Nachträgliches zur Luxemburg-Versammlung
Man schreibt uns:
In der Versammlung, welche von der Spartakusgruppe am 21. November in den Passage-Festsälen in Neukölln veranstaltet wurde, sprach Rosa Luxemburg über die Revolution, ihre Festigung und über den Bolschewismus.
Nach einer Beleuchtung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Deutschland sprach sie auch über die russische Revolution, über die sie allerdings keine präzisen Mitteilungen, sondern nur Andeutungen machte.
In der Diskussion stellten sich die meisten Redner auf den Standpunkt der Referentin, daß das Proletariat unbedingt alle irgendmöglichen Maßnahmen (Entkleidung des Bürgertums von der Macht durch restlose Übernahme aller Verwaltungsorgane und von der ökonomischen Macht durch gesäumten Beginn der Sozialisierung) zu ergreifen habe, um die deutsche Revolution zu sichern und wirklich zur Durchführung zu bringen.
Alles, war bisher geschehen sei, sei nur ein Vorspiel und habe die ökonomische Macht des Bürgertums unangetastet gelassen.
Während man sich im Prinzip mit der maximalistischen Idee einverstanden erklärte, wurden von einigen Seiten Anfragen an die Referentin gerichtet, welche sich mit der Praxis des Maximalismus, mit den Erscheinungen der russischen Revolution befaßten.
Die Referentin wurde gefragt, ob ihr bekannt sei und ob sie es billige, dass die russische bolschewistische Regierung Maßnahmen gegen den Willen der Mehrheit des russischen Proletariats (nicht des Volkes) durchgeführt habe; dass im revolutionären Russland die Redefreiheit, die Pressfreiheit, die Versammlungsfreiheit unterdrückt seien; dass das Attentat auf Uritzki durch Tötung von 512 Personen gerächt worden sei; dass die Konstituante, weil sie keine bolschewistische Mehrheit aufwies, auseinandergejagt wurde; dass in Russland das primitive Recht eines freien Arbeiters, das Streikrecht, aufgehoben sei, etc.
Es war deutlich zu erkennen, dass dieses Anfragen auf die anwesenden Arbeiter und Arbeiterinnen großen Eindruck machten, da die Mehrzahl anscheinend nur über die Theorie des Maximalismus, nicht aber über die Praxis der russischen bolschewistischen Revolution unterrichtet war.
In ihrem Schlußwort erklärte Rosa Luxemburg, dass sie bei einer etwaigen Übernahme der Regierungsgewalt durch die deutschen Maximalisten es ablehne, irgendwelche Maßnahmen gegen die Mehrheit des Proletariats (nicht des Volkes) gutzuheißen.
Auf die übrigen Anfragen blieb sie die Antwort schuldig.
Aus: Die Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 1. Jg., Nr. 16, 23. November 1918, Abendausgabe