Publikation Partizipation / Bürgerrechte - Migration / Flucht Generalverdacht

Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird

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Reihe

Verlagskooperation

Herausgeber*innen

Mohammed Ali Chahrour, Levi Sauer, Lina Schmid, Jorinde Schulz, Michèle Winkler ,

Erschienen

Oktober 2023

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Generalverdacht. Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird

Die Debatte um die sogenannte Clankriminalität hat seit Jahren Konjunktur. Ein immer weiter wachsendes Gefüge aus polizeilichen Maßnahmenkatalogen, Medienberichten, Entertainmentformaten und (pseudo-)wissenschaftlichen Beiträgen fantasiert eine Bedrohung herbei, gegen die hart durchgegriffen werden soll. Die Konsequenz sind Razzien, rassistische Kontrollen und Kriminalisierung in migrantischen Stadtteilen, die als Problembezirke gebrandmarkt werden. Der «falsche» Familienname genügt, um auf polizeilichen Verdachtslisten zu landen – oder gar abgeschoben zu werden, geht es nach dem Wunsch von Bundesinnenminister Faeser. Politiker*innen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und anderswo profilieren sich mit Null-Toleranz-Strategien, die Aufenthaltsräume migrantischer Communities öffentlichkeitswirksam mit Repression überziehen – und tragen damit eine Mitverantwortung für rassistische Morde wie in Hanau. Während den Betroffenen der Maßnahmen vorgeworfen wird, keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zu haben, werden im Zuge ihrer Bekämpfung Grundrechte wie rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen.

Das Buch «Generalverdacht. Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird» unternimmt erstmals eine kritische Bestandsaufnahme der Clan-Debatte aus kriminologischen, rechtswissenschaftlichen, soziologischen und feministischen Perspektiven: Wer ist gemeint, wenn von Clans gesprochen wird? In welcher Tradition stehen Kriminalisierungsstrategien im Umgang mit Migration in Deutschland? Welche orientalistischen Stereotype sind in der Clan-Debatte am Werk, und welche Folgen hat die Stigmatisierung für die betroffenen Menschen?

Eine Dekonstruktion des rassistischen Narrativs der ‹Clankriminalität›, das von Polizei, Medien und Politik betrieben wird.

Der Sammelband ist ein Projekt des Komitees für Grundrechte und Demokratie, der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) Berlin und der Initiative «Kein Generalverdacht» und entstanden in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Inhalt

Kapitel 1: Zur Geschichte und Kontinuität der «Clan»-Kriminalisierung
  • Mohammed Ali Chahrour
    Identität unter Generalverdacht
  • Britta Rabe
    The Making of »Clan«-Kriminalisierung. Die systematische rassistische Verfolgung staatenloser Libanes*innen in Deutschland nach 1993
  • Dokumentation 1: Bleiberechtskämpfe
  • Interview mit Sozialwissenschaftlerin Fariha El-Zein: «Es ist erniedrigend, nach 30 Jahren um ein Bleiberecht zu bitten.»
  • Dokumentation 2: Hausdurchsuchung bei einer Neuköllner Familie – Brief eines Kindes
Kapitel 2: «Clankriminalität» als politischer Kampfbegriff
  • Michèle Winkler
    «Clan»-Kriminalisierung als erfolgreiches reaktionäres Projekt. Analyse einer rassistischen Kampagne von Landespolitik, Polizei und Presse in Nordrhein-Westfalen
  • Jorinde Schulz und Niloufar Tajeri
    Die räumliche Konstruktion eines rassifizierten Feindbildes. Wie mit der Debatte um die «Clankriminalität» (Verdrängungs-)Politik gemacht wird
  • Dokumentation 3: Razzien bei Gewerbetreibenden – Berichte von Betroffenen
  • Laila Abdul-Rahman
    Die Quadratur des Kreises. Zur Verwissenschaftlichung des Phänomens «Clankriminalität»
  • Çağan Varol
    Racial Politics in Germany. Die «Clan»-Debatte als antimigrantische Moralpanik
  • Dokumentation 4: Null-Toleranz-Strategie – Politische Profilierung
Kapitel 3: «Clankriminalität» in Justiz und Strafverfolgung
  • Interview mit Strafverteidigerin Ria Halbritter: «Organisierte Kriminalität ist nie gleichzusetzen mit einem Verwandtschaftsverhältnis»
  • Levi Sauer
    Die Familie als kriminelle Vereinigung? § 129 StGB und seine Anwendung auf «Clan»-kriminalisierte Familien
  • Dokumentation 5: Ungleichbehandlung vor Gericht – Anklage einer Angehörigen
  • Lina Schmid
    Grundrechte in Gefahr(engebieten). Verfassungsrechtliche Beurteilung der polizeilichen Praxis «kriminalitätsbelasteter Orte»
Kapitel 4: Wirkmächtige Fantasien: «Clans» als Mythos und Projektionsfläche
  • Céline Barry
    «Clan»-Kriminalisierung und Geschlecht im postkolonialen Kontext. Ein muslimisch-feministischer Beitrag
  • Melly Amira
    Rapper als Kronzeugen. Die «Clan»-Debatte und Deutschrap – ein profitables Geschäftsmodell
  • Elisabeth Winkler
    Perspektivwechsel gesucht. Das mediale Narrativ der «Clankriminalität»
Kapitel 5: Stigmatisierungsweisen und deren strukturelle Ursachen
  • Simin Jawabreh
    (Post-)koloniale Regierungsweisen. «Clankriminalität» als Feld des Polizierens
  • Dokumentation 6: Symbolpolitische Vorstöße – eine gescheiterte PR-Aktion
  • Guillermo Ruiz und Tobias von Borcke
    Verdacht – Kontrolle – Feindbestimmung. Antiziganismus und «Clankriminalität»
  • Mitali Nagrecha und Anthony Obst (Justice Collective)
    «Clankriminalität», «Sozialbetrug» und die Massenkriminalisierung von Sozialleistungsberechtigten
  • Ahmed Abed
    Alter Generalverdacht in neuem Gewand. Das Konzept «Clankriminalität» in der Kontinuität stigmatisierender Überwachung in Neukölln
  • Dokumentation 7: Widerstand gegen Kriminalisierung – Betroffene wehren sich
  • Biplab Basu und Parto Tavangar
    «Clan»-Kriminalisierung und Racial Profiling. Institutioneller Rassismus durch Polizei und Justiz

Mohammed Ali Chahrour / Levi Sauer / Lina Schmid / Jorinde Schulz / Michèle Winkler (Hg.):

Generalverdacht
Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird

Nautilus Flugschrift
Broschur, 320 Seiten
Erschienen Oktober 2023
978-3-96054-328-2
22,00 €