Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung - Commons / Soziale Infrastruktur - Wohnen Wem gehört die Stadt? Teil 2

Eigentümergruppen und ihre Geschäftspraktiken in sechs deutschen Städten

Information

Reihe

Studien

Autor*innen

Christoph Trautvetter, Sarah Knechtel,

Erschienen

März 2023

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Fast die Hälfte der Stadt Berlin gehört wenigen Tausend Multimillionär* innen. Das war die Schlagzeile zu den Ergebnissen der Auswertung tausender Datensätze und von mehr als zwei Jahren Zusammenarbeit mit Berliner Initiativen und Mieter*innen. Die gesamte Analyse wurde Ende 2020 unter dem Titel «Wem gehört die Stadt? Analyse der Eigentümergruppen und ihrer Geschäftspraktiken auf dem Berliner Immobilienmarkt » von der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlicht.

Eine noch genauere Aussage wäre nur mithilfe des Zugriffs auf offizielle Grundbuchdaten machbar, dieser ist in Berlin aber leider immer noch nicht möglich, und so können Immobilienbesitzer*innen hier immer noch viel zu oft anonym oder versteckt ihren lukrativen Geschäften nachgehen. Da hilft auch das im Oktober 2017 eingeführte Transparenzregister wenig, da die Daten bis dato nur äußerst lückenhaft sind. Zudem haben nur ausgewählte Personen Zugang dazu. Ein Thema, mit dem sich das Projekt «Wem gehört die Stadt?» ebenfalls beschäftigt hat. Christoph Trautvetter, Projektleiter und Autor der vorliegenden Studie, kam schon 2020 zu dem Schluss, dass das neue Transparenzregister zur Offenlegung von Eigentümerstrukturen seinen Namen (noch) nicht verdient hat. Doch selbst mit vollständigem Zugriff würden weiterhin Informationen über die genaue Wohnungszahl und die wirtschaftlichen Berechtigten aufgrund häufig verschachtelter Firmenkonstruktionen fehlen. Solange diese Lücke nicht mit politischen Reformen auf Landesebene, vor allem aber auf der Bundesebene geschlossen wird, bleibt das Herstellen von Transparenz auf dem Immobilienmarkt mühevolle und akribische Recherchearbeit. Im Projekt «RLS-Cities. Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird diese Arbeit seit inzwischen über vier Jahren geleistet. Nach vielen durchgeführten Recherche- und Informationsveranstaltungen liegt jetzt nach «Profitmaximierer oder verantwortungsvolle Vermieter? Große Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin im Profil», «Wem gehört die Stadt? Analyse der Eigentümergruppen und ihrer Geschäftspraktiken auf dem Berliner Immobilienmarkt» und «Keine Transparenz trotz Transparenzregister. Ein Recherchebericht zu Anonymität im Berliner Immobilienmarkt» mit «Wem gehört die Stadt? Teil 2. Eigentümergruppen und ihre Geschäftspraktiken in sechs deutschen Städten » die vierte ausführliche Studie zu dieser Schlüs - selfrage vor. Diese neue Studie baut auf vielfältigen Vorarbeiten auf und nutzt die für die Analyse Berlins angewandte Methodik für eine Untersuchung von und für den Vergleich mit sechs weiteren deutschen Städten, und ordnet die Ergebnisse in den europäischen Kontext ein. Bei diesem Vergleich wird sehr deutlich, dass die vorherrschende Meinung, die Mehrheit des Mietwohnungsbestands gehöre Kleinvermieter*innen, die eine oder nur ganz wenige Wohnungen zur eigenen Altersvorsorge bewirtschafteten, nichts mit der Realität in den untersuchten Städten zu tun hat. Stattdessen haben in den vergangenen Jahren profitorientierte Wohnungsunternehmen, Finanzinvestoren und insbesondere Immobilienmillionär*innen und -milliardär* innen einen immer größeren Teil der Mietwohnungen aufgekauft. Die fortgeschrittene Konzentration des Wohnungseigentums erklärt die «wirtschaftliche Dynamik », die sich in immer höheren Mieten und der Verdrängung einkommensarmer Menschen aus den Städten niederschlägt. Und sie zeigt, dass eine Lösung der Wohnungskrise auch an den Eigentumsverhältnissen ansetzen muss. Auch vor diesem Hintergrund kann die anhaltende Unterstützung für das erfolgreiche Berliner Volksbegehren «Deutsche Wohnen & Co enteignen» nicht überraschen.

Trotz dieser intensiven akribischen Recherchen bestehen aber nach wie vor erhebliche blinde Flecken, wenn es um die Frage geht: «Was gehört eigentlich wem?» Das ist aber, wie oben erwähnt, nicht verwunderlich, da der deutsche Immobilienmarkt zu den undurchsichtigsten Märkten in ganz Europa gehört. Die große Unbekannte unter den Vermieter*innen sind Immobilienmilliardär*innen und -millionär*innen, die ihr Vermögen oft in undurchsichtigen Firmenkonstruktionen und Familienstiftungen verstecken. So bleibt die Forderung nach Immobilientransparenz zentral, um die wohnungspolitische Debatte zu versachlichen und echte Lösungswege aufzuzeigen. Drei wichtige Schritte in diese Richtung sind die Reform des Transparenzregisters von 2021, journalistische und wissenschaftliche Bemühungen, mit den bestehenden Daten für mehr Transparenz zu sorgen, und schließlich das Versprechen in den Koalitionsverträgen auf Bundesebene und in Berlin, mit besseren Registern für mehr Transparenz zu sorgen. Es bleibt eine wichtige politische Aufgabe, der sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit ihrem Projekt «Wem gehört die Stadt?» auch weiterhin stellen wird. Es gilt weiter Druck zu machen, damit diese Versprechen eingelöst werden.

Stefan Thimmel, Referent für Wohnungs- und Stadtpolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Autor*innen:

Christoph Trautvetter ist externer Projektleiter des Projekts «RLS-Cities. Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist Public-Policy-Experte und Referent des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Er arbeitet daran, die Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler*innen und Mieter*innen gegen die Minderheit
der Steuervermeider*innen sowie aggressive Immobilieninvestoren und Profiteure von illegitimen Finanzströmen zu mobilisieren. Er hat unter anderem als forensischer Sonderprüfer für die KPMG AG, im Haushaltausschuss des Europaparlaments und als Fellow bei Teach First Deutschland gearbeitet. Christoph Trautvetter hat einen Master of Public Policy von der Hertie School of Governance und einen Bachelor of Arts (Philosophy & Economics)
von der Universität Bayreuth.

Sarah Knechtel lebt in Leipzig, studiert Geografie und Politikwissenschaften an der Universität Halle-Wittenberg. Das Thema ihrer Bachelor-Arbeit sind Entmietungspraktiken privater Immobilieneigentümer*innen, die sie anhand eines konkreten Beispiels in Leipzig untersucht. Privat, politisch und wissenschaftlich sind ihre Interessensschwerpunkte der Kampf von Mieter*innen gegen Verdrängung, Wohnungspolitik, der Strukturwandel in Leipzig und Sachsen sowie die kritische Stadtgeografie. Sie war als externe Mitarbeiterin beteiligt an Recherchen für das Projekt «Wem gehört Leipzig?».

Auf der Website zur Studie www.wemgehoertdiestadt.de findet sich die ständig länger werdende Liste der Berliner Immobilieneigentümer zusammen mit dem Aufruf an alle Mieter*innen Berlins und die verantwortungsvollen Eigentümer der Stadt, das Bild gemeinsam zu vervollständigen und die Frage zu beantworten: Wem gehört die Stadt?