Publikation Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen - Wirtschafts- / Sozialpolitik - International / Transnational - Asien - Westasien - Türkei Die Türkei in der strukturellen Krise

Der Absturz der türkischen Lira könnte der Auftakt einer größeren Finanzkrise in den Schwellenländern sein. Axel Troost über die Folgen der «Erdoğanomics».

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Axel Troost,

Erschienen

August 2018

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Die türkische Lira hat sich nach dem dramatischen Absturz der vergangenen Tage nun wieder etwas stabilisiert. Analyst*innen führten das auf erste Notmaßnahmen der Zentralbank zur Stützung der türkischen Währung zurück sowie auf die Ankündigung, dass Finanzminister Berat Albayrak mit Investoren unter anderem aus den USA und Europa sprechen werde. Der Golfstaat Katar kündigte Unterstützung für die Türkei an. Er wolle 15 Milliarden US-Dollar in dem Land investieren. Dagegen hat sich der politische Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der Trump-Administration weiter zugespitzt. Die Türkei hat auf zahlreiche US-Produkte die Einfuhrzölle erhöht (Autos 120 Prozent, Alkoholika 140 Prozent, Tabak 60 Prozent).

Damit reagierte das Land direkt auf Sanktionen und Strafzölle der USA, die der stellvertretende türkische Präsident Fuat Oktay am 15. August auf Twitter «bewusste Angriffe der US-Regierung» nannte. Die Liste mit 22 Strafzöllen der Türkei gegen die USA wurde im Staatsanzeiger veröffentlicht. Die Einfuhrgebühren der aufgelisteten Produkte wurden nach Angaben der Handelsministerin Ruhsar Pekcan verdoppelt. Aufgeführt sind unter anderem US-Autos, alkoholische Getränke, kosmetische Produkte, Tabak, Papier und Reis aus den Vereinigten Staaten. Auch der US-Pastor Andrew Brunson, an dem sich der Streit zwischen den beiden Nato-Partnern entzündet hatte, bleibt vorerst weiter in der Türkei in Hausarrest. Nun drohte der amerikanische Finanzminister Steven Mnuchin mit weiteren Sanktionen, sollte das von Recep Tayyip Erdoğan regierte Land den unter Hausarrest stehenden Pastor Andrew Brunson «nicht schnell» freilassen[1]. Der evangelikale Pastor Brunson war 2016 im westtürkischen Izmir wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft genommen worden und wurde kürzlich unter Hausarrest gestellt. US-Präsident Donald Trump hatte mehrfach die umgehende Freilassung des Pastors gefordert. Anfang August war Trumps Geduld dann am Ende: Die Regierung verhängte Sanktionen gegen die Türkei. Die Strafmaßnahmen betreffen zwei türkische Minister. die Minister für Justiz und Inneres, Abdulhamit Gül und Süleyman Soylu. «Beide haben führende Rollen bei der Inhaftierung und Festnahme von Pastor Brunson gespielt», sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sanders. Durch die Sanktionen werden die Vermögen der Minister in den USA eingefroren, außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen abschließen.

Die Türkei reagierte daraufhin mit Strafzöllen, unter anderem auf die Einfuhr von Autos und Alkohol.  Dann erhöhte Trump die Zölle auf die Einfuhr von türkischem Stahl und Aluminium. Erdoğan sprach daraufhin von einem «Wirtschaftskrieg». [2]

Der Konflikt zwischen den USA und der Türkei schwärt schon lange: Der im amerikanischen Exil lebende islamistische Priester Fethullah Gülen, dem vorgeworfen wird, den versuchten Putsch von 2016 organisiert zu haben, soll – so Erdoğans Forderung – in die Türkei ausgeliefert werden. Schließlich habe sein Land den Amerikaner*innen alle dafür nötigen Dokumente übergeben, sagte der Präsident und schlug einen Deal vor: «Ihr habt einen anderen Pastor in euren Händen. Gebt uns diesen Pastor und wir werden in unserer Justiz tun, was wir können, um euch diesen hier zu geben.»[3]

