Während dieses Gutachten im Spätsommer 2020 in den Druck geht, steht das Thema Gesundheit im Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Die weltweite Corona-Pandemie macht zum einen deutlich, dass die Gesundheitsversorgung ein zentraler Aspekt der (sozialen) Reproduktion von Gesellschaften ist. Sie zeigt zum anderen, dass ebendiese Versorgung aktuell nicht gerade gut gewährleistet wird: Vom chronischen Personalmangel insbesondere in der Pflege, einem Mangel an materiellen Ressourcen (etwa an Beatmungsgeräten) bis hin zu fehlenden Bettenkapazitäten, besonders vorgehaltener Kapazitäten für Krisenfälle wie diesen – vieles in der Gesundheitsversorgung erweist sich im Brennglas der Corona- Krise als mangelhaft. Dabei ist die Sicherstellung der stationären Versorgung in Deutschland Aufgabe des Staates. [...]
Getrieben von der Möglichkeit, durch den Betrieb eines Krankenhauses Gewinne zu erzielen, aber auch vom Risiko, bei negativen Bilanzen den Bestand der Abteilung oder des gesamten Krankenhauses zu gefährden, sind betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu den wichtigsten Zielsetzungen jeder Krankenhausleitung avanciert. Um dieser Situation planerisch entgegenzuwirken, müssen die Krankenhausplanung und das Landesrecht zu Steuerungsinstrumenten ausgebaut und als solche genutzt werden. Ganz nebenbei wäre so zudem ein Instrument entwickelt, um (auf Landesebene) der Gewinnerzielung im Gesundheitsbereich entgegenzuwirken; also eine profit- gegen eine bedarfsorientierte Gesundheitsversorgung für alle zu tauschen. Ohne darauf zu warten, bis der Kampf für ein anderes Finanzierungsmodell bundesweit gewonnen ist. Wie aber ist dies möglich?
Auf diese Frage formuliert das vorliegende Rechtsgutachten Antworten. Denn obwohl die konkurrierende Gesetzgebung im Bereich der Krankenhausversorgung vorsieht, dass der Bund die Finanzierung regelt, während die Länder für die Planung zuständig sind, wird die Bedarfsermittlung und Krankenhausplanung – und der Landeskrankenhausplan als Hauptsteuerungsinstrument – von den Bundesländern bisher nicht wirklich genutzt. Das vorliegende Gutachten widmet sich daher den rechtlichen Möglichkeiten, die Krankenhauslandschaft durch Landesplanung qualitativ zu gestalten. Es kommt zu dem Schluss, dass eine Landeskrankenhausplanung entlang von Qualitätskriterien an vielen Stellen möglich ist. Der Landesgesetzgeber hat die Möglichkeit, ergänzende Qualitätsanforderungen aufzustellen, wenn es um die Frage geht, ob eine Klinik in den Landeskrankenhausplan aufgenommen wird und daher ihre Kosten über die Krankenkassen abrechnen kann. Etwa wenn es um eine gute Erreichbarkeit im Notfall oder eine wohnortnahe Versorgung bei Geburten geht.
Soweit die Frage von Personalvorgaben berührt ist, wird der Status quo der bisher von den Landesverfassungsgerichten von Hamburg, Bayern und Bremen entwickelten Rechtsprechung zu den Volksentscheids-Initiativen zugrunde gelegt. Die Landesgerichte haben die in den Volksentscheiden geforderten Personalvorgaben auf Landesebene aus kompetenzrechtlicher Perspektive abgelehnt. Zum jetzigen Zeitpunkt muss dies als herrschende Meinung und daher angenommen werden, dass die Länder Personalvorgaben nicht als Voraussetzung für die Aufnahme in den Krankenhausplan formulieren können.
(aus dem Vorwort von Julia Dück)
Inhalt:
Vorwort: Politische Einordnung
1 Aufgeworfene Fragen
2 Verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung
2.1 Kompetenztitel der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser
2.2 Kompetenztitel der Sozialversicherung
2.3 Hineinreichen der Kompetenzen zur Krankenhausfinanzierung in die Krankenhausplanung
2.4 Gebrauchmachen von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz
2.5 Gesetzgebungskompetenz der Länder aufgrund von Öffnungsklauseln
2.6 Exkurs: Öffnung für Landesregelungen hinsichtlich Versorgungsverträgen
3 Einfachgesetzliche Regelungen auf Bundesebene
3.1 Gesetzeszweck des Krankenhausfinanzierungsgesetzes
3.1.1 Begriff der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser in § 1 KHG
3.1.2 Begriff der Wirtschaftlichkeit in § 1 KHG
3.1.3 Begriff der qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung in § 1 KHG
3.1.4 Begriff der Bedarfsgerechtigkeit in § 1 KHG
3.2 Zuständigkeit der Länder für die Krankenhausplanung und die Krankenhausverwaltung
3.3 Das Ziel einheitlicher Lebensverhältnisse im Bund
4 Landeskrankenhausplanung und Auswahlentscheidung
4.1 Notwendige Elemente der Krankenhausplanung nach § 6 KHG
4.1.1 Ziele der Krankenhausplanung
4.1.2 Bedarfsanalyse
4.1.3 Krankenhausbestandsanalyse
4.1.4 Landesversorgungsentscheidung
4.2 Versorgungsentscheidung
4.2.1 Erste Stufe: Planaufnahmeentscheidung
4.2.2 Zweite Stufe: Aufnahmeentscheidung
4.3 Berücksichtigung ergänzender Qualitätsanforderungen des Landesgesetzgebers
5 Aufstellung ergänzender Qualitätsanforderungen im Landeskrankenhausgesetz
5.1 Sperrung von Landesregelungen zu Mindestqualitätsanforderungen und Mindestmengen
5.2 Erfordernis der Gesetzförmigkeit ergänzender Qualitätsanforderungen
5.3 Ausschluss oder Abänderung der Richtlinien des G-BA durch den Landesgesetzgeber
6 Konkrete Regelungsmöglichkeiten im Landeskrankenhausgesetz
7 Zulässigkeit von Nebenbestimmungen in den Aufnahmebescheiden
7.1 Erforderlichkeit einer Rechtsgrundlage für Nebenbestimmungen
7.2 Beispiele für die Zulassung von Nebenbestimmungen im Landeskrankenhausgesetz
7.3 Grenzen der Zulässigkeit von Auflagen in Aufnahmebescheiden
8 Handlungsmöglichkeiten der Landesgesetzgeber
Literaturverzeichnis
Sebastian Baunack ist Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht und im Wirtschaftsverwaltungsrecht, insbesondere auch im Vergabe- und Zuwendungsrecht, tätig. Er ist Partner der Kanzlei dka Rechtsanwälte Fachanwälte. Das Rechtsgutachten wurde im Mai 2020 erstellt und berücksichtigt die bis zum 25. Mai 2020 geltende Rechtslage.