Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung - Commons / Soziale Infrastruktur - Wohnen Wem gehört die Stadt?

Analyse der Eigentümergruppen und ihrer Geschäftspraktiken auf dem Berliner Immobilienmarkt

Information

Reihe

Studien

Autor

Christoph Trautvetter,

Erschienen

November 2020

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Nur online verfügbar

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Fast die Hälfte der Stadt Berlin gehört wenigen tausend Multimillionären

Diese Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist die erste systematische Auswertung von Eigentumsverhältnissen im Immobilienbereich in Berlin und den verschiedenen Geschäftsmodellen. Sie öffnet die Blackbox der privaten Großgrundbesitzer, über die bisher wenig bekannt ist. Die Studie beschreibt bis dato unbekannte Eigentümer mit mehr als 3.000 Wohnungen genauso wie solche, die unterhalb dieser Grenze liegen und über die bisher kaum etwas bekannt ist. «Die Studie räumt mit dem Mythos des netten kleinen Privatvermieters als Hauptakteur auf dem Immobilienmarkt genauso auf wie mit dem Mythos des Wohneigentums als universelle, soziale Absicherung.», fasst Studienautor Christoph Trautvetter, Leiter des Projekts «Wem gehört die Stadt?»  der Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen. Denn fast die Hälfte der Stadt gehört wenigen tausend Multimillionären: Die ungebrochenen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt bringen ihnen immense, leistungslose Renditen von teilweise über 20 Prozent im Jahr. Die Studie vergleicht zudem Geschäftszahlen und -praktiken der börsennotierten Wohnungsunternehmen mit den landeseigenen und genossenschaftlichen Gegenstücken.

Wem gehört mein Haus?

Eigentümer*innenrecherche im Online-Annex zur Studie 

Auch Mieter*innen können unter www.wemgehoertdiestadt.de mit wenigen Klicks in die Daten der Recherche eintauchen. Die Website enthält weitere Daten zu den in der Studie vorgestellten Eigentümern und zu mehr als zweihundert weiteren Akteuren des Berliner Immobilienmarkts. Damit erleichtert sie Mieter*innen, anhand ihrer Adresse oder der ihnen bekannten Firma nach weiteren Anhaltspunkten zu den Hauseigentümer*innen zu suchen.

Kontakt: 

  • Christoph Trautvetter, Autor und Projektleiter «RLS-Cities. Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung, 017678675480
  • Stefan Thimmel, Referent für Wohnungs- und Stadtpolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Das Wichtigste im Überblick: Wem gehört die Stadt?

Wem gehört die Stadt? Wem gehören die zwei Millionen Wohnungen in Berlin? Wer profitiert von den seit knapp zehn Jahren steigenden Preisen und Mieten? Was heißt «keine Rendite mit der Miete»? Wer ist Mietenhai und wer ist verantwortungsvoller Vermieter? Weil es bisher weder offizielle Eigentümerlisten noch Mietenkataster gibt, bleiben diese Fragen bisher unbeantwortet oder wilder Spekulation und hartnäckigen Mythen überlassen. Um das zu ändern, verbindet das Projekt «RLS-Cities. Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung die jahrelange Detailarbeit von Mieter*innen und Journalist*innen zu tausenden Einzelfällen sowie eigene Recherchen zu hunderten Eigentümer*innen in weltweiten Firmenregistern und Finanzberichten mit Daten aus offiziellen Statistiken und kommerziellen Datenbanken. Daraus ergibt sich ein grobes Bild der Eigentümerstruktur auf dem Berliner Immobilienmarkt und wichtige Erkenntnisse für die demokratische Meinungsbildung:

Christoph Trautvetter ist externer Projektleiter des Projekts «RLS-Cities. Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist Public-Policy-Experte und Referent des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Er arbeitet daran, die Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler*innen und Mieter*innen gegen die Minderheit der Steuervermeider*innen sowie aggressive Immobilieninvestoren und Profiteure von illegitimen Finanzströmen zu mobilisieren. Er hat unter anderem als forensischer Sonderprüfer für die KPMG AG, im Haushaltausschuss des Europaparlaments und als Fellow bei Teach First Deutschland gearbeitet. Christoph Trautvetter hat einen Master of Public Policy von der Hertie School of Governance und einen Bachelor of Arts (Philosophy & Economics) von der Universität Bayreuth.

