Erster Preis - Arbeit 1224

KIM NALLEWEG Architekten und César Trujillo Moya, Architekt

Beurteilung durch das Preisgericht: „Die städtebauliche Lösung, die mit einem individuellen und sehr selbstbewusst gesetzten Solitär auf das heterogene städtebauliche Umfeld reagiert, überzeugt. Der Entwurf sieht eine Hochhausscheibe auf einem zweigeschossigen Sockel vor. Das Hochhaus wird von einem geschosshohen Fachwerkträger mit sich kreuzenden Stützen getragen, die nicht nur der Ornamentik dienen, sondern als Tragwerk stützenfreie Veranstaltungsbereiche ermöglicht und als optischer Antritt für das Hochhaus fungiert. Positiv bewertet wird die so entstehende Differenzierung zwischen den öffentlichen und den intern genutzten Bereichen. Die als „kollektive Plattform“ bezeichneten Terrassen oberhalb des 1. OG werden als ein besonderer Beitrag und dem Ort sowie der Nutzung angemessen betrachtet. Der Hauptzugang erfolgt richtigerweise vom Stadtplatz. Das Foyer umschließt die zentralen Veranstaltungsbereiche und stellt damit eine sehr schöne Transparenz zum Straßenraum her. […]

Die Verwaltungsbereiche im Hochhaus können im Regelgeschoss konventionelle Grundrisse mit Mittelflurerschließung anbieten, die Konstruktion lässt jedoch eine offenere Grundrissbildung für eine flexiblere Arbeitsplatzgestaltung sehr gut zu. Auf Grund der Ost-West Ausrichtung des Hochhauses liegt nur eine geringfügige Anzahl an Arbeitsplätzen zum nach Norden ausgerichteten Bahnbereich. […] Die Teamflächen sind in der vorgeschlagenen Grundrissbildung gut und sinnvoll positioniert. Der Baukörper entspricht den Festsetzungen des Bebauungsplanes und hält die vorgegebenen 6.000 m² oberirdische BGF ein. […] Das großzügige Angebot an Fahrradstellplätzen im Untergeschoss wird positiv bewertet. […]

Die Außengestaltung wird charakterisiert durch eine umlaufende Klinker- und Fensterbänderung. Die Fenster werden bündig zur Klinkeraußenkante angeordnet - von dieser jedoch durch eine Schattenfuge abgesetzt. Dadurch entsteht eine feine Ausdetaillierung, die dem Gebäude ein sehr wertiges Erscheinungsbild gibt. Durch die Wahl von Sichtbeton, Ziegel und Aluminium passt sich das Gebäude adäquat in das raue Umfeld ein.

[…] Die Bewertung der Energie-und Nachhaltigkeitskriterien ergibt im Vergleich den höchsten Erfüllungsgrad und lässt eine sichere BNB-Zertifizierung erwarten. Das Konzept ist umfangreich, aber schlüssig. Das Thema Offenheit und Transparenz wird mit diesem Entwurf sehr schön interpretiert. Das eigenständige und ausdrucksstarke Solitärgebäude bietet in besonderer Weise ein Spiel mit verschiedenen Stadtebenen an, das den interessanten wenn auch oft rauen umgebenden Stadtraum aufnimmt und bereichert.“

Aus dem Erläuterungsbericht: Das neue Gebäude der Rosa Luxemburg Stiftung steht selbstbewusst am neuen Platz vor dem Postbahnhof. Mit dem Sockel stellt es Bezüge zu dem umliegenden, heterogenen Stadtraum her, und ist doch auch als individuelles Objekt lesbar.

Der öffentliche Bereich für Besucher in den ersten drei Geschossen – das Herz der Rosa-Luxemburg-Stiftung – öffnet sich zum Platz. Eine kollektive Plattform über der Platzebene schafft einen Raum für öffentliche Zusammenkünfte und Aktivitäten der Stiftung. Durch die Plattform auf Ebene der S-Bahntrasse hat das Gebäude auch Strahlkraft in den weiteren Stadtraum hinaus. Hier befinden sich die Räume für Sonderveranstaltungen, sowie der gastronomische Bereich. Ein geschosshoher Fachwerkträger mit sich kreuzenden Stützen, markiert als umlaufendes Band diesen besonderen Ort im Gebäude und ermöglicht die stützenfreie Nutzung im Veranstaltungsbereich darunter. Das Haus des Lehrers am Alexanderplatz, Bilder industrieller, alltäglicher Architektur, aber auch freie Assoziationen zu dem Buchstaben X im Namen Rosa Luxemburgs haben wir diskutiert.

