Publikation Krieg / Frieden - Die Waffen nieder Droht ein neues Wettrüsten?

Zahlen und Grafiken zu den Trends der globalen Militärausgaben und Analyse der SIPRI-Zahlen zu 2023

Information

Reihe

Studien

Autor*innen

Cornelia Ihl, Jan van Aken,

Erschienen

April 2024

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Kurzstudie zur Aufrüstung

Am 22. April 2024 veröffentlichte das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI seine jährlichen Zahlen zu den globalen Militärausgaben. Sie lagen mit 2,44 Billionen US-Dollar so hoch wie noch nie. Sie sind binnen einen Jahres um 6,8 Prozent gestiegen – auch eine solche Steigerung hat SIPRI seit 15 Jahren nicht mehr gesehen. Die Motoren dieses neuen Wettrüstens sind vor allem die drei aktuellen Großkonflikte: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Israel-Hamas-Krieg und die Konkurrenz zwischen China und den USA.

«Höchster Wert seit 1949»: Die SIPRI-Zahlen zu den Militärausgaben 2023

Militärausgaben der NATO-Staaten, der USA, Chinas, Russlands, Indiens und der übrigen Länder im Jahr 2023 Berechnungsgrundlage: US-Dollar; nicht berücksichtigt: unterschiedliche Kaufkraft des US-Dollar in den verschiedenen Ländern, Quelle: Sipri Military Expenditure Database 1949–2023

Am 22. April 2024 hat SIPRI das Fact Sheet «Trends in World Military Expenditure, 2023» veröffentlicht. Hier eine kurze Zusammenfassung und Analyse der SIPRI-Zahlen:

  • 2023 wurden weltweit insgesamt 2.443 Mrd. US-Dollar für Militärisches ausgegeben. SIPRI schreibt, dies sei der höchste Wert, den sie seit 1949 je gemessen haben. Zum Vergleich: Laut UN-Studien werden gerade einmal 39 – 50 Milliarden US-Dollar jährlich benötigt, um alle Menschen weltweit ausreichend zu ernähren. Das wären zwei Prozent der Militärausgaben.
  • Das ist eine Steigerung gegenüber 2022 in Höhe von 6,8 Prozent (inflationsbereinigt). Das ist der höchste Anstieg der letzten 15 Jahre.
  • Deutschland lag 2023 auf dem siebten Platz weltweit mit Militärausgaben in Höhe von 66,8 Mrd. US-Dollar. Das ist ein Anstieg von 9 Prozent gegenüber 2022 und ein Anstieg von 48 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Zu beachten ist, dass diese 66,8 Mrd. US-Dollar auf Basis der SIPRI-Kriterien berechnet wurden. Sie sind sehr ähnlich, aber nicht identisch mit dem Bundeshaushalt für Verteidigung.
  • Pro Kopf betragen die Militärausgaben in Deutschland 750 Euro.  
  • Alle NATO-Länder zusammen bestreiten 55 Prozent aller weltweiten Militärausgaben. Das Ziel der NATO, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Militärisches auszugeben, haben 20 von 31 NATO-Ländern in 2023 nicht erreicht, darunter Deutschland.
  • Man kann von einem Rüstungswettlauf sprechen, der maßgeblich von drei Konflikten angetrieben wird:
    • Der Russland-Ukraine-Krieg
      • 2023 gab die Ukraine 58 Prozent des Staatshaushaltes für das Militär aus, in Russland waren es 16 Prozent.
      • Seit der russischen Annexion der Krim hat die Ukraine ihre Militärausgaben verdreizehnfacht (+ 1.272 Prozent)
      • Die absoluten Militärausgaben 2023 waren in Russland und der Ukraine vergleichbar hoch, wenn man die ganzen Militärhilfen für die Ukraine hinzurechnet. Für Russland schätzt SIPRI sie auf 109 Mrd. US-Dollar, in der Ukraine lagen sie bei 64,8 Mrd., hinzu kamen laut SIPRI 35,7 Mrd. Hilfe allein aus den USA. Das bedeutet allerdings keinesfalls eine ausgeglichene Stärke im Krieg, denn Russland kann natürlich auf große Mengen an Material zurückgreifen, das vor Jahren und Jahrzehnten angeschafft wurde.
      • In einzelnen Nachbarländern gab es im Zuge des Russland-Ukraine-Krieges auch sehr hohe Zuwachsraten innerhalb eines Jahres: Polen + 75 Prozent, Finnland + 54 Prozent.
    • Der Israel-Hamas-Krieg: Auch Israels Militärausgaben haben von 2022 auf 2023 massiv zugelegt, um 24 Prozent. SIPRI kann die Daten monatsgenau aufschlüsseln, demnach haben sich die Militärausgaben nach dem 7. Oktober im Vergleich zum Vormonat fast verdreifacht (4,7 Mrd. im Dezember, durchschnittlich 1,8 Mrd. in den Monaten bis September).
    • Die Konkurrenz zwischen USA und China:
      • SIPRI schreibt, dass die Militärausgaben Chinas seit 29 Jahren in Folge ansteigen, das habe es seit dem 2. Weltkrieg in keinem anderen Land der Welt gegeben. Der Anstieg in China flacht laut SIPRI in den letzten zehn Jahren allerdings ab.
      • Aktuell haben die USA den mit Abstand größten Militäretat in Höhe von 916 Mrd. US-Dollar, China steht an zweiter Stelle mit geschätzten 296 Mrd.
      • Zusammen geben die USA und China mit 1.212 Mrd. US-Dollar genau so viel für das Militär aus wie alle anderen Länder der Welt zusammen (1.231 Mrd.).
  • Den viertgrößten Militäretat nach USA, China und Russland hat Indien mit 83,6 Mrd. US-Dollar, das sind 2,4 Prozent des indischen BIP.
  • Konstant rückläufig sind dagegen die Militärausgaben in Südamerika mit einer Verringerung um 7,2 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Alle Länder des Subkontinentes zusammen gaben mit 50,7 Mrd. US-Dollar deutlich weniger aus als Deutschland.

