor allem jene Machtverhältnisse zu ändern, die einen solchen Politikwechsel blockieren.

In Vorbereitung des Münsteraner Parteitages im April 2000 hat die PDS daher am 30. und 31. Oktober 1999 eine ökologische Konferenz zum Thema »Für eine ökologisch-soziale Zeitenwende« veranstaltet. Die damit verfolgten Ziele bestanden vor allem darin, dem sozial-ökologischen Umbau gebührendes Gewicht in der Programmatik der Partei zu geben, ihre umweltpolitische Kompetenz zu erhöhen und praktische Vorschläge für aktuelles Handeln zu entwickeln.

Dazu reicht es nicht aus, wie Lothar Bisky in seiner Eröffnungsrede hervorhob, die umweltpolitischen Defizite der regierenden Koalition intelligent zu kritisieren, auch wenn diese in der Tat substantieller Natur seien, wie z.B. die umweltpolitisch wirkungslose und sozial mißratene Ökosteuer, die Reduzierung der Umweltschutzausgaben, der Aufschub beim Atomausstieg, die fehlenden Signale für Verkehrsvermeidung, das Festhalten am Transrapid, die Verteuerung des Öffentlichen Personennahverkehrs und die zögerliche Erarbeitung eines neuen Bundesnaturschutzgesetzes zeigen. Auch im internationalen Maßstab spiele das Schröder-Fischer-Kabinett, wie an der Torpedierung der Altautoverordnung und der Blockadehaltung bei der Kerosinsteuer und bei den gesamteuropäischen Richtlinien zur Umwelthaftung zu erkennen sei, eher eine unrühmliche Rolle. Wenn die PDS nicht nur als Partei der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch als Partei der sozial-ökologischen Wende akzeptiert werden will, dann muß sie eigene inhaltliche, organisatorische und psychologisch-kulturelle Schwächen abbauen. Aber im Vordergrund sollte nach Bisky zunächst die Überwindung von theoretischen Defiziten stehen. Es sei an der Zeit, das Verhältnis von demokratischem Sozialismus und ›Nachhaltigkeit‹ neu zu bestimmen.

Dazu bedarf es ohne Zweifel einer verbesserten Koordination und systematischen Vernetzung der einzelnen Forderungen und Maßnahmen. Dieter Klein wies in seinem Referat deshalb dringend darauf hin, daß ökologische Belange nicht derart deklariert und verfochten werden dürfen, daß potentielle Partner aus anderen Bereichen abgestoßen werden. Ökoaktivisten müßten davor bewahrt werden, sich von anderen elementaren Interessen zu lösen. Jeder umweltpolitische Schritt müsse mit dem Anspruch auf soziale Gerechtigkeit kompatibel gemacht werden. Gleichzeitig sei die Bewahrung der natürlichen Lebensbedingungen und der gleichberechtigte Zugang zu ihnen weltweit – unabhängig von der Verfügung über Geldvermögen – ein elementarer Bestandteil sozialer Gerechtigkeit. Erfolge ökologischen Wandels in den Industrieländern könnten daher nur von Dauer sein, wenn eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und die solidarische Unterstützung der Länder des Südens Armut als Quelle von Umweltzerstörung überwinden helfen.

Mehrere Teilnehmer machten in der Diskussion darauf aufmerksam, daß soziale Nöte und Ängste derzeit umweltgerechtes Handeln weitgehend blockieren. Zudem wurde auf die bedrohliche Tendenz hingewiesen, daß auch in der PDS Visionäre und Theoretiker einerseits gegen tagespolitisch engagierte Pragmatiker und ›Realpolitiker‹ andererseits ausgespielt werden. Das Austragen dieser Widersprüche erfordert – das hatte auch Dieter Klein hervorgehoben – ein Mehr an politischer Kultur in der PDS.

Wie im Verlauf der Konferenz deutlich wurde, sieht die Mehrheit der ökologisch bewußten Aktivisten in der PDS sehr wohl den Ernst der sich weiter zuspitzenden globalen Umweltsituation, teilt jedoch nicht den Pessimismus mancher Bürgerrechtler, die meinen, daß der Kampf um ein nachhaltiges Gesellschaftsmodell bereits verloren sei. Eine ›solare Wende‹ wird von vielen in der PDS trotz des inzwischen eingetretenen Zeitverzuges durchaus noch für möglich gehalten. Dazu wäre allerdings die Überwindung hartnäckiger politischer, ökonomischer und kultureller Barrieren erforderlich. Im Unterschied zu politischen Kräften, die eine eher unverbindliche Auslegung des ohnehin sehr vieldeutigen Nachhaltigkeitsbegriffes bevorzugen, verbinden die demokratischen Sozialisten mit Nachhaltigkeit ein Konzept, das sich gegen all jene wirtschaftlichen und politischen Machtstrukturen wendet, die einem sozial-ökologischen Wandel entgegenstehen – das betrifft insbesondere die Rüstungslobby, die Automobilkonzerne, die Energiewirtschaft sowie die Banken und Fondsanleger, die auf den Finanzmärkten spekulieren, statt in den ökologischen Umbau oder gar in die soziale Infrastruktur zu investieren, und nicht zuletzt betrifft es die Bindung der etablierten Parteien an diese Wirtschaftsmächte.

Die PDS ist bisher die einzige Partei, die klar zum Ausdruck bringt, daß eine nachhaltige Wirtschaftsweise und Vollbeschäftigung nur bei einer Umverteilung von oben nach unten vorstellbar sind. Die kapitaldominierte Globalisierung ist – so unterstrich Eva Bulling-Schröter – nicht nachhaltig. Ferner würde ein ökologischer Umbau nicht ohne ein Aufbrechen patriarchalischer Strukturen und nicht ohne eine starke feministische Bewegung realisierbar sein. Ähnliches ließe sich auch in bezug auf die Situation in der »Dritten Welt« sagen – ohne Überwindung von Armut, Unterbeschäftigung, Hunger und Bevölkerungsexplosion ist kein zukunftsfähiges Gesellschaftsmodell gestaltbar. Ökologischer Wandel und solidarische Unterstützung unterentwickelter und weltwirtschaftlich benachteiligter Regionen sind zwei Seiten einer Medaille. Darin bestände die historische ›Bringepflicht‹ der OECD-Länder, was auch in der PDS noch nicht von allen akzeptiert werde. Auf die historische ›Schuld‹, die auch Industrieländer ohne ausgedehnten Kolonialbesitz aufgehäuft haben, hat auch Reinhard Grienig an Hand von Langzeitberechnungen hingewiesen. Entwicklungspolitik in der bisherigen Form – als Ressort zur Exportförderung und Katastrophenbekämpfung – hat keine Zukunft, notwendig ist die Gestaltung einer ›alternativen Eine-Welt-Politik‹ als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe.

Dieter Klein sieht die Einordnung des unternehmerischen Gewinninteresses in einen Rahmen sozialer und ökologischer Entwicklungskriterien als Kern linker Reformalternativen. Wo private Kapitalmacht nachhaltige Entwicklung blockiert, sei eine Veränderung der Eigentumsformen unumgänglich, z.B. die Überführung in kommunales Eigentum, eine Ausweitung des genossenschaftlichen Eigentums oder ein öffentlich geförderter, gemeinnütziger Beschäftigungssektor. Maßstab von Entwicklung sollte nicht länger das Wachstum des Bruttosozialprodukts, sondern die Sicherung von Wohlfahrt und Beschäftigung sein. Über die Ökologisierung und Dematerialisierung der Produktion sowie den Ausbau von humanorientierten Dienstleistungen – was nicht zu verwechseln ist mit einer ›Dienstbotengesellschaft‹ – könnten neue Formen des Zusammenlebens entstehen, die keineswegs auf ein freudloses, entbehrungsreiches und karges Leben hinauslaufen.

Insgesamt rechnen Wirtschaftswissenschaftler im Umfeld der PDS mit einer Zeitspanne von 20 bis 25 Jahren für den Übergang zu einer nachhaltigen, gerechten Wirtschaftsweise. In dieser Übergangszeit kommt der richtigen Weichenstellung entscheidende Bedeutung zu. Das erkennen zunehmend vor allem auch jene Privatunternehmer, die überwiegend einen regional begrenzten Aktionsraum haben. Und weil die SPD eine konsequente Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen durch einen Eingriff in die polarisierten Verteilungsverhältnisse offenbar unbedingt vermeiden will, interessieren sich immer mehr Selbständige auch für die Konzeptionen der PDS zu regionalen Wirtschaftskreisläufen.