Nur die Spitze des Eisbergs

Der tiefe Fall der türkischen Lira im August 2018 markiert die dramatische Steigerung eines chronischen Wertverfalls. Gleichzeitig ist er nur die sichtbare Spitze der strukturellen Wirtschaftskrise in der Türkei. Die Währung hat im Laufe des Jahres fast 50 Prozent an Wert verloren. Die Inflation hat das Niveau von 16 Prozent erreicht und wird in den nächsten Monaten auf über 20 Prozent steigen. Der türkische Außenhandel ist seit Jahren im Minus. Gegenwärtig steht das Handelsbilanzdefizit bei rund sieben Prozent des Bruttosozialprodukts.

Türkische Banken und Unternehmen haben ca. 470 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden. Der Schuldendienst muss in harter, ausländischer Währung geleistet werden. Wenn die türkische Lira immer weicher und im Vergleich zum US-Dollar und Euro immer wertloser wird, ist das kaum zu schaffen. Da auch viele private Firmen betroffen sind, wird das Wirtschaftswachstum einbrechen und die Arbeitslosigkeit zunehmen.

Seit seinem Wahlsieg vom 24. Juni ist Erdoğan zugleich Staats- und Regierungschef – die Transition des Landes zu einem autoritären Regime ist weit voran geschritten. Doch selbst, wenn Erdoğan wollte, könnte er die Verschärfung der Wirtschaftskrise allenfalls mildern, aber keinesfalls verhindern. Denn zu viele Indikatoren deuten auf eine Bruchlandung der lange Jahre als «Tiger am Bosporus» gefeierten Türkei hin.

Erdoğan negiert seit Jahren, dass die Türkei in einer strukturellen Krise steckt. Seine These lautet: «Das ist keine Wirtschaft, die bankrottgeht, die untergeht oder die durch eine Krise geht.» Einheimische Unternehmer*innen sollten sich von der erschwerten Wirtschaftslage nicht beeinflussen lassen. Es sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten: «Es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler», so Erdoğan. Er warnte die Firmen davor, Bankrott anzumelden: «Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!» Erdogan verlangte außerdem, dass die Industriellen keine Fremdwährungen ankaufen sollten – das könnte die türkischen Banken noch mehr unter Druck setzen.

Wie schon in früheren Reden seit 2015 forderte er alle Türk*innen auf, US-Dollar und Euro in Lira umzutauschen. Es sei närrisch zu denken, ein Land wie die Türkei könne durch ein Problem mit Wechselkursen aufgehalten werden. Außerdem forderte Erdoğan die Bevölkerung auf, ihre Gastfreundschaft gegenüber Tourist*innen weiter zu verbessern. «Denn sie bringen Euch Dollar ...» In den vergangenen Tagen verhielten sich die Türk*innen allerdings nicht wie von Erdoğan gewünscht. Sie holten eher ihre US-Dollars von der Bank.

Unbestritten hat die islamisch-konservative Regierung der AKP, die nach der gravierenden Finanzkrise von 2003 die Regierung übernommen hatte, ökonomisch einen Sanierungsprozess eingeleitet. Der Internationale Währungsfond (IWF) hatte zusammen mit der Weltbank einen großen Überbrückungskredit bewilligt. Im Jahr 2002 stand die Türkei noch mit mehr als 16 Milliarden US-Dollar im Defizit. Das Land durchlebte Anfang des vergangenen Jahrzehnts eine schwere Wirtschaftskrise und fügte sich im Gegenzug für Milliardenhilfen des IWF einem strikten Austeritätsprogramm. 2003 übernahm die AKP mit dem Parteichef Erdoğan nach einem Wahlsieg die Umsetzung dieses Sanierungskurses. Seitdem hat sich das türkische Bruttoinlandsprodukt fast verdreifacht. Die Türkei ist heute Mitglied der Gruppe der 20 stärksten Volkswirtschaften der Welt. Ankara stimmte einschneidenden Strukturreformen zu. Die Regierung führte einen transparenten Budgetprozess ein und fuhr die Verschuldung radikal zurück. Gleichzeitig revolutionierte man das öffentliche Beschaffungswesen, zuvor ein Hort der Korruption.

Damit einher gingen radikale politische Reformen mit Blick auf den damals angestrebten Beitritt zur Europäischen Union. Erdoğan schaffte die Todesstrafe ab, er stärkte die Meinungsfreiheit und schränkte die Macht der Militärs ein. Die Türkei näherte sich in großen Schritten europäischen Standards an. Eine EU-Mitgliedschaft schien nicht mehr ein Ziel für die nächsten Generationen zu sein, sondern eine realistische Perspektive.

Die Anstrengung spiegelte sich im ökonomischen Leistungsausweis: Getragen von Produktivitätsfortschritten legte das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2002 und 2007 durchschnittlich um 6,8 Prozent pro Jahr zu. Jahr für Jahr fanden Zehntausende von Türk*innen aus der Armut heraus, und im Hinterland verdrängten die «anatolischen Tiger»[4] die rückständige Agrikultur. In der Tat holten die vernachlässigten Regionen im Südosten der Türkei während des ersten Drittels von Erdoğans Regierungszeit auf. Investitionen in das Gesundheitswesen und die Bildung zahlten sich aus.

Das reformgestützte Wachstumsmodell verlor jedoch ab 2007 schrittweise an Zugkraft. Die Produktivität begann zu stagnieren und der Konjunkturmotor wurde mit bisweilen zweifelhaften Staatsausgaben angetrieben. Megaprojekte aus Beton wurden zu einem Markenzeichen der AKP. Es begann das große Zeitalter des Straßenbaus, Berge wurden durchstochen und Tunnel unter dem Meer geplant; auch entlegenste Provinzstädte erhielten einen Flughafen mit internationalen Verbindungen und dem obligaten VIP-Terminal. Gewiss, nicht alle Infrastrukturbauten sind der Wirtschaftsbelebung geschuldet, aber vierspurige Autobahnen in der Südosttürkei dienen dem lokalen Baugewerbe mehr als irgendjemandem sonst. Zudem wurde die Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen eingeschränkt und schließlich ganz abgebaut. Unternehmen, die sich durch politische Linientreue auszeichnen, erhielten eine Vorzugsbehandlung.

Günstige Kredite, die die Privathaushalte zum Konsumieren und Unternehmen zum Investieren animieren sollten, waren das zweite Standbein der «Erdoğanomics». Zunächst ging das Kalkül auf: die Wachstumsrate blieb hoch, der gefühlte Wohlstand stieg und die AKP gewann Wahl für Wahl. Befragungen der Wähler*innen untermauerten die Vermutung: Die meisten gaben Erdoğan «wegen der Wirtschaft» ihre Stimme.

Unter der oberflächlichen Konjunktur baute sich unterdessen langsam eine Fehlentwicklung auf. Immer stärker wurde die wirtschaftliche und politische Elite von Klientelismus geprägt. Die Verschuldung von Privatleuten und Unternehmen stieg rapide an, zu einem erheblichen Teil in Euro und US-Dollar. Gleichzeitig beschädigte die von Erdoğan durchgesetzte Tiefzinspolitik die Glaubwürdigkeit der Zentralbank. Trotz vieler Beteuerungen, das Inflationsziel im Auge zu behalten, ließen sich die Währungshüter offenkundig vom erklärten «Zinsgegner» Erdoğan auf hohe Inflationsraten ein.

Wechselkurs Euro - Türkische Lira, CC BY-SA 3.0, By Gorgo, via Wikimedia Commons

Der anhaltende Abwertungstrend der türkischen Lira ging im Laufe dieses Jahres in eine offene Währungskrise über und schreckte die islamisch-konservative Führung auf. Der rasante Sinkflug der Lira zwang die Notenbank zu drei Zinserhöhungen innerhalb eines Monats. Ohne Gegensteuern drohte das einst hochgelobte Schwellenland in eine Zahlungsbilanzkrise zu schlittern. Erdoğan, der zugleich das Projekt eines Umbaus der politischen Architektur in einen autoritären Staat betreibt, behauptet seither unbeirrt, «schmutzige Spiele» ausländischer Mächte hätten die heftigen Turbulenzen ausgelöst. Gleichwohl zahlt die Bevölkerung für die zu späte Reaktion der Regierung einen hohen Preis. Ihre Kaufkraft leidet unter Inflation und Währungsschwäche. Wer vor eineinhalb Jahren Erdoğans Aufruf folgte und Devisen in Lira tauschte, um die nationale Währung zu «retten», hat seither (in US-Dollar gemessen) ein Viertel seines Ersparten verloren.