  • Über die Wohnungen in Landesbesitz haben alle Berliner*innen einen Anteil an den Wohnungen der Stadt. Dazu kommen 305.000 Eigentümer*innen eines selbstbewohnten Hauses oder einer Eigentumswohnung sowie Hunderttausende Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Weiterhin gibt es etwa 100.000 bis 200.000 Einzeleigentümer*innen einer vermieteten Wohnung und hinter den Investmentfonds und Aktiengesellschaften verbergen sich unzählige kleine Profiteure aus der ganzen Welt. Aber: Fast die Hälfte der Stadt gehört wenigen Tausend (Immobilien-)Multimillionär*innen, die bisher oft anonym bleiben.
  • Fast alle Immobilieneigentümer – die landeseigenen Wohnungsunternehmen und die Genossenschaften genauso wie die privaten Unternehmen und die Privatbesitzer*innen – konnten wegen steigender Mieten und sinkender Zinsen in den letzten zehn Jahren ihre Gewinne erhöhen. Letztere zwei profitieren zusätzlich oft von den gestiegenen Kaufpreisen. Im Gegensatz dazu sind die Mieten für viele Haushalte schneller gestiegen als das Einkommen und auch die zahlungskräftigen Selbstnutzer*innen zahlen für ihre neue Eigentumswohnung mehr als durch die Zinsersparnis gerechtfertigt. Dadurch entsteht eine massive Umverteilung von Wohlstand von unten (junge, vermögenslose Menschen) nach oben (Menschen mit großem, oft geerbten Immobilienvermögen).
  • Mit dem weitgehend risikofreien Kauf eines Wohnhauses in guter Innenstadtlage in einer der gefragtesten und politisch stabilsten Metropolen der Welt konnten in den letzten zehn Jahren Renditen von teilweise mehr als 20 Prozent pro Jahr erzielt werden. Das ist weder mit dem Argument der Risikokompensation noch mit dem Leistungsgedanken zu rechtfertigen. Vielmehr führt hier die Logik des unregulierten (Finanz-)Marktes unter anderem durch die wiederholten Stützungsmaßnahmen der politisch unabhängigen Zentralbanken zu ungewollten realwirtschaftlichen Effekten, die einer Korrektur durch die Politik bedürfen. Wohnen ist keine Ware.
  • Um rücksichtslose Profitmaximierer genauso wie gemeinwohlorientierte Vermieter*innen zu erkennen, analysiert die Studie mehr als 100 Berliner Immobilieneigentümer*innen. Darunter findet sich eine Reihe in der Öffentlichkeit bisher kaum bekannter Eigentümer mit mehr als 1.000, teilweise auch mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin: vom US-amerikanischen Private-Equity-Unternehmen Blackstone über den Investmentfonds Phoenix Spree aus Jersey bis hin zur Familienstiftung Becker & Kries oder den Erben von Harry Gerlach.
  • Als besonders problematisch erweisen sich die großen Private-Equity-Gesellschaften, allen voran Blackstone mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin. Sie machen ihre Manager*innen zu Milliardär*innen und versprechen den Anleger*innen trotzdem dauerhaft zweistellige Renditen. Sie wollen schnelles Geld anstatt langfristige Investitionen. Sie optimieren die Rendite der Häuser und nicht deren Wohnwert. Sie nutzen Schattenfinanzplätze für Steuervermeidung und Anonymität. Und sie entziehen sich viel zu oft der Mitbestimmung ihrer Mieter*innen und der gesellschaftlichen Rechenschaftspflicht.
  • Kündigungen wegen Eigenbedarf und großzügige Steuerbefreiungen bieten privaten Vermieter*innen zusätzliche Möglichkeiten der Profitmaximierung. Der Schutz der Privatsphäre und fehlende Berichtspflichten führen in diesem Bereich zu einer hohen Intransparenz, was besonders bei großen Immobilienbeständen und bei der Verwendung komplexer Firmenstrukturen und Briefkastengesellschaften in «Geheimnisoasen» ein Problem sein kann. Angesichts der Marktentwicklungen der letzten Jahre dürfte der «kleine» Privatvermieter, dem durch zusätzliche Regulierung die Pleite oder Altersarmut droht, eine Randerscheinung sein. Wohnungskauf als Ausweg aus dem Mietenwahnsinn ist meist nur ein Modell für sehr gut Verdienende. Von der Aufteilung profitieren vor allem die Voreigentümer*innen und mehr als zwei Drittel der Eigentumswohnungen werden zur Kapitalanlage.
  • Die Genossenschaften konnten durch die niedrigen Zinsen ihre Kosten reduzieren und ihren Wohnungsbestand umfassend sanieren. Im Gegensatz zu dem Eindruck, den sie mit ihrer teils aggressiven Kampagne gegen den in Berlin eingeführten Mietendeckel hinterließen, verfügen die meisten der 27 Mitglieder im Verbund der Berliner Genossenschaften über hohe Überschüsse und Rückstellungen. Während die landeseigenen Wohnungsunternehmen mittlerweile an klare sozialpolitische Ziele – vom Neubau über Wohnungen für besondere Bedarfe bis hin zum einfachen Wohnungswechsel – gebunden sind, sind die Genossenschaften vor allem ihren Mitgliedern verpflichtet. Trotzdem leisten sie durch die langfristige Bindung ihrer Mittel und ihrer Wohnungsbestände und die Mitbestimmungsmöglichkeiten einen wichtigen Beitrag für bezahlbaren Wohnraum in der Stadt.

