Den Namen Isaak Nahman Steinberg findet man auf der nur mühsam rekonstruierbaren, keineswegs aber kurzen Liste der vergessenen und weitgehend unbekannten Revolutionäre. Arno Lustiger bezeichnet Steinberg gar als die «farbigste Gestalt unter den jüdischen Revolutionären» (A. Lustiger). Steinberg gehört, zumindest auf den ersten Blick, zu den vielen Verlierern des «Katastrophenzeitalters» (E. Hobsbawm), das er gleichwohl als einer der Wenigen überlebte. Viel zu seiner Unbekanntheit mag beigetragen haben, dass Steinberg zeit seines Lebens für eine sozialistische Befreiung stand, deren Alternative von Kommunisten wie Antikommunisten denunziert oder totgeschwiegen wurde; ein Schicksal, das Steinberg mit vielen linken Revolutionären teilt, die die bolschewistische Okkupation der Oktoberrevolution massiv und früh kritisierten.
Im Falle Steinbergs kommt aber noch ein weiteres Hindernis ins Spiel: die thematische und sprachliche Reichweite von Steinbergs über verschiedenste Bibliotheken und Archive dieser Welt – ein Schwerpunkt bildet New York (Columbia University sowie das Institute for Jewish Research) – verstreuten Bücher, Artikel, Briefe und Entwürfe in vielen Sprachen: Russisch, Jiddisch, Deutsch, Englisch, Hebräisch. Ein Blick auf die Homepage Institute for Jewish Research lässt erahnen, wie viel Material in den Archiven schmort. Allein der Briefwechsel Steinbergs reicht von Albert Einstein bis Winston Churchill.
Steinbergs politische Praxis und ihre theoretische Selbstreflexion werden von den beiden zentralen historischen Ereignissen bestimmt, die der Epoche der Weltkriege, der missglückten proletarischen Revolutionen und des Faschismus ihren prägenden Stempel aufdrückten: von der Russischen Revolution, in die Steinberg an exponierter Stelle involviert war, und der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden als dem negativen Bezugspunkt seiner späteren politischen Bemühungen. Steinberg ist nicht nur ein authentischer Zeuge dieser dunklen Jahre, die mit der Hoffnung auf Befreiung begannen und in der Katastrophe der Vernichtung endeten, sondern auch ein emanzipatorischer Geist, dessen Erbe keinesfalls allein musealer Natur ist: «‹success›» is not the strongest argument in ideological battles.» (LNY, 82)
Hendrik Wallat ist Mitherausgeber der Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie.
Der Text erscheint demnächst in überarbeiteter Form in dem Buch «Intellektuelle in Heidelberg 1910–1933. Ein Lesebuch», hrsg. von Markus Bitterolf, Oliver Schlaudt und Stefan Schöbel, Verlag der Buchhandlung Schöbel, Heidelberg.