Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut. Am 20. Mai 2005 beteiligten sich mehrere Tausend Menschen an der Großdemonstration der Gewerkschaft ver.di in Marburg unter dem Titel «Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut» gegen den von der damaligen Regierung unter Roland Koch vorangetriebenen Verkauf der fusionierten Universitätskliniken Gießen und Marburg.
Trotz dieses breiten Widerstands befindet sich das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) inzwischen als bundesweit einziges Universitätsklinikum seit mehr als 15 Jahren in privater Trägerschaft der Rhön-Klinikum AG. Die Folgen des Verkaufs ihrer Klinik an ein gewinnorientiertes Unternehmen haben die UKGM-Beschäftigten seitdem in ständigen Auseinandersetzungen gegen Stellenabbau und Outsourcing ebenso wie im Kampf um die Anhebung des Tarifniveaus auf den Stand öffentlicher Kliniken erfahren müssen.
Seit 2020 der Asklepios-Konzern die Aktienmehrheit an der Rhön-Klinikum AG übernommen hat, befürchten die Beschäftigten eine weitere Verschlechterung ihrer Arbeitssituation, da dieser Klinikkonzern in Hessen bisher nicht als seriöser Arbeitgeber, sondern vor allem durch Tarifflucht und Outsourcing aufgefallen ist. Nach Auffassung der Mehrheit im Hessischen Landtag bestand allerdings zum Zeitpunkt der Übernahme keine rechtliche Möglichkeit mehr, die Kliniken in öffentliche Trägerschaft zurückzuführen. Ein 2005 im Kaufvertrag mit der Rhön-Klinikum AG vereinbartes Rückkaufsrecht des Landes Hessen bei einem Inhaberwechsel im Rhön-Konzern war zeitlich befristet und ist Ende 2019 abgelaufen.
Dass das Land Hessen allerdings auch weiterhin die rechtlichen Möglichkeiten zur Rücküberführung des UKGM in öffentliche Trägerschaft hätte, zeigt das nun vorliegende Gutachten auf. Prof. Dr. Wieland liefert mit seinem Rechtsgutachten einen detaillierten Handlungsleitfaden für mögliche künftige politische Mehrheiten im Hessischen Landtag. Welche Bedeutung die beiden mittelhessischen Universitätskliniken für die Gesundheitsversorgung in ihrer Region haben, ist nicht zuletzt in der aktuellen COVID-19-Pandemie deutlich geworden.
Für die Beschäftigten des UKGM wird es unabhängig von der Trägerschaft weiterhin darum gehen, in Tarifverträgen Entgelte durchzusetzen, die ihrer hohen Verantwortung und oft auch großen Belastung gerecht werden, gute Arbeitsbedingungen regeln und eine ausreichende Personalbesetzung vorschreiben. Die weitere Verlagerung von Arbeitsplätzen durch Outsourcing gilt es zu verhindern. Die Umsetzung einer verbindlichen gesetzlichen Personalbemessung (PPR 2.0) durch die Bundesregierung wäre ebenfalls eine wichtige Maßnahme, um der Überlastung des Personals im UKGM entgegenzuwirken. Auch wenn das Land Hessen (noch) nicht selbst Träger des UKGM ist, erwarten die Beschäftigten die konkrete Unterstützung durch die Landesregierung
für ihre Forderungen.
Sylvia Bühler (Bundesfachbereichsleiterin Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, ver.di), Jürgen Bothner (Landesbezirksleiter Hessen, ver.di) und Georg Schulze (Landesfachbereichsleiter Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, ver.di)
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag, der ver.di – Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen und der ver.di Landesbezirk Hessen sind bestrebt, Klarheit über die Möglichkeit einer Vergesellschaftung des UKGM zu gewinnen. Dieses Rechtsgutachten untersucht deshalb die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Vergesellschaftung.
Zum Autor:
Prof. Dr. Joachim Wieland LL.M. ist Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.