Die Türkei ist vor dem Hintergrund des Transformationsprozesses hin zu klientelistischen Strukturen in die Falle der Dollaraufwertung getreten. Ein konjunktureller Boom basiert darauf, dass das internationale Zinsniveau längere Zeit tief ist. Der Staat, die Unternehmen und privaten Haushalte greifen auf günstige Kredite zurück, was zu Fehlinvestitionen verleitet. In der Türkei und in manch anderen Schwellenländern sind es vor allem die international tätigen Unternehmen, die in den vergangenen Jahren ihre Dollarschulden stark erhöhten. Wenn die US-Zinsen anziehen und/oder der Dollar stärker wird, erhöht sich die Schuldenlast der Dollarschuldner. Deswegen brechen Finanzkrisen in den Schwellenländern meist in der Spätphase einer Hochkonjunktur aus.

Von der Türkei scheinen keine großen Ansteckungsgefahren für andere Länder auszugehen, aber der Absturz der türkischen Lira könnte durchaus der Auftakt zu einer größeren Finanzkrise in den Schwellenländern sein. Diese Wellenbewegung würde dann schnell auf die globalen Kreditmärkte überschwappen, was wiederum die Krisen in den Schwellenländern verstärken würde.

Eine erneute Kooperation mit dem IWF wie 2001, die viele Beobachter*innen vorschlagen, lehnt Erdoğan ab. «Wieder sehen wir uns einer politischen und heimtückischen Verschwörung gegenüber, aber so Gott will, werden wir auch diese überwinden», sagte er. «Wir wissen sehr gut, dass die, die uns ein Geschäft mit dem IWF vorschlagen, uns eigentlich vorschlagen, die politische Unabhängigkeit unseres Landes aufzugeben.»[5] Die These des Präsidenten lautet: Kugeln, Granaten, Raketen in diesem Wirtschaftskrieg seien «Dollar, Euro oder das Gold». Er drohte damit, denen «die Hände zu brechen, die diese Waffen abfeuern». Sollte die US-amerikanische Regierung die Souveränität der Türkei nicht respektieren, «dann könnte unsere Partnerschaft in Gefahr sein» und er drohte, seine Regierung werde ansonsten damit beginnen, «nach neuen Freunden und Verbündeten» zu suchen.

Auswege aus der Krise?

Unter diesen Bedingungen bleiben der türkischen Regierung nur drei Optionen. Möglich wäre, dass sich andere Länder bereit erklären, die Türkei aufzufangen, was die Bekämpfung der strukturellen Krise eindeutig erleichtern könnte. Offenkundig zielt Erdogan in diese Richtung mit der Aktivierung des Bündnisses mit Katar. Katar hat der Türkei Investitionen in Höhe von 15 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) zugesichert. Scheich Tamim bin Hamad Al Thani habe Erdoğan bei einem Treffen eine entsprechende Zusage gegeben, so ein Sprecher des türkischen Präsidenten.

Wie genau diese Investitionen aussehen sollen, war zunächst unklar. Erdoğan und Al Thani seien entschlossen die Beziehungen ihrer Länder auf allen Gebieten zu verbessern. Die Türkei und Katar haben ihre Verbindungen in den vergangenen Jahren enger geknüpft. So unterstützt die Türkei das kleine Golf-Emirat im Streit mit dessen Nachbarn und hat auch Truppen nach Katar entsandt.

