Sachbericht zur Podiumsveranstaltung »Terror an der Uni?!«

Sachbericht zur Podiumsveranstaltung „Terror an der Uni?! Berechtigte Krimina-litätsfurcht oder gesteuerte Panikmache“

Am Abend des 7. Mai 2007 um 19 Uhr hatten der Arbeitskreis Rechtspolitik und Menschrechte der StipendiatInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen an der Humboldt-Uni (akj) zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Terror an der Uni?! Berechtigte Kriminalitätsfurcht oder gesteuerte Panikmache“ in den Kinosaal der Humboldt Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, eingeladen. Die Veranstaltung war unter anderem mit Plakaten und Flyern an allen Berliner Universitäten, den Universitäten Potsdam und Frankfurt/Oder sowie einem 4x1-Meter-Werbebanner am Eingang der Humboldt-Uni beworben worden; es kamen etwa 60 bis 70 interessierte TeilnehmerInnen, hauptsächlich aus dem studentischen Umfeld. Als Podiumsgäste erschienen auf Einladung der organisierenden Arbeitskreise Frau Annette Brückner (IT-Expertin und Datenbankfachfrau), Dr. Fredrik Roggan (Rechtsanwalt, Publizist und stellvertretender Vorsitzender der Humanistischen Union) und Michael Plöse (Student, akj-Mitglied und ehemaliger Referent im ReferentInnenrat der HU). Kurzfristig absagen musste Christian Bommarius (Jurist, Leitender Redakteur im Bereich Innen- und Rechtspolitik der Berliner Zeitung), da er aufgrund aktueller, nicht absehbarer politische Entwicklungen seinem Beruf nachgehen musste. Ebenfalls entschuldigt aus Zeitmangel hatte sich zuletzt Ralf Göbel (MdB, CDU/CSU-Fraktion, Jurist, Mitglied im Innenausschuss des Deutschen Bundestags); zuvor hatten schon zahlreiche andere innenpolitische Fachleute aus SPD- und CDU/CSU-Fraktion eine Einladung abgelehnt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Albrecht Maurer (Referent der Linksfraktion im Deutschen Bundestag für den Bereich Innenpolitik) nachdem sich Jan Korte (MdB Linksfraktion, Mitglied im Innenausschuss), der ursprünglich als Moderator vorgesehen war, ebenfalls entschuldigen ließ. Nach einigen kurzen einführenden Worten durch Albrecht Maurer begann Annette Brückner mit einem Impulsreferat zu Inhalten und Möglichkeiten polizeilicher Informationssysteme und der neuen Anti-Terror-Datei. In ihrer Funktion als Geschäftsführerin einer Softwareentwicklungsfirma, die hauptsächlich elektronische Datenbanken herstellt und betreut und dabei auch für Polizei- und Sicherheitsbehörden tätig ist/war, konnte sie umfassende Einblicke in technische Möglichkeiten und Grenzen Polizeilicher Informationssysteme und der neuen Anti-Terror-Datenbank geben und kritisch hinterfragen. Ausgehend von den persönlichen Daten der PodiumsteilnehmerInnen hat sie beispielhaft die Funktionsweise von elektronischen Datenbanken vorgetragen und gezeigt, wie schnell die vielfältigsten Informationen auf diesem Wege dargestellt und übermittelt werden können. In diesem Zusammenhang stellte sie Probleme und Risiken, insbesondere hinsichtlich unkontrollierbarer Informationsaufnahme, -weitergabe und -bewertung aus Expertensicht dar. Sehr anschaulich erörterte sie die Gefahren hinsichtlich sog. „False Links“, also aus der Datei hervorgehender, aber tatsächlich nicht existierender Verbindungen zwischen einzelnen Personen oder -gruppen, sog. „False Positives“, d.h. die unrichtige Zuordnung bestimmter Tatsachen zu falschen Personen, etwa aufgrund ähnlicher Namen und nicht zuletzt der sog. „False Negatives“, also des (unbeabsichtigten) Ausschlusses tatsächlich relevanter Personen und/oder Tatsachen. Abschließend gab es Raum für Fragen aus dem Publikum, die sich hauptsächlich um rechtliche und/oder tatsächliche Möglichkeiten zur Einsichtnahme und den Schutz vor Erfassung des Einzelnen drehten. Im zweiten Abschnitt berichtet Dr. Fredrik Roggan aus Sicht des Juristen und Bürgerrechtlers über die bisherigen Entwicklungen des „Sicherheitsapparates“ in Deutschland seit dem 11. September 2001. Er beschrieb die Entstehung, die Inhalte und Weiterentwicklung der sog. Anti-Terror-Gesetze unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und deren Fortentwicklung und Weiterverschärfung durch seinen Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) und stellte diese in den Zusammenhang zu den Ereignissen am 11.9.2001. Thematisiert wurden dabei auch die tatsächliche Bedrohungslage, geschürte Kriminalitätsfurcht und das populistische Ausnutzen der Sicherheitsbedenken durch Teile der Politik und der Medien. Nicht zuletzt gab er auch einen kritischen Ausblick über die weiteren Tendenzen und absehbaren Entwicklungen, etwa Online-Durchsuchungen, Ausweitung der Befugnisse der Polizeibehörden und des BKA, Aufhebung des Trennungsgebots etc. Auch hier blieb abschließend Raum für Fragen aus dem Publikum. Als Dritter auf dem Podium referierte Michael Plöse und spannte den Bogen von der eher abstrakten Sicherheitsthematik hin zum universitären Bereich. Er berichtete über die an den Berliner Universitäten durchgeführte Rasterfahndung nach den Ereignissen am 11.9., weil dort islamistische Terrorgruppen vermutet wurden. Der ReferentInnenrat der HU, an welchem der Podiumsgast damals mitwirkte, hatte gegen dieses völlig überzogene und nicht verhältnismäßige Mittel der Gefahrenabwehr – letztlich ohne Erfolg – geklagt. Eine Rehabilitation des Falles gelang erst durch ein Parallelverfahren in Nordrhein-Westfalen, welches Grundlage einer positiven Entscheidung des BVerfG zur Rasterfahndung war. Zudem wusste er zu berichten, dass auch aktuell jährlich Anfragen von Sicherheitsbehörden aus dem In- und Ausland an den deutschen Universitäten, so auch an der HU Berlin, eingehen um eventuelle „Gefährdungslagen“ auszumachen: Die Zahl der Anfragen ist zwar seit einigen Jahren rückläufig, im Blickpunkt stehen aber zunehmend öfter ausländische Studierende. Diesen Punkt stellte der Referent in den Kontext aufkommender Forderungen von Innenpolitikern auf Bundes- und Landesebene nach der Überwachung ausländischer Studierender und der Bildung sog. Sicherheitspartnerschaften zwischen Universitäten und Sicherheitsbehörden, und gab dadurch abschließend Raum für kritische Diskussion. In Anbetracht der späten Stunde wurden die ReferentInnen durch den Moderator noch um kurze Abschlussstatements gebeten. Die gelungene und überaus informative Veranstaltung endete gegen zehn Uhr. Die OrganisatorInnen betrachten die Podiumsdiskussion trotz der mehrfachen Absagen als vollen Erfolg und wollen die Zusammenarbeit durch ähnlich gelagerte Veranstaltung zeitnah fortsetzen. Recht herzlich bedanken wollen sie sich für die finanzielle und strukturelle Unterstützung bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie dem ReferentInnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin.