Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung - Gesellschaftliche Alternativen - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit #HambiBleibt!

Eine Reportage vom Kampf um einen Wald, der das Land erschütterte

Information

Reihe

Buch/ Broschur

Autor

Sebastian Weiermann,

Erschienen

Dezember 2019

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2019: Die von der jungen «Generation Klima» angeführte Bewegung für Klimagerechtigkeit ist in Deutschland eine Macht, an der keine politische Kraft mehr ungestraft vorbeikommt.

Ob «Klimawahl» zum EU-Parlament im Mai 2019, ob «Zerstörung der CDU» durch Rezo, ob Shell-Jugendstudie im Herbst: Die Kombination aus rapide eskalierender Klimakrise einerseits und der andauernden Unfähigkeit des politischen Systems, auch nur ansatzweise adäquat auf diese dramatische Eskalation zu reagieren, hat weite Teile einer Generation politisiert, die bisher von vielen für von Social Media abhängig, apathisch und unpolitisch gehalten wurde.

Prolog von Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit und internationale Politik im Zentrum für internationalen Dialog der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist seit vielen Jahren in der Klimabewegung aktiv.

Autor Sebastian Weiermann hat Geschichte und Sozialwissenschaften studiert. Er arbeitet als Journalist für verschiedene Publikationen, für das neue deutschland berichtet er vorrangig aus Nordrhein-Westfalen. Zu seinen inhaltlichen Schwerpunkten gehören soziale Bewegungen und innere Sicherheit.

Nicht nur gelang Fridays for Future das keiner sozialen Bewegung der letzten Jahre (und schon gar keiner Schüler*innenbewegung mit ihren ferienbedingten Mobilisierungspausen) geglückte Kunststück, über ein halbes Jahr lang regelmäßig und bundesweit auf der Straße zu sein – eben an den berühmten, der Zukunft gewidmeten Freitagen. Das junge Protestnetzwerk hat darüber hinaus auf eine Art und Weise den Rest der Gesellschaft inspiriert und mobilisiert, die im Kontext des gleichzeitig stattgefundenen harten Rechtsrucks endlich mal wieder wirkliche Hoffnung macht. Es gibt mittlerweile eben nicht mehr nur Fridays for Future, sondern auch Scientists, Parents, Queers sowie Lehrende und Gewerkschafter for Future. All diese zusammen organisierten im September 2019 eine der wohl größten Demonstrationen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nach Angaben der Veranstalter*innen waren beim großen «Klimastreik» am 20. September in Berlin 270.000 Menschen auf der Straße, bundesweit schätzungsweise um die 1,4 Millionen. Nach Jahren, Jahrzehnten, in denen einer der Lieblingssätze linker Intellektueller war, es sei heute leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus, nach Jahren also, in denen es im Grunde keine attraktive und halbwegs realistische linke Zukunftsperspektive mehr gab, hat die junge «Generation Klima» dem Rest der Gesellschaft wieder den Glauben an eine Zukunft ermöglicht. Eine Zukunft, die nicht nur klimagerecht, sondern auch – wie die Lebensrealität dieser Generation – diverser, feministischer, queerer, migrantischer ist.

Es zeichnet sich schon der Umriss eines neuen historischen Blocks ab, der die Chance haben könnte, die Klimakrise anzugehen und den Rechtsruck aufzuhalten: #UnteilbarForFuture.

Die Klimakrise ist also endlich das politisch brisante, massentaugliche Großthema geworden, das sie spätestens seit dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen vor zehn Jahren hätte sein sollen, als das globale Governance-System zur Bekämpfung der Erderwärmung seinen ersten großen Offenbarungseid leistete. Das hat einerseits mit den nun auch hierzulande sicht- und fühlbaren dramatischen Effekten der Klimakrise zu tun. So spielte der Hitzesommer 2018 eine wichtige Rolle in einer sich verändernden Wahrnehmung vieler Menschen und in dem sich dementsprechend verschiebenden Alltagsverstand.

Aber ein politisches Möglichkeitsfenster, das nicht von konkreten Akteuren genutzt und erweitert wird, bleibt genau das: ein offenes Fenster. Die beeindruckende Bewegung, die heute in Deutschland für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit kämpft, war vor fünf Jahren ein so zartes Pflänzchen, dass bloß 1.000 Menschen für Klimaungehorsam zu mobilisieren eine Riesenanstrengung war. Was also war passiert?

Die kurze Antwort ist: Der Hambacher Forst wurde besetzt, mit Räumung und Abholzung bedroht, verteidigt, und mit der erfolgreichen Verteidigung eines kleinen Waldstückes irgendwo in Deutschland, das kaum jemand außerhalb des Rheinlandes früher kannte, wurde die Klimabewegung zu einer gesellschaftlichen Massenbewegung.

Was das nun bedeutet in einer Welt, in der wirklicher Klimaschutz zumindest im politischen System im engeren Sinne nicht stattfindet, das besprechen wir weiter unten. Jetzt geht es zusammen mit dem Journalisten und Bewegungsexperten Sebastian Weiermann erst einmal in den Hambacher Forst.