Publikation Nordafrika - International / Transnational Unsere Hilfe als Drohung

Die Europäische Union und die USA wollen die Demokratiebewegungen in Ägypten und Tunesien unterstützen. Über die Wirkung von «Entwicklungshilfe» und «Demokratieförderung» in der arabischen Welt. Von Peter Schäfer, Leiter des RLS-Büros in Palästina.

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Peter Schäfer,

Erschienen

Februar 2011

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Spätestens seit den Rücktritten von Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali und Ägyptens Hosni Mubarak sprechen die USA, die Europäische Union und einige ihrer Mitgliedsstaaten davon, den „demokratischen Wandel“ in diesen Ländern unterstützen zu wollen. Das klingt nach einem Umdenken in den westlichen Staaten. Als würde man jetzt einsehen, dass die enge Kooperation mit den ehemaligen Diktatoren falsch, man aber nun ehrlich gewillt war, dem Streben nach Demokratie und Freiheit zum Durchbruch zu verhelfen.

Für viele Menschen in der Region sind diese Hilfsversprechen jedoch eine Drohung, da sie den Interessen der Europäischen Union und der USA – Verhinderung „illegaler“ Einwanderung, freier Zugang zu den Rohstoffen der Region, Sicherheit Israels, „Krieg gegen den Terror“ – zuwider laufen. Ungleiche, also für den Westen profitable Handelsbeziehungen können nur aufrecht erhalten werden, wenn die Regierungen der rohstoffliefernden Staaten kooperieren. Und der „Krieg gegen den Terror“, unter dem in der Praxis vor allem die Zivilbevölkerung in den angegriffenen Ländern leidet, kann nur weitergeführt werden, wenn sich zumindest einige der regionalen Regierungen daran beteiligen, durch politische Billigung, geheimdienstliche Zusammenarbeit, finanzielle Unterstützung oder durch die Bereitstellung von Militärstützpunkten.

Es liegt auf der Hand, dass demokratische arabische Regierungen, also solche, die unter anderem die
Mehrheitsmeinung ihrer Bevölkerung repräsentieren, zu dieser Art von Zusammenarbeit mit dem Westen nicht mehr bereit sein werden. Die Frage ist jedoch, ob sie eine andere Chance haben. Regierungen,
Wirtschaftssysteme, einzelne Unternehmen, der Nichtregierungssektor in der Region: in unterschiedlichen
Ausmaßen sind sie von Krediten und anderen Finanzhilfen aus dem Westen abhängig bzw. dadurch gebunden. Dieses System zu verändern, wäre ein Schritt mit weit reichenden Konsequenzen, vor allem für ein individuell handelndes Land.

Deshalb klingen die Unterstützungsvorhaben für die ägyptische und tunesische Demokratiebewegung in den Ohren der Beteiligten wie Säbelrasseln. Aktuelle ausländische Einmischung in arabische Angelegenheiten und die Stützung repressiver Regime wird in der Region durchaus in eine ununterbrochene Reihe (neo-)kolonialer Politikansätze der Geschichte gesehen. Direkte oder indirekte europäische Kolonialherrschaft ist Teil der Vergangenheit aller arabischen Staaten. Direkte britische Kontrolle reichte gar bis in die 1960er Jahre, die aktive Erinnerung daran ist also noch groß. Europäer setzten in einigen Staaten sogar die ersten „unabhängigen“ Regierungen ein, die Kontakte zu Teilen der alten Eliten wurden weiter gepflegt. Und über ökonomischen und/oder militärischen Druck beeinflusst der Westen das Verhalten der regionalen Staaten bis heute aggressiv. Die noch anhaltenden Waffengänge gegen den Irak und Afghanistan sind hier nur die augenscheinlichsten Beispiele.

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