In dieser Kurzstudie werfen wir einen Blick auf die globalen Militärausgaben und auf die Dynamiken, die sich hinter den Zahlen verstecken: Wer rüstet gegen wen auf, wie ist das Auf und Ab der Militärausgaben in den letzten drei Jahrzehnten zu erklären und was kommt gerade auf uns zu? Das Ende des Kalten Krieges, die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, der Aufstieg Chinas und der russische Angriff auf die Ukraine – das sind die wichtigsten Faktoren, die zu teils starken Verschiebungen bei den globalen Militärausgaben geführt haben.

Unser Ziel ist es, die Weichen anders zu stellen, in Richtung Abrüstung. Denn Rüstungswettläufe sind kein Naturgesetz, sie sind von Menschen gemacht und können von Menschen auch gestoppt werden. Der vorliegende Überblick über Zahlen und Dynamiken von Rüstungsausgaben und Abrüstungsvereinbarungen soll als Grundlage für Überlegungen künftiger Abrüstungsbemühungen dienen. Denn eins ist sicher: Jeder Euro, der nicht für Waffen ausgegeben wird, kann andernorts viel Gutes bewirken.

Autor*innen:

Cornelia Ihl ist Geoökologin und arbeitet seit 2005 international als Rechercheurin zu den Themen Umwelt, Menschenrechte und Abrüstung. Sie unterstützt außerdem seit vielen Jahren die Kampagnenarbeit von Organsationen wie Greenpeace.

Jan van Aken arbeitet in der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu internationalen Konflikten. Er ist promovierter Biologe, arbeitete als Gentechnikexperte für Greenpeace und von 2004 bis 2006 als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Zwischen 2009 und 2017 war er Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag.