kontrovers – Die Linke und Europa

Konzeptentwurf - 2. Fassung (b)

Grundsätzlich ist zu entscheiden, ob sich das Heft (a) auf einzelne Aspekte der (west-)europäischen Integration, ihrer Ausdehnung auf Osteuropa und der institutionellen Form EU beziehen sollte, oder b) auf den Gesamtkomplex[1]. Im Falle (a) wäre zu entscheiden, (a1) ob der einzelne Aspekt als Beispiel für den Gesamtkomplex zu betrachten ist oder (a2) als in sich geschlossener Einzelkomplex betrachtet werden soll[2]. Im Falle (b) wäre zu entscheiden, (b1) ob der Gesamtkomplex auch in seiner Gesamtheit (bzw. zumindest in einigen unterschiedlichen Dimensionen) zum Gegenstand gemacht werden soll, oder ob (b2) der Gesamtkomplex nur den Ausgangspunkt bieten soll, um dann, für den Gesamtkomplex relevante Entwicklungen nur an einem Teilkomplex festzumachen[3]. Bisher laufen bezüglich der EU mindestens 4 Diskussionen nebeneinander, nämlich die Diskussionen über a) die sozialstaatliche Ausgestaltung der EU nach innen, b) die ökonomische Entwicklung des EU-Binnenmarktes, c) die Außenwirtschaftspolitik der EU und deren weltgesellschaftliche und politische Implikationen und d) die Außenpolitik inkl. ihrer militärischen Dimensionen. Aus linker Perspektive wurden sie – bezüglich der aktuellen Entwicklungen seit 1999 – kaum miteinander in Zusammenhang gebracht[4]. Soll das Heft tatsächlich mehr sein als wieder nur ein Beitrag zu einem Einzelaspekt, von dem dann womöglich auf das Ganze geschlossen wird, mit der Folge, dass Einzelaspekte – wie in der Verfassungsdiskussion – gegeneinander angeführt werden können[5], dann erscheint es angebracht sich bei der Konzipierung an (b1) zu orientieren. Nur ein solches Vorgehen erscheint geeignet, sowohl die positiven Entwicklungen aufzuzeigen, an denen linke Perspektiven anknüpfen können, wie die negativen Tendenzen zu identifizieren. Nur so erscheint es mir möglich, ein Europa Heft zu konzipieren, dass begründet „Ja“ sagen kann zur europäischen Integration, aber „Nein“ sagen muss, zu den meisten gegenwärtigen Entwicklungstendenzen der EU und in der EU. II Ziel des Heftes soll es sein, eine linke Position zu Europa und speziell zur EU darzulegen. Das Heft könnte erscheinen im Kontext einer anstehenden 2. Verfassungsdebatte, des Kongo-Einsatzes, der Diskussion über weiterer Liberalisierungen auf dem Binnenmarkt. Eine linke Position zur EU muss m.E. Stellung nehmen zu: 1. Wie wird die europäische Integration bewertet? 2. Wie wird die EU in Geschichte und gegenwärtiger Ausprägung bewertet? Ich gehe davon aus, dass die (west-)europäische Integration nach dem Zweiten Weltkrieg positiv bewertet wird, die konkrete gegenwärtige politische, ökonomische, soziale und militärische Ausprägung der EU aber nicht. Wenn dem so sein sollte, muss aufgezeigt werden, wo die positiven Momente lagen (und noch liegen?) und warum sie aus linker Perspektiven positiv bewertet werden – auch und gerade, weil sie wahrscheinlich oftmals nicht Folge linker Politik waren, sondern aus anderen Interessen(konstellationen) resultierten. Des weiteren muss aufgezeigt werden, was genau negativ bewertet wird. Schließlich ist darzulegen, ob die gegenwärtige Ausprägung der Integration in ihrer institutionalisierten Form EU aus linker Perspektive die Möglichkeit bietet, an die positiv bewerteten Momente anzuknüpfen. So muss eine linke Position zur EU Stellung nehmen zu der Frage: 3. Was sind linke Perspektiven/Alternativen innerhalb und mit der EU? III Bei einer aus I. abgeleiteten Struktur des Heftes und einer Zielsetzung laut II. könnte die Gliederung aus zwei großen Blöcken bestehen, die eingerahmt werden durch eine überblickshafte Einleitung und einen Ausblick. Zu den Themenblöcken In dem Heft ist es kaum möglich den Gesamtkomplex in seiner gesamten Komplexität und historischen und aktuellen Dimension aus linker Perspektive darzulegen[6]. Allerdings sollten - zentrale positive und negative Entwicklungen der europäischen Integration seit dem Zweiten Weltkrieg, - in ihren Innen- und Außendimensionen und auf den Feldern - Ökonomie, Politik, Militär, Gesellschaft dargelegt werden. Der erste Themenblock würde sich der historischen Aufarbeitung und der zweite Themenblock aktuellen Tendenzen widmen. Die