Nach dem Verfassungsreferendum in Ägypten im Dezember 2012 waren am 14. und 15. Januar 2014 erneut rund 53 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, über eine neue Verfassung abzustimmen. Bei dem zur Wahl stehenden Entwurf handelt es sich lediglich um eine Neufassung der umstrittenen Verfassung von 2012. Die Freedom and Justice Party (FJP), der politische Arm der Muslimbruderschaft, und die salafistische Partei Al-Nour (Das Licht) hatten damals ihre absolute Mehrheit in der verfassungsgebenden Versammlung genutzt und das von vielen Kritikern als islamistisch bezeichnete Dokument faktisch im Alleingang entworfen. Liberale, linke und christliche Mitglieder des Gremiums hatten schrittweise die Versammlung verlassen und boykottiert.
Der damals noch regierende, aus den Reihen der Muslimbruderschaft stammende Staatspräsident Ägyptens, Mohamed Mursi, hatte die Verfassung trotz massiver Proteste der säkularen Opposition im Schnellverfahren durch die Institutionen gepeitscht, das Dokument wurde bei dem Referendum vor 13 Monaten von der Bevölkerung mit rund zwei Dritteln der Stimmen angenommen. Nach seiner Absetzung am 3. Juli 2013 durch Ägyptens Armee unter Federführung von Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah El-Sisi wurde die Verfassung außer Kraft gesetzt und der vom Generalstab eingesetzte Übergangspräsident Adli Mansour ernannte eine neue verfassungsgebende Versammlung. Das fast ausschließlich aus neoliberalen Parteien und dem alten Regime des 2011 gestürzten autokratisch regierenden Präsidenten Hosni Mubaraks nahe stehenden Kadern dominierte Gremium – der „Rat der 50“ – war keineswegs demokratisch legitimiert, hatte jedoch Rückendeckung seitens des Militärs und politischer Gegner Mursis. Der Rat präsentierte Anfang Dezember 2013 einen neuen Entwurf.
Das jüngst abgehaltene Referendum über Ägyptens neue Verfassung wurde erwartungsgemäß von Gewalt überschattet. Während das Gros der liberalen und armeenahen Parteien den Entwurf unterstützte, wurde die gewerkschaftsnahe und armeekritische linke Opposition mundtot gemacht. Das umstrittene Dokument als institutionalisierte Restaurierung der alten sozioökonomischen Ordnung bestätigt die Vormachtstellung des Militärs und könnte als Einfallstor für Repressionen gegen unabhängige Gewerkschaften fungieren. Die Wahlbeteiligung beim jüngsten Urnengang am Nil lag nach offiziellen Angaben /typo3/mit 38,6 Prozent höher als beim Verfassungsreferendum 2012, die mit 32 Prozent angegeben wurde. Die neue Verfassung Ägyptens wurde nach offiziellen Angaben mit 98,1 Prozent angenommen und ist seit dem 18. Januar offiziell in Kraft.
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