Publikation Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen - Nordafrika Zwischen Krieg und Wahlen

Unsichere Perspektiven für die weitere Entwicklung in Libyen. Analyse von Malte Daniljuk.

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Malte Daniljuk,

Erschienen

Juli 2012

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Am 7. Juli 2012 werden in Libyen die ersten Wahlen seit dem Sturz von Muammar al Gaddafi stattfinden. Die zu wählende Allgemeine Nationalversammlung löst die provisorischen Institutionen ab, die sich während des Bürgerkriegs gebildet haben. Sie soll die nächsten Schritte des Übergangs demokratisch legitimieren: einen Premierminister sowie eine Regierung ernennen und ein verfassungsgebendes Organ bilden, das einen Vorschlag für eine neue Verfassung ausarbeitet. Über diesen Verfassungstext soll anschließend in einer Volksabstimmung entschieden werden. Innerhalb von sechs Monaten nach Annahme dieser neuen Verfassung sind Neuwahlen anzusetzen. 

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Von den am Samstag stattfinden Wahlen sind zwar keine unmittelbaren Veränderungen für die Situation in Libyen zu erwarten, allerdings stellen sie einen ersten Schritt zur Entwicklung einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie dar. Interessant wird zunächst, wie sich die verschiedenen Fraktionen der libyschen Politik auf die Mandate für die politischen Listen verteilen werden. Sicher ist, dass die Allianz Nationaler Kräfte um Mahmoud Jibril als Vertreter des traditionellen Machtblocks der libyschen Politik einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Landes nehmen werden. Auch die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei wird aller Voraussicht nach erfolgreich abschneiden, wobei abzuwarten bleibt, wie sich das intern zerstrittene islamische Lager in der Nationalversammlung zusammensetzt. Beide Lager verfolgen einen außenwirtschaftlich orientierten, wirtschaftsliberalen Kurs. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihre globalen Bezüge: Während die ehemaligen Kabinettsmitglieder des Gaddafi-Regimes Jibril, Issawi und Jalil stark auf die USA und Europa ausgerichtet sind, untersützen die islamischen Parteien eher ein regionales Hegemonie-Projekt der konservativen Golf-Regimes in Saudi-Arabien und Quatar. 

Deutlich ist bereits jetzt, dass diese Wahlen kaum darauf angelegt sind, die regionalen Spannungen und Unterschiede im Land zu überwinden, da der größte Teil der Nationalversammlung von Vertretern regionaler Interessen besetzt sein wird. Zwar befinden sich die Vertreter regionaler Autonomien gegenwärtig in der Minderheit, aber der weitere Verlauf des Bürgerkrieges im Westen und Süden des Landes hat auf die Entwicklung regionaler Spannungen ebenso Einfluss wie die wirtschaftliche Situation.

Der Nationale Übergangsrat hat es in den vergangenen Monaten geschafft, die gegenläufigen oder konkurrierenden Interessen in der libyschen Gesellschaft teilweise zu integrieren. Mit der erfolgreichen Durchführung der Wahlen und der schnellen Wiederherstellung der wirtschaftliche Aktivitäten kann der NTC zudem zwei wichtige politische Erfolge vorweisen. Wenn es aber nicht gelingt, die Milizen in eine zentralisierte und verrechtlichte Sicherheitsarchitektur einzubinden, bleibt die Gefahr einer zumindest teilweisen Somalisierung des Landes bestehen.