historische Aufarbeitung kann auf zwei Feldern vorgenommen werden. Ein erstes Feld wäre die ökonomisch gesellschaftliche Dimension. Hier wäre einerseits aufzuzeigen, wie die ökonomische Integration zu Stande kam und welche ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen sie hatte. Hier wäre auf die Ausgleichmaßnahmen (z.B. im Agrarsektor) einzugehen, und welche gesellschaftlich positiven Auswirkungen dies auf die beteiligten staatlich verfassten Gesellschaften hatte. Gleichzeitig wäre aber andererseits auch auf die Außendimension einzugehen und welche positiven und negativen Auswirkungen die ökonomische Integration auf die staatlich verfassten Gesellschaften in angrenzenden Regionen hatte. In diesen Zusammenhang gehören dann auch die (ehemaligen) französischen Kolonien, die AKP und insbesondere das Verhältnis der EWG/EG/EU zu ihren „Nachbarn“ im Mittelmeerraum bis hin zum Barcelona-Prozess. Schließlich wäre hier auf die Diskussion über rheinischen Kapitalismus und das europäische Sozialstaatsmodel einzugehen und wie beides zunehmend dem selbst geschaffenen Sachzwang Globalisierung geopfert wurde. Ein zweites Feld im historischen Block wäre die Krieg/Frieden-Frage, sowohl innerhalb (West-)Europas wie in den Außenbeziehungen. Hier wäre die verfriedlichende (positive) Dimension der Integration im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander genauso zu thematisieren, wie das zunehmende Interesse die Restwelt nach eigenen Vorstellungen mitzugestallten. Hier wäre ganz zentral die Aufbauphase, mit den die Diskussionen um EVG und NATO und schließlich die NATO-Integration der BRD und die Rolle der WEU zu thematisieren. Der zweite Themenblock würde sich aktuellen Entwicklungen (seit 1989/90 mit Schwerpunkt ab 2000) zuwenden. Ein erstes Feld wären die zentralen Weichenstellungen nach dem Zusammenbruch des „Ostblocks“. Hier ist zu thematisieren, dass es zu Beginn durchaus noch andere Optionen gab, als ganz Europa mit der EU zu beglücken, bzw. ganz Europa auf die EU zu fixieren. Mit diesen Optionen hätten vielleicht die gegenwärtigen sozialen und politischen Probleme innerhalb Westeuropas, innerhalb Osteuropas, wie zwischen beiden abgemildert werden können. Gleichzeitig ist aber hier auch die außenpolitische Dimension zu thematisieren, die zu einer EUisirung Osteuropas führte[7]. In diesen Kontext gehört auch die Diskussion um NATO-, WEU- und EU-Osterweiterung und der „Wettlauf“ mit den USA um Einfluss in Osteuropa. Ein zweites Feld wäre hier das Verhältnis EU-USA-Restwelt. Hier wäre dezidiert dieses Verhältnis sowohl im ökonomischen, wie im politisch-militärischen Bereich aufzuzeigen. Schließlich wäre die These zu diskutieren, inwieweit es neben einer ökonomisch starken EU auch einer militärisch starken EU bedarf, um eine bessere Weltpolitik zu betreiben als die USA. Schließlich wäre ein drittes Feld eine genauere Auseinandersetzung mit der Wirtschaftspolitik der EU im Innern wie nach Außen. Hier wäre aufzuzeigen, welche Liberalisierungsstrategien die EU nach Innen wie nach Außen verfolgt und wie Innen und Außendimensionen dieser Politik zusammenhängen. Zur Einleitung In der Einleitung soll ein Überblick über den Inhalt der Themenblöcke und wesentliche „Fakten“ und Tendenzen gegeben werden. Die Einleitung sollte auf die Texte und Textstellen in den Themenblöcken verweisen und so formuliert sein, dass sie auch für sich gelesen werden kann. Ein Schnelldurchlauf durch das Heft sollte es ermöglichen, nur Einleitung und Fazit zu lesen und damit schon einen Überblick zu bekommen. Den Themenblöcken käme dann Vertiefungsfunktion zu. Zum Ausblick Der Ausblick soll keine Zusammenfassung darstellen. Stattdessen sollen hier linke Positionen zur aktuellen Entwicklungen und mögliche linke Alternativen aufgezeigt werden. Dabei sollte möglichst Bezug genommen werden auf die in den Themenblöcken skizzierten positiven und negativen Entwicklungen, ohne sie aber noch einmal dazulegen. Zentral wäre hier nicht nur die aktuelle Entwicklung zu kritisieren, sondern auch (in Ansätzen) praktikable Alternativen (inkl. deren Konsequenzen) aufzuzeigen, die in Diskussionen vertreten werden können. IV Arbeitstitel für Artikel

Artikel/ Block

Umfang in S. ca.