Außen- und Innenraum gehen hier fließend ineinander über. Durch die maximale Transparenz und Zusammenführung der Tragkonstruktion auf zwei Kernen scheinen die Arbeitsräume der Mitarbeiter zu schweben. Im Grundriss und in der Ansicht erzeugen die zwei Kerne eine permanente, gedankliche Rotationsbewegung aller Elemente – trotz seiner Einfachheit und Ruhe entsteht so aus unserer Sicht eine permanente dialektische Dynamik in der Wahrnehmung dieses Gebäudes.
Backsteinbrüstungen laufen um das Gebäude herum und spielen mit Bezügen zur Moderne – verweisen zugleich auch auf die Bedeutung des Backsteins als einfachstes Material, welches nur durch seinen Zusammenhalt im Verband Kraft und Dauerhaftigkeit gewinnt. Auch das Denkmal für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von Mies van der Rohe war aus Backstein.

Der Besucher wird von einem großzügigen Foyer empfangen. Im Zentrum der neuen Stiftung liegen der große Veranstaltungssaal und die kleineren Seminarräume. Die Veranstaltungsbereiche sind von der Straße aus einsehbar, jedoch gleichzeitig geschützt. Sie sind umgeben von einem umlaufenden Foyer, das den notwendigen Pufferraum zum öffentlichen Straßenraum schafft und die parallele Benutzung gewährleistet. So muss der Veranstaltungsbereich nicht von „der Straße weg“ in die oberen Etagen verlegt werden. Hier ist Raum für verschiedenste Veranstaltungen, da durch ein mobiles Trennwandsystem verschiedenste Nutzungskonfigurationen möglich werden. In der zweiten Etage sind die Bibliothek und das Archiv der Stiftung in einem Ring um den großen Saal angeordnet und ermöglichen Blickbezüge innerhalb der öffentlichen Bereiche und bieten Kommunikationsmöglichkeiten für Besucher und Mitarbeiter.

Flexible Fassadenanschlüsse und ein Ausbauraster von 1,20m erlauben vielfältige Büronutzungen. Zellenbüros, Kombibüros bis hin zu Gruppenbüros oder open-space Lösungen sind möglich. Offene Treppen in den Teamarbeitsflächen verbinden immer zwei Geschosse miteinander und erlauben so kurze Wege und Kommunikation zwischen den Abteilungen. Die Farbigkeit im Innen- und Außenbereich der Stiftung, soll durch die sorgfältige Auswahl einfacher Materialien bestimmt werden, und sich so zeigen, wie sie ist. Technische Installationen müssen nicht versteckt werden – sie können bewusst gezeigt werden! Ziegel, Beton, Aluminium und Keramik sind dauerhafte Materialien. Hirnholzparkett bzw. geschliffener Estrich in den öffentlichen Bereichen – Teppich in den Büros sind langlebig und gut zu reinigen. Eine Fassadenbefahranlage ermöglicht die Reinigung der Fassade.

Durch einen hohen Grad an sich wiederholenden Elementen und seine klare, kompakte Struktur, lässt sich das Gebäude voraussichtlich wirtschaftlich und schnell errichten. Das letzte, horizontale Band aus Ziegeln, kann von einer in den Fugen platzierten LED-Medienfassade bespielt werden. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss, können hinter den großen Fenstern, sowie an den beiden geschlossenen Fassaden der Erschließungskerne, großflächige Kampagnen präsentiert werden. Im zweiten Obergeschoss geht dies auch auf Ebene der Bahn.

Das Gebäude ist durchgehend barrierefrei und durch den ÖPNV ideal angeschlossen. Die Fahrräder der Mitarbeiter sind geschützt im Untergeschoss angeordnet und über eine bequem zu befahrende Rampe erreichbar. Bevor die Mitarbeiter über die Treppe oder Fahrstühle die Arbeitsplätze erreichen, ist eine Mitarbeiterdusche benutzbar. Fahrradparkplätze für Besucher befinden sich vor dem Haupteingang zur Stiftung. Ein Sicherheitstreppenhaus, Feuerwehraufzug, Flächendeckende Sprinklerung und Brandmeldeanlage sind vorgesehen. [...]

Präsentationspläne

Erläuterungsbericht

Architekt: ARGE KIM NALLEWEG Architekten und César Trujillo Moya, Architekt, Berlin
Verfasser: Kyung-Ae Kim-Nalleweg, Max Julius Nalleweg, César Trujillo Moya
Tragwerksplaner: Saradshow Fischedick, Berlin
Technische Ausrüstung: ZWP Ingenieur AG, Berlin