Neben Dieter Klein beschäftigte sich insbesondere Marko Ferst mit den vielfältigen Hemmnissen für eine ökologisch-kulturelle Wende. Konsumfetischismus, Frustkäufe, Suchtkrankheiten seien Indizien dafür, daß die Konsumgesellschaft längst jenseits der ihr angedichteten ›unbegrenzten Möglichkeiten‹ angelangt ist. Das heißt, die Ironie der Geschichte besteht darin, daß der Massenkonsum bereits seine soziale Integrationskraft verliert, noch bevor ihm durch seine ökologisch zerstörerischen Folgen ein (unausweichliches) Ende gesetzt wurde. Nach Ferst greift zwar überall eine wachsende Verunsicherung um sich, aber die Suche der Menschen nach Alternativen wird systematisch in die Irre geleitet. Die wahre globale Gefahrenhierarchie sei weitgehend unbekannt. Müllsortieren, Spenden für Greenpeace und der Aufbau von Windkraftanlagen sind bei weitem nicht genug. Und was noch viel wichtiger ist, nicht einmal prioritär. Im Zentrum steht – nicht nur für Ferst – die ›Systemfrage‹.

Der Übergang zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft muß offenbar auf vielen Ebenen zugleich beginnen. Globales solidarisches Denken ist genauso notwendig wie der sicherlich noch schwierigere Wandel verinnerlichter Haltungen und Maßstäbe; erforderlich ist aber auch die entschiedene Relativierung des technizistischen Machbarkeitswahns, der nicht zuletzt auch im Staatssozialismus sowjetischen Typs ›kultiviert‹ wurde. Notwendig ist zudem eine vertiefte Einsicht in natürliche Zusammenhänge, denen die gesellschaftlichen Strukturen Rechnung tragen müssen. Hinter einer – bisher im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden – Erhöhung der Arbeitsproduktivität um ca. das Dreißigfache seit Beginn der industriellen Revolution (im Nordwesten) verbirgt sich die Tatsache, daß sich die Ressourcenproduktivität seither kaum erhöht hat. Das Mehr an Produkten, die verlockende, kunterbunte Welt der Waren, basiert nicht auf einem tatsächlich sparsamen Umgang mit der Natur. Die Einsparungen beim Einzelprodukt werden überkompensiert durch die Vervielfachung der Produktzahl. Produktionszuwachs bedeutet so oft nur die Entwicklung der Fähigkeit, immer mehr (Natur)Stoff pro Zeiteinheit zu bewegen und umzuwandeln, wobei auch das Volumen der Abprodukte ständig steigt. Die Konkurrenz unter den Produzenten erzwingt lediglich Zeitersparnis, nicht aber schonenden Umgang mit der Natur. Je mehr Natur pro Zeiteinheit ›verwertet‹ werden kann, um so profitabler die Unternehmung. Die Natur funktioniert aber nicht nach dem Konkurrenzprinzip, sondern nach dem Kooperationsprinzip – in einer zukunftsfähigen Gesellschaft sind daher ganzheitliche Wahrnehmung, sparsamer Naturverbrauch, Vielfalt und kooperative Flexibilität gefragt. An die Stelle von Rohstoffreichtum als Voraussetzung von Entwicklung tritt der Reichtum an Zeit für die Befriedigung vielfältiger Interessen als entscheidende Evolutionsressource.

