Mit einiger Verzögerung ging die zunehmende Bedeutung von Logistik in der globalen Wirtschaft in den letzten Jahren mit einem erhöhten Interesse an Arbeiter*innen und Arbeitsbeziehungen in diesem Sektor einher. Ein vager Konsens in der entsprechenden Literatur geht davon aus, dass Arbeitende in der Transport- und Logistikindustrie über besonders bedeutsame Machtressourcen verfügen (Alimahomed-Wilson/Ness 2018). Einige Autor*innen identifizieren sogar «logistische Macht» als eine besondere Unterkategorie der Machtressourcen von Arbeitenden. Die These, dass Arbeitende in der Logistik eine bedeutende strategische Position einnehmen, steht in erheblicher Spannung zu Befunden (häufig derselben Autor*innen) zu sich kontinuierlich verschlechternden Arbeitsbedingungen in verschiedenen Segmenten des betreffenden Sektors.
In dieser Studie verfolge ich dagegen die These, dass ein beschränkter Fokus auf Logistik als Sektor und die «potenziellen» Machtressourcen von Arbeiter*innen in diesem Sektor keinen adäquaten Zugang zu den Problemen von Arbeitenden in der Logistik und den Strategien ihrer Mobilisierung liefern kann. Damit leistet diese Studie eine Kritik des in den Arbeitsstudien häufig verwendeten Machtressourcen-Ansatzes, da dieser – obschon er Ressourcen wie «gesellschaftliche» und «institutionelle Macht» mit einbezieht – auf die ökonomisch-korporativen Interessen von Arbeiter*innen beschränkt bleibt. Im Gegensatz dazu schlage ich vor, die Probleme von Arbeitenden in der Logistik und die Rolle von Logistik für Produktionsnetzwerke im größeren Kontext einer Gesellschaftsformation zu analysieren, in der die Arbeiter*innen ihr Leben führen. Dies erfordert eine Analyse der politischen Ökonomie von Arbeit in der Logistik – als Komplex von Energiesystemen, Verkehrsinfrastruktur und den globalen Produktionsnetzwerken, die produzierende Unternehmen, Handel, Verkauf, Transportunternehmen sowie nationale und transnationale staatliche Politiken umfassen.