Publikation Parteien / Wahlanalysen Richtungswahlen oder regionale Momentaufnahmen? (II)

Anmerkungen zu den Landtagswahlen in Nordrhein Westfalen

Information

Erschienen

Mai 2022

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

Zugehörige Dateien

Landtagsgebäude von Nordrhein-Westfalen
Landtag von NRW in Düsseldorf, CC BY-SA 3.0, Mbdortmund/wikimedia

Am Ende fiel das Wahlergebnis deutlicher aus, als vor der Wahl abzusehen war. Union und Grüne hatten die Trends zu ihren Gunsten besser nutzen können als die SPD jene, die sie hätten stärker machen können.

Für die CDU zahlte sich aus, dass Hendrik Wüst zu einem Teil und vor allem für den eigenen Anhang die Turbulenzen vergessen machen konnte, in die sein Vorgänger Armin Laschet die Landes- und die Bundespartei gezogen hatte. Präsent bleiben sie trotzdem:

Wüsts klare Corona-Politik seit Amtsantritt zahlte sich dennoch ebenso aus wie seine Fähigkeit, ein für den größten Teil des Landes attraktives Narrativ zur präsentieren. Dennoch können sie sich mit Zuwachs im unteren einstelligen Bereich nicht mit dem Wahlsieger Grüne messen. Ihr Erfolg fußt auf dem Misserfolg der schwarz-gelben Koalition: Sie hat deren Scherbenhaufen zusammen gekehrt; ihre Stärke ist die versammelte Schwäche der von ihr geführten Koalition. Zugleich hat sie mehr Stimmen an Grüne und Nichtwähler verloren, als sie von der FDP angezogen hat.

Hendrik Wüsts Herausforderer Thomas Kutschaty hatte nur wenig mehr Zeit als dieser, die SPD aus einem viel tieferen Loch herauszuführen und sich selbst den Wählerinnen und Wählern als Ministerpräsident zum empfehlen. Er hat dabei - bei vergleichsweise weniger Ressourcen als Wüst - eine beachtliche Leistung gezeigt und die SPD aus ihrer tiefsten Krise heraus nahezu auf Augenhöhe mit dem Wahlsieger gebracht. Dennoch erzielte er das schlechteste Resultat in der Geschichte der NRW-SPD.

Wählerinnen und Wähler verlor die SPD vor allem an die Grünen und an die Nichtwähler. Vermutlich waren die Grünen für viele eigentlich sozialdemokratische Anhänger des Transformationsprojekts die programmatisch, personell und strukturell stabilere Option im Gegensatz zur gerade erst konsolidierten SPD.

Die eigentlichen Wahlsieger sind mit einem zweistelligen Plus und einer geradezu sensationell anmutenden Verdreifachung ihres letzten Wahlergebnisses die Grünen. Sie sind - überhaupt nicht überraschend - auch diejenigen, die über die Zusammensetzung der künftigen Landesregierung entscheiden. Ihr Zustrom kommt aus allen Richtungen. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Grünen in NRW ist enorm.

Die Ursachen für das desaströse Abschneiden der FDP dürften nicht allein im Corona-Missmanagement der liberalen Bildungsministerin liegen. Darüber muss genauer nachgedacht werden - auch über die Frage, ob sich da ein neuer Trend andeutet. Die FDP in NRW hat Wählerinnen und Wähler in alle Richtungen verloren. Eine Woche vorher in Schleswig-Holsteins sah es für die Liberalen auch nicht gut aus. Die Umfragen im Bund zeigen bessere Werte als die NRW-Wahl - aber sie deuten auch nicht darauf hin, dass die FDP durch die Ampel gewinnt. Es wäre nicht zum ersten Mal, dass Sinn, Zweck und Funktion der FDP in der deutschen Politik in Frage stehen und neu definiert werden müssen.

Vor Abgesängen auf die Partei aber sollte man sich hüten. Ihr Stimmenverlust ist u.a. ein Verlust bei den älteren, nicht den jüngeren Generationen. Umgekehrt ist es bei CDU und SPD - sie haben auch in NRW ihre Stärken vor allem bei den Älteren.

«Die AfD hat bei der Landtagswahl auch in ihren ‚Hochburgen‘ im Ruhrgebiet deutlich an Stimmen verloren. In Wahlkreisen wie Herne, Recklinghausen II, Oberhausen I und Duisburg II sackte sie um jeweils bis zu vier Prozentpunkte ab und rutschte auf unter zehn Prozent der Zweitstimmen. In Gelsenkirchen II und Duisburg III blieb die Partei nach vorläufigen Angaben des Landeswahlleiters zwar knapp zweistellig, verzeichnete jedoch Einbußen von mehr als vier Prozentpunkten.» (WDR Liveblog)

DIE LINKE hat ihren dramatischen Verfallsprozess fortgesetzt. Einigen Hoffnungszeichen im Land zum Trotz haben die selbstzerstörerischen Vorgänge und die inhaltlichen Blockaden in der Partei auch im für DIE LINKE nach dem Saarland vielleicht wichtigsten westdeutschen Bundesland voll durchgeschlagen. Das Wahlergebnis hat sich im Verhältnis zu 2017 etwa halbiert und die Partei der Einstufung unter «Sonstige» deutlich näher gebracht. Auch in «Hochburgen» wie etwa dem Wahlkreis Bielefeld II hat sich das Wahlergebnis mehr als halbiert - von 11,9 % 2017 auf jetzt noch 5,7 Prozent. Ähnlich in Köln, Aachen, Münster, Bonn … Die soziale Basis der LINKEN ist, sofern das bei den geringen Werten überhaupt sinnvoll erfassbar ist, über alle Gruppen etwa gleich stark bzw. schwach.
 

Mehr im PDF