Vor allem in den Arbeitskreisen wandten sich zahlreiche Redner konkreten Stoßrichtungen des sozialökologischen Umbaus zu – z.B. stärkere Förderung regenerativer Energiequellen, kostendeckende Vergütungen für die Erzeugung von Solar- und Windenergie, Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, Entflechtung der Energiewirtschaft, Verlagerung der Transporte auf Schienen- und Wasserwege, ökologische Landwirtschaft und vor allem rascher Ausstieg aus der Atomenergie. Wie die aktuelle Diskussion zur Gentechnik, zur Biotechnologie u.ä. zeigt, muß die PDS allerdings selbst noch wesentlich mehr Kompetenz und mehr eigene Qualitätskriterien sowie vor allem eigene ganzheitliche Konzepte in die gesellschaftlichen Kontroversen einbringen. Es reicht nicht mehr aus, Fehlentwicklungen zu bedauern und punktuelle Lösungen vorzuschlagen. Ferner muß sich die Mitgliedschaft der PDS weitaus problembewußter zum Wirtschaftswachstum verhalten. Angesichts der für eine zukunftsfähige Gesellschaft notwendigen Reduktion der Stoffströme, wäre unter den bisherigen Bedingungen Vollbeschäftigung durch Wachstum nur zu erreichen, wenn die Ressourceneffizienz auf das 44fache erhöht würde, was völlig unrealistisch ist. Deshalb muß die Forschungs- und Technologiepolitik konsequenter auf Langlebigkeit und Recyclebarkeit der Produkte, sparsamen Energieeinsatz sowie auf die Eignung für regionale Kreisläufe ausgerichtet werden. Die absolute Verringerung der Stoffströme bedarf gleichzeitig der sozialen Abfederung durch Umverteilung, Arbeitszeitverkürzung und den Ausbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Ohne soziale Grundsicherung und Subventionen wird dies kaum zu bewerkstelligen sein.

Insbesondere im Arbeitskreis 3 wurden die globalen Dimensionen eines sozial-ökologischen Wandels diskutiert. Hier wurde vor allem betont, daß die Lage weitaus bedrohlicher ist, als sie vielen Menschen aus ihrer europäischen Perspektive erscheint. Bereits geringfügige Verschlechterungen z.B. der Klimaverhältnisse können im Süden hunderttausende von Opfern fordern. Auch das gilt es in der politischen Arbeit immer wieder bewußt zu machen – auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Diskussion über globale Katastrophenszenarien durchaus Ängste schürt und – wie einige Redner meinten – potentielle Wähler verschreckt.

Die nicht zu überschätzende Bedeutung des ländlichen Raumes wurde vor allem im Arbeitskreis 4 thematisiert. Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe oder die regionale Selbstversorgung, sondern auch um die Erhaltung von Kultur- und Erholungslandschaften.

Der PDS-Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling, und Volker Lüderitz, BUND-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt, schilderten schließlich im Rahmen einer Podiumsdiskussion die aktuellen Schwierigkeiten bei der Umsetzung an sich vernünftiger Konzepte und Ideen. In der Tagespolitik setze die Rechtslage und der Zwang zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien oft enge Grenzen, so daß sich die PDS, auch angesichts der Sparpolitik von Bund und Ländern manchmal für das kleinere Übel entscheiden müsse. So konnten in Mecklenburg-Vorpommern wertvolle Projekte bei der öffentlich geförderten Beschäftigung nur erhalten werden, weil die PDS ihren Protest gegen die Stillegung regionaler Bahnstrecken aufgegeben hat. Die starke lokale und regionale Verankerung der PDS müsse noch stärker als Chance zur Mitwirkung, als Möglichkeit zur Demokratisierung der Demokratie begriffen werden. Angesichts der Tatsache, daß zur Zeit – so Dieter Klein – viele linke Alternativprojekte an Inkonsequenzen und Kurzatmigkeit kranken, wäre eine Öffnung der Partei in die Gesellschaft mit Projekten, die Parteiarbeit und Bündnisarbeit zugleich sind, geeignet, die Lücke zwischen konzeptionellen Entwürfen und ihrer Überführung in die Praxis zu schließen. Die Partner sollten sorgfältig ausgewählt werden, um mit ihnen gemeinsam Erfolgsbeispiele zu schaffen. Dies wäre auch ein Beitrag zu einer längst überfälligen Erneuerung der Partei.

Auch wenn die ökologische Konferenz der PDS sicherlich nicht die ganze Kompliziertheit und Vielschichtigkeit des Thema erschloßen, so förderte sie doch zutage, daß der Nachholbedarf innerhalb der Partei enorm ist. Die Mühen der Ebene auf dem Weg zu mehr konkreten Aktivitäten und zu verstärkter gegenseitige Bezugnahme unter den einzelnen Arbeitsgemeinschaften und Interessengruppen stehen den Mitgliedern der PDS erst noch bevor.