Gegen den gehäuften Missbrauch oder die gezielte Aushöhlung einzelner Regeln genauso wie gegen die massive Umverteilung von Wohlstand auf den Immobilienmärkten in den letzten zehn Jahren muss auf zwei Ebenen gehandelt werden:

  1. Die aktuell verfügbaren Daten zu den Eigentümerstrukturen und zum Mietmarkt sind für die notwendigen regulatorischen und steuerlichen Maßnahmen und angesichts der Bedeutung des Themas völlig unzureichend. Um die «soziale Frage des 21. Jahrhunderts » demokratisch zu beantworten, für evidenzbasierte politische Maßnahmen und nicht zuletzt für den Kampf gegen Missbrauch und organisierte Kriminalität braucht es mehr Transparenz und sehr viel bessere Informationen. Ein Gebäude- und Wohnungsregister bzw. Mietenkataster mit Eigentümerinformationen könnte hier Abhilfe schaffen.
  2. Durch gezielte Maßnahmen müssen die Umwandlung in Eigentumswohnungen und die Eigenbedarfskündigung genauso wie der Immobilienhandel über Firmenanteile (sogenannte Share Deals) zur Umgehung von Vorkauf und Grunderwerbssteuer besser reguliert werden. Als Reaktion auf die Preisexplosion müssen ferner hohe leistungslose Einkommen abgeschöpft werden (z. B. über eine reformierte Erbschafts- oder Vermögenssteuer). Zudem sollten die Realisierung und Extraktion von extremen Wertsteigerungen über Preislimits (berechnet z. B. als Vielfaches der Jahresmieteinnahmen zum Zeitpunkt des Verkaufs) verhindert werden. Zu einer langfristig angelegten städtischen Bodenpolitik gehört auch das Instrument der Enteignung zu realistischen Preisen als Ultima Ratio.

Auf der Website zur Studie www.wemgehoertdiestadt.de findet sich die ständig länger werdende Liste der Berliner Immobilieneigentümer zusammen mit dem Aufruf an alle Mieter*innen Berlins und die verantwortungsvollen Eigentümer der Stadt, das Bild gemeinsam zu vervollständigen und die Frage zu beantworten: Wem gehört die Stadt?

Inhalt

Wem gehört Berlin? 

  • Wem gehören die Berliner Wohnungen? 
  • Wer profitiert vom Immobilienboom?
  • Was ist eine gesunde Rendite? 
  • Wer sind die rücksichtslosesten Profitmaximierer? 

Die einzelnen Eigentümergruppen im Profil 

Private-Equity-Firmen, Vermögensverwalter und institutionelle Investoren 

  • Private-Equity-Firmen und große Vermögensverwalter
  • Investmentfonds und kleinere Vermögensverwalter aus dem In- und Ausland 
  • Institutionelle Investoren und Publikumsfonds 

Private Wohnungsunternehmen 

  • Die Big 5: börsennotierte Wohnungsunternehmen
  • Andere private Wohnungsunternehmen 

Private Hauseigentümer*innen, aufgeteilte Häuser, Selbstnutzer*innen 

  • Private Großgrundbesitzer*innen 
  • Aufgeteilte Häuser und Wohneigentümergemeinschaften
  • Selbstnutzer*innen

Öffentlich, genossenschaftlich und gemeinnützig 

  • Die landeseigenen Wohnungsunternehmen 
  • Genossenschaften 
  • Gemeinnützige und kirchliche Eigentümer 

Literatur 

Anhang 

  • I Immobilieneigentümer*innen in der offiziellen Statistik: Zensus, Mikrozensus und Vorbilder aus dem Ausland 
  • II So funktioniert «Wem gehört die Stadt?» und die Liste der großen Immobilieneigentümer 
  • III Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

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