Sollte diese Allianz nicht realisiert werden, bleibt unter Ausschluss des IWF eine weitere Alternative: Entweder erhöht die Zentralbank die Zinsen, um den Fall der Lira zu bremsen und die Inflation in den Griff zu bekommen, oder die Türkei führt Kapitalverkehrskontrollen ein, um den Abfluss des ausländischen Kapitals zu stoppen und den Wechselkurs kontrollieren zu können. Die erste Option ist äußerst schmerzhaft, sie löst eine starke Rezession aus und beschleunigt den Bankrott der schwachen Unternehmen, was staatliche Unterstützung nach sich ziehen würde. Außerdem würde sie das Regime stark schwächen. Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass die türkische Regierung Kapitalverkehrskontrollen gekoppelt mit Preis- und Lohnkontrollen einführen wird. Möglicherweise wird sie auch dafür sorgen, dass die Dollarschulden des Privatsektors umstrukturiert werden, sobald sich eine Bankenkrise abzeichnet. Damit wird sich auch die staatliche Kontrolle in der Wirtschaftspolitik verstärken.

Die Beteuerungen Ankaras, Kapitalverkehrskontrollen stünden überhaupt nicht zur Diskussion, haben die Nervosität kaum gedämpft. Sie wären freilich ein Signal des Scheiterns an die Märkte. Die Türkei finanziert ihr Leistungsbilanzdefizit zu einem erheblichen Teil mit Portfolioinvestitionen aus dem Ausland. Eingetrübt haben sich nicht nur die ökonomischen Fundamentaldaten. Der Ausnahmezustand – seit dem gescheiterten Putsch vom Juli 2016 ein halbes Dutzend Mal verlängert – beschleunigte die Aushöhlung des Rechtsstaates. Gerichte verkamen zu Befehlsempfängern der Machtelite in Ankara. Firmen, die Erdoğans ehemaligem Weggefährten Fethullah Gülen nahestanden, wurden kurzerhand enteignet. Ihre Besitzer verschwanden im Gefängnis, oft mit obskuren Anklagen. Setzt Erdoğan seine gegenwärtige Wirtschaftspolitik fort, droht dem Schwellenland ein massiver Crash. Die aktuellen Verwerfungen sind ein deutliches Warnsignal.

Ankaras Machtelite hat sich in eine absurde Scheinwelt geflüchtet. Im Präsidentenpalast, der das Schloss Versailles flächenmäßig um das Vierfache übertrifft, umgeben Erdoğan vor allem devote Adlat*innen. Ökonomisch bewanderte Persönlichkeiten wie der ehemalige Investmentbanker Mehmet Simsek, der als Vizeministerpräsident lange Zeit für die Wirtschaftspolitik verantwortlich war, haben ihre Posten verloren.

Jetzt könnte nur ein politischer Kompromiss oder eine Unterwerfung eine Trendwende auslösen. Ohne Arrangement mit den USA, einen Beistand (mit Auflagen) des IWF und/oder konzertierten Unterstützungsaktionen anderer Partner des «westlichen Bündnisses» wird es schwer werden, diesen Krisenprozess in der Türkei abzufangen.



[1] Siehe Handelsblatt 16.8.2018: US-Regierung droht der Türkei mit neuen Sanktionen

[2] Siehe auch: www.spiegel.de/politik/ausland/usa-verhaengen-sanktionen-gegen-tuerkei-wegen-andrew-brunson-a-1221280.html

[3] Siehe FAZ, 3.8.2018: "Unseren Pastor gegen euren Pastor"

[4] Als Anatolischen Tiger (türkisch Anadolu Kaplanları) bezeichnet man – in Anlehnung an die asiatischen Tigerstaaten[1] (Taiwan, Südkorea, Singapur und Hongkong) – das seit den 1980er und 1990er Jahren registrierte Phänomen des wirtschaftlichen Aufstiegs mehrerer größerer Städte und damit auch der urbanen Globalisierung[2] in den türkischen Provinzen in Zentral- und Ostanatolien.[3] In den 2000er Jahren setzte sich der Begriff durch.[3] Außerdem ist damit das aufstrebende kleine und mittlere[3] Unternehmertum in Provinzhauptstädten wie Konya, Denizli und Kayseri[3] gemeint.

[5] Siehe SPIEGEL ONLINE Sonntag, 12.08.2018