Rosa Luxemburg und die Bolschewisten

Paul Lange am 27. Dezember 1921

Rosa Luxemburg hat sich nie dazu hergegeben, etwas einfach deswegen zu schreiben, weil es von den Bolschewisten gewünscht wurde. Sie ist auch innerlich nie Bolschewistin geworden; sie wünschte nicht, ein politisch unwissendes Proletariat durch demagogische Mittel zu beherrschen; sie wollte vielmehr die politische Intelligenz und Tatkraft des Proletariats steigern, damit es Herrscher werde. Das geht aus allen Aufsätzen hervor, die Rosa Luxemburg damals geschrieben hat.

     Den ganzen Weltkrieg hindurch haben sich Rosa Luxemburg, Leo Jogiches, Franz Mehring ihre kritische Haltung gegenüber den Leninisten zu wahren gewußt.

     Wenn nach dem Kriege der organisatorische Zusammenschluß des Spartakusbundes mit den deutschen Leninisten durch die Gründung der Kommunistischen Partei erfolgt ist, so entsprach das weniger den inneren Wünschen Rosa Luxemburgs und Leo Jogiches’ als vielmehr der Absicht, nicht neben dem Spartakusbund eine neue Partei entstehen zu sehen. Es war auch nicht nur ein Zeichen von politischer Langeweile, sondern ein positives Zum-Ausdruck-bringen jener in der Broschüre enthaltenen kritischen Gedanken, daß Rosa Luxemburg in Übereinstimmung mit der damaligen Zentrale des Spartakusbundes im Dezember 1918 ein politisches Programm des Spartakusbundes herausgab – kurz vor dem Gründungsparteitage der deutschen Kommunistischen Partei. Das noch heute schwarz auf weiß vorliegende Programm des Spartakusbundes war ein Vorbehalt, eine Demonstration gegen die bolschewistische Taktik. Es sollte auch eine politische Festlegung der zu gründenden Kommunistischen Partei sein. Das bleibt selbst dann wahr, wenn auch heute noch einige dieses Programm nicht begreifen, die es damals mit beschlossen haben, oder wenn es einige verleugnen.

     Der Versuch Clara Zetkins, die historische Gestalt Rosa Luxemburgs zu einer Anhängerin der bolschewistischen Taktik, zu einer Terroristin zu machen, wird von all denen zurückgewiesen werden, mit denen sich diese gerade in den Januartagen 1919 über solche Fragen ausgesprochen hat.


Paul Lange: Rosa Luxemburg und die Bolschewisten, in: Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie, 4. Jg., Nr. 603, 27. Dezember 1921.