Autor/In/n/en

1. Welches Europa kennen wir?

2

Koordinator + AK

Historische Abrisse auf zwei Feldern
(Themenblock I)

0

2. Vom Ausgleich zur Liberalisierung?

3

Conni Hildebrandt fragen[8]

3. Vom Friedensprojekt zum Kriegsprojekt?

3

Kassel?

Aktuelle Entwicklungen
(Themenblock II)

0

4. EUisierung Europas?

2

Kassel?

5. Kann (nur) mit der EU die USA eingedämmt werden?

3

Kassel?

6. Sozial im Innern und brachial nach Außen?

3

Conni Hildebrandt fragen[9]

Ausblick

0

7. Linke Perspektiven für Europa

2

Koordinator + AK

Summe

18

V

Ableitungen und Rahmen Strukturpapier zur Reihe:

Auf Heft bezogen:

1. Bildungsmaterial (keine umfassende wissenschaftliche Diskussion)

2. Ausgang ein konkretes Problem

Ablehnung der EU-Verfassung bzw. der gegenwärtigen Entwicklungen in der EU (Neoliberalismus, Militarisierung, Machtpolitik) vs. grundsätzliches Ja zur europäischen Integration

3. Keine Programmatik formulieren.

Dennoch friedenspolitisch (Frieden im Galtungschen Sinne) argumentieren

4. Einfach lesbar/ kurze abgeschlossene Texte/Textteile

5. zum Selbststudium verwendbar, wie auch für Gruppen

6. Nicht nur Fließtext, sondern auch Tabellen, Grafiken, Daten, Chronologien,

z.B. Quellentexte in Kästen, Tabellen z.B. zu EU im Welthandel, Chronologie der Integration

7. Hinweise zur Nutzung und zur Weiterarbeit

8. Weiterführendes Material im WWW (eigene Homepage des Heftes/ der Reihe) inkl. ReferentInnenen-Listen

Wer koordiniert das Heft und erstellt und pflegt die Internetseite?

9. Umfang ca. 16 Seiten A4, in Schritten von 4 Seiten erweiter- bzw- reduzierbar


[1] D.h. Soll nur ein einzelner Aspekt (z.B. die gegenwärtige Militarisierungstendenz der EU und ihre historische Entwicklung) betrachtet werden, oder bildet der Gesamtkomplex der politischen, ökonomischen, sozialen und militärischen Entwicklungen den Ausgangspunkt.

[2] D.h. z.B.: Können/Sollen aus einer Betrachtung der gegenwärtigen Militarisierungstendenzen der EU und ihrer historischen Entwicklung auch Aussagen über die soziale und ökonomische Entwicklung in der EU und im Verhältnis EU-Restwelt abgeleitet werden, oder ist die Militarisierung als eigenständige Tendenz zu betrachten.

[3] D.h. Soll durch das ganze Heft hindurch der Gesamtkomplex im Zentrum stehen. Dann müssten durch das ganze Heft hindurch politische (inkl. politisch-institutionelle) , ökonomische, soziale und militärische Entwicklung in der EU und im Verhältnis EU-Restwelt thematisiert werden. Oder soll zwar der Gesamtkomplex den Ausgangspunkt bieten. Konkret bearbeitet werden dann aber nur bestimmte Teilkomplex, wie z.B. die Militarisierungstendenz und die Außenpolitik der EU. Dieses Vorgehen würde aber nur Sinn machen, wenn aus dem Teilkomplex wesentliche Aussagen bezüglich des Gesamtkomplexes abgeleitet werden können.

[4] Siehe zu einer alten Aufarbeitung: Deppe, Frank/ Huffschmid, Jörg/ Weiner, Klaus-Peter (Hrsg.); 1992- Projekt Europa. Politik und Ökonomie in der Europäischen Gemeinschaft; Köln 1989.

[5] Kröte Militarisierung ist zu schlucken, weil ja die Sozialcharta Teil der Verfassung wird.

[6] Hierzu wäre ein eigenes Forschungsprojekt notwendig, indem aus verschiedenen Teilkomplexperspektiven die Entwicklung und gegenwärtige Ausprägung der europäischen Integration und ihrer institutionellen Form zusammengeführt würden. Ein solches Projekt ist von einzelnen kaum zu leisten. Es ist m.E. letztlich nur als Kooperationsprojekt denkbar.

[7] Hier könnte gar eine nicht dezidiert formulierte Die Monroe-Doktrin der EU identifiziert werden: Europa den EU-ropäeren.

[8] Bezug: Brie, Michael/ Hildebrandt, Cornelia (Hrsg.); Für ein anderes Europa. Linke Parteien Im Aufbruch (Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte: 19); Berlin 2005 und Hildebrandt, Cornelia (Hrsg.); Perspektiven des Europäischen Sozialstaates. Bestandaufnahme für alternative Strategien (Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte: 52); Berlin 2004

[9] siehe oben