Publikation Staat / Demokratie - Geschichte - Parteien / Wahlanalysen Wir haben die Entdeckungen noch vor uns

Erbe und Tradition der Linken zwischen Pluralismus und Identität. Lothar Bisky in Standpunkte 06/2010.

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Reihe

Standpunkte

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März 2010

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Wohin politisches Denken ohne Geschichte führen kann, hat dieser Tage der deutscher Außenminister bewiesen. Westerwelle verfrachtete den modernen Sozialismus in den langen Schatten der spätrömischen Dekadenz. Doch dieses Sinnbild des Luxus war hier wohl eher von Hollywood, denn von der Kulturgeschichte gespeist.

Zu Recht erntete Westerwelle – rund um den Aschermittwoch – harsche Kritik an dieser Beleidigung von Menschen, die sich im besten Falle tagtäglich gegen soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit stemmen. Ich mache mir allerdings keine Illusionen, dass wir schon morgen vom liberalen Populismus a ‘la Westerwelle befreit werden. Zu tief sitzen die historischen Machterfahrungen und die erprobten Strategien des Klassenkampfes von oben. Sie setzen immer wieder auf «teile und herrsche». Der Versuch, Beschäftigte im Niedriglohnbereich gegen Menschen, die mit und ohne Erwerb auf Hartz IV angewiesen sind, gegeneinander auszuspielen, ist so durchsichtig wie schäbig. Trotzdem erreicht diese Masche der Empörung über
den «Müßiggang» der eigentlich Ausgegrenzten, häufig ihr Ziel. Sie trifft mitten in ein Klima, indem eine reiche Gesellschaft, wie die unsrige, Menschen in unwürdige, existenzvernichtende Leiharbeit zwingt und zum anderen Gesetze
entwickelt, die Menschen ohne Erwerbsarbeit ihre Würde abspricht und